Prozessbeginn

Jan Fabre muss sich Missbrauchsvorwürfen stellen

05:33 Minuten
Der belgische Künstler Jan Fabre.
Der belgische Künstler Jan Fabre streitet alles ab. Seine Anwälte sprechen von einer gezielten Kampagne gegen ihn. © imago / ZUMA Press
Von Kerstin Schweighöfer |
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Jan Fabre leitet die Antwerpener Kompanie Troubleyn. Vor drei Jahren warfen ihm 20 seiner Tänzerinnen und Tänzer Machtmissbrauch und sexuell grenzüberschreitendes Verhalten vor. Im März muss er sich nun vor Gericht verantworten.
Jan Fabre, Enfant terrible der belgischen Kunst- und Kulturwelt. Lange Zeit machte der inzwischen 63-Jährige wegen aufsehenerregender Ausstellungen und Aufführungen Schlagzeilen, doch das änderte sich 2018 mit den Vorwürfen seiner Tänzerinnen und Tänzer: Fabre habe sie erniedrigt, gedemütigt und manipuliert, psychologische Spielchen mit ihnen gespielt und regelmäßig abwertende und rassistische Bemerkungen gemacht. Tänzerinnen, die nicht auf seine sexuellen Annäherungsversuche eingingen, seien bestraft worden und hätten ihre Karriere vergessen können. Motto: ohne Sex kein Solo.

Missbrauch im flämischen Kultursektor

Fabre selbst streitet alles ab. Er habe nichts Strafbares getan, betont seine Anwältin Eline Tritsmans. Das werde sie auch beweisen.

Wir haben nicht vor, diesen Prozess in den Medien zu führen, sondern im Gerichtssaal. Aber eines möchte ich schon jetzt klarstellen: Das Bild, das in den Medien von meinem Mandanten entstanden ist, steht in keinem Verhältnis mehr zur Wirklichkeit. Man hat ihn zu einer Karikatur gemacht.

Eline Tritsmans, Anwältin

Ausgelöst wurde der Skandal 2018 durch eine Untersuchung der Universität Gent. Diese hatte ergeben, dass jede vierte Frau, die im flämischen Kunst- und Kultursektor tätig ist, im Jahr zuvor Opfer sexueller Belästigungen und Übergriffe geworden war – also 25 Prozent.

Offener Brief

In einer Reaktion auf diese Untersuchung im flämischen Fernsehen gab sich auch Jan Fabre schockiert:
“Gegen solche Missstände muss natürlich etwas unternommen werden. Jedes Lebewesen verdient Respekt, auch die Frau. Wobei ich sagen muss, dass es bei uns in den 40 Jahren, in denen es meine Kompanie gibt, nie zu solchen Problemen gekommen ist. Nie!“
Das wiederum schockierte viele Mitglieder seiner Kompanie Troubleyn. Sie trauten ihren Ohren nicht. Davon könne keine Rede sein. Schließlich hätten in den letzten zwei Jahren sechs Darsteller wegen sexueller Belästigung gekündigt.
Sämtliche Bemühungen, die Probleme zu thematisieren und mit Fabre und der Kompanieleitung zu besprechen, seien gescheitert. Deshalb beschlossen die 20 Tänzerinnen und Tänzer, mit besagtem offenen Brief die Öffentlichkeit zu suchen.

Verteidigung spricht von gezielter Kampagne

Fabres Anwaltsteam kontert und spricht von einer orchestrierten, präzise geplanten Kampagne, die ihren Mandanten kalt erwischt habe. Er sei sehr angeschlagen, denn das tue weh.
Die Vorwürfe sind noch unbewiesen, doch gehen Kulturinstitute und Organisationen bereits auf Distanz. Ende September etwa beschloss die Leitung der Tanzbiennale im belgischen Charleroi, eine Aufführung von Fabres Kompanie aus ihrem Programm zu streichen.
In den sozialen Medien war es zu Protesten und Beschimpfungen von Fabre und der Kompanieleitung gekommen. Es wurde gedroht, die Aufführung zu sabotieren und sämtliche Karten aufzukaufen, sodass der Auftritt vor einem leeren Saal stattfinden würde. Das hätte in erster Linie die Tänzerinnen und Tänzer getroffen, so die Organisatoren der Biennale, und das habe man ihnen nicht antun wollen. 

Institutionen gehen auf Distanz zu Fabre

Einen Tag zuvor hatte das Kulturzentrum deSingel in Antwerpen bekannt gemacht, dass eine beliebte Skulptur von Fabre, die gerade restauriert worden war, vorerst im Depot bleibt und nicht an ihren angestammten Platz auf dem Dach zurückkehrt: Die vergoldete und lebensgroße Figur eines Mannes, der mit einem Lineal die Arme gen Himmel streckt, um die Wolken zu messen.
Auch das Museum für aktuelle Kunst in Gent, das SMAK, hat einen solchen Wolkenmesser auf seinem Dach stehen. Doch SMAK-Direktor Philippe van Cauteren denkt gar nicht dran, ihn zu entfernen. Das bringe doch überhaupt nichts, stattdessen müsse man den Dialog suchen und über die Thematik diskutieren.

Das Genter SMAK sucht den Dialog

Genau das will das SMAK auch mit einer ganzen Reihe von Debatten und Workshops im Januar tun. Für diese Zeit soll der Wolkenmesser seinen Platz auf dem Dach dann zwar verlassen, allerdings nur, um im Foyer des Museums wieder aufgestellt zu werden, wo die Debatten stattfinden werden – in seiner Gegenwart, so van Cauteren:
”Dann wird der Wolkenmesser eine Zeit lang nicht mehr die Wolken messen, sondern unsere Fähigkeit, das Gespräch zu suchen – und die Nuance.“ 
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