Zuhälterei oder Ausschweifung?

Wer Zuhälterei nachweislich ermöglicht und wer davon profitiert, macht sich in Frankreich strafbar. Ex-IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn und seine Mitangeklagten vor dem Gericht in Lille weisen jegliche Vorwürfe in Bezug auf illegale Sex-Partys von sich. Mindestens drei Wochen wird verhandelt.
Das ist schon ein herausragendes Verfahren, sagt der Präsident des Gerichts in Lille, Tristan Gervais de Lafond:
„Mehr als drei Wochen Verhandlung – mindestens –, mehr als 200 akkreditierte Journalisten aus der ganzen Welt, zwei Säle, viel Technik, höchste Sicherheitsstufe.“
Während der berühmteste unter den Beschuldigten, Dominique Strauss-Kahn durch die Tiefgarage in den Gerichtssaal gelangt, bahnen sich draußen Anwälte, Mandanten, Kläger und Nebenkläger ihren Weg durch ein Dickicht aus Kameras und Mikrofonen.
Der Anwalt einer der zentralen Figuren dieses Prozesses raunt das Wort „Scheinheiligkeit“ in die Runde der drängelnden Journalisten. An seinem Arm, leicht humpelnd, sein Mandant, René Kojfer. Kojfer soll als Sprecher einer namhaften Hotelkette Prostituierte für Kunden und hochrangige Freunde „organisiert“ haben. Mithilfe von Dominique Alderweireld, Besitzer diverser Bordelle nahe der französisch-belgischen Grenze . „Dodo la Saumure“, wie er im Milieu genannt wird, stand bereits in Belgien vor Gericht, in Lille gibt er sich unschuldig:
„Ich sehe da nichts, was mich belasten könnte. Die Mädchen sind unabhängig, die machen, was sie wollen, die sind selbstständig und sind ohne meinen Rat nach Frankreich gefahren.“
Abgehörtes Gespräch brachte Strauss-Kahns ins Visier
Der Mitschnitt eines Telefonats zwischen Alderweireld und Kojfer hatte die Ermittler auf die Spur von Dominique Strauss-Kahn gebracht. In dem abgehörten Gespräch hatte der Belgier die sexuellen Gewohnheiten des damaligen IWF-Chefs angesprochen, als dieser gerade über die Vergewaltigungsvorwürfe einer Hotelangestellten in New York gestürzt war.
Er kenne DSK, wie er in Frankreich genannt wird, gar nicht persönlich, sagt der belgische Bordellbesitzer nun vor dem Gerichtsgebäude in Lille.
„Herr Strauss-Kahn verkehrt nicht mit Leuten meiner sozialen Schicht.“
Die Anwälte des früheren IWF-Chefs sagen, ihr Mandant habe nicht gewusst, dass die Frauen an den fraglichen Abenden gegen Geld tätig geworden seien.
Freunde von Strauss-Kahn, die nun ebenfalls vor Gericht stehen, sollen dem einstigen Hoffnungsträger der französischen Sozialisten, Frauen „organisiert“ haben, von Partys in Washington, New York, Paris ist die Rede.
„Es gibt widersprüchliche Aussagen“
Den Ermittlungsrichtern berichteten betroffene Frauen von „Orgien“ und „Gewaltanwendung“. Die Beschuldigten bestreiten auch das.
„Es gibt widersprüchliche Aussagen“, bestätigt einer der Anwälte der Nebenklage.
„Wir werden sehen, ob aus all dem Straftatbestände abzuleiten sind. Ich hebe hervor: Für alle 14 Beschuldigten gilt die Unschuldsvermutung Gerichtsverfahren können auch mit Freispruch enden!“
Wer schuldig ist und wer nicht, das wird die Justiz entscheiden, sagt auch Gregoir Thery, von der Hilfsorganisation „NID“, die ebenfalls als Nebenkläger antritt – die Opfer, sagt Thery, die kennen wir schon jetzt:
„Sicher ist, dass die Prostitution die Frauen ins Elend gestürzt hat, dass einige von ihnen auf der Straße leben, und dass manche nun Angst haben, in diesem Prozess öffentlich aussagen zu müssen.“
Zuhälterei ist in Frankreich auf zwei Ebenen strafbar: Bestraft wird, wer Zuhälterei nachweislich ermöglicht und wer davon profitiert. Zehn Jahre Haft und bis zu 1,5 Millionen Euro Strafe drohen bei Verurteilung.