Völlige Demontage eines einstigen Weltstars
"Welcome to New York" ist inspiriert von der New Yorker Sex-Affäre um Dominic Strauss-Kahn. Herausgekommen ist ein wirres Kammerspiel, ein seltsames Werk voller Zerstörung. Und Bilder, die Hauptdarsteller Gerard Dépardieu geradezu entlarven.
Der Film zum Fall Dominic Strauss-Kahn! Und das Ausrufezeichen ist wichtig, denn es ist auch das bevorzugte Stilmittel des New Yorker Regisseurs Abel Ferrara, dem für seinen Skandalfilm "Welcome to New York" jedes Klischee recht zu sein scheint, um möglichst viel Aufmerksamkeit in der Presse zu bekommen.
Zum Inhalt: Der Politiker Devereaux (Gérard Depardieu) ist in New York. Er trifft seine Tochter, macht Geschäfte. Doch vor allem erlebt er exzessive Abende: Alkohol, Drogen, Prostituierte in unvorstellbaren Mengen (und Posen). Eine dieser Nächte endet in dem sexuellen Übergriff auf ein Zimmermädchen des Hotels, in dem er untergekommen ist. Später, am Flughafen, wird Devereaux festgenommen - und erst dann beginnt der Film richtig. Eine penibel genaue Beobachtung der Verhaftung und des anschließenden Prozesses. Im zweiten Teil taucht dann Devereaux' Frau auf. Und der Film ändert erneut seine Stimmung und wird zum wirren Kammerspiel voller Vorwürfe und Ausflüchte. Alle Zeichen dieses seltsamen Werks stehen auf Destruktion und Zerstörung.
Hanebüchener Unsinn von ungeahntem Ausmaß
Nichts ist heilig: Nicht die Fakten des realen Strauss-Kahn Falls, nicht die Eskapaden von Gerard Dépardieu - nichts. Alles fließt vor der Kamera zusammen und demontiert sich dann Schritt für Schritt selbst; bis nur noch Trümmer und Fetzen übrig sind. Bei einer derartigen Masse an Irritationen wundert es nicht, dass der Film lediglich unter dem Aspekt "Strauss-Kahn" betrachtet wird. Und so gesehen ist "Welcome to New York" eine Katastrophe. Ein hanebüchener Unsinn von ungeahntem Ausmaß.
Doch das ist nur eine Möglichkeit diesen Film zu sehen. Und natürlich haben die Macher es darauf angelegt. Wie ein Parasit hat sich das Drehbuch an dem Medienskandal von 2011 gehaftet. Doch als Kommentar oder Satire auf die realen Vorkommnisse taugt er nicht. Als wild wucherndes Nachtschattengewächs in der Filmlandschaft schon eher. Schließlich sucht das Kino gern und immer wieder in der Zumutung nach dem Körnchen Wahrheit. Der Exzess auf der Leinwand provoziert nun mal auch einen Subtext, der in diesem ganz speziellen Fall etwas mehr über die seelische Verfasstheit einer Gesellschaft aussagt.
In "4:44 - Last Day on Earth", seinem letzten Film, hat Ferrara gezeigt, wie unterschiedlich sich Menschen im Angesicht des Weltuntergangs verhalten. Die einen stehlen und rauben, andere beten, wieder adere schmeißen sich alle Drogen rein, die sie zu fassen kriegen - und die hübsche Shanyn Leigh malt zweiköpfige Schuppentiere.
Ein wabbeliger Gerard Dépardieu in schier endlosen Sequenzen
"Welcome to New York" sollte man daher vielleicht als Pendant zu "4:44" sehen. Die Welt muss nicht mit einem Knall untergehen, der Mensch arbeitet mit seiner unstillbaren Gier und Sucht schon seit Jahrhunderten selber daran. Davon handelte ja auch Martin Scorseses "Wolf of Wall Street" dessen intelligente Konstruktion natürlich meilenweit von der groben, unsachlichen Herangehensweise von "Welcome to New York" entfernt ist. Dennoch ist in dem Ausmaß an Ekel und Kitsch, auch in den schier endlosen Sequenzen, in denen ein wabbeliger Gerard Dépardieu seinen nackten Unterleib in diverse Prostituierte drückt, eine schmerzhafte Ehrlichkeit versteckt, die nur am Rande den Skandal zu provozieren versucht.
Die völlige Demontage eines einstigen Weltstars, dessen Leib hier inszeniert wird wie ein spätes Lucian Freud Gemälde, ist dann wieder eine ganz andere Geschichte, die dieser völlig faszinierende Film zu erzählen versucht. Das alles ist für sich genommen problematisch und weit von dem entfernt, was wir gemeinhin mit "gelungen" oder "sehenswert" bezeichnen würden. Eine denkwürdige Erfahrung ist "Welcome to New York" - allemal.
USA, Frankreich 2014; Regie: Abel Ferrara; Darsteller: Jacqueline Bisset, Gérard Depardieu, Drena De Niro, Amy Ferguson; Länge: 125 Minuten