Prognosen nach "Marktgefühl"

Warum Sie Finanzanalysten nicht trauen sollten

Eine Illustration zeigt einen Geschäftsmann, der durch eine Art Fernglas in die Zukunft schaut.
Sie versuchen, in die Zukunft "zu sehen". Trotzdem liegen Finanzexperten bei ihren Voraussagen nicht selten falsch. © imago / Neil Leslie
Stefan Leins im Gespräch mit Hans-Joachim Wiese · 13.08.2018
Wie ermitteln Finanzanalysten Zukunftsprognosen, hat sich der Ethnologe Stefan Leins gefragt – er ist auf ziemlich erschreckende Antworten gestoßen. So viel sei vorweg verraten: Selbst der WM-Krake Paul hätte sich wohl als Finanzexperte betätigen können.
Hinterher wussten alle, warum es mit der Wirtschaft abwärts ging: Experten und Analysten gaben die genauesten Erklärungen ab. Vor der Finanzkrise 2008 hatte sich aber kaum einer dieser sogenannten Experten zu Wort gemeldet und vor dem Zusammenbruch gewarnt. Tja, Prognosen sind eben schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen, kann man da nur lakonisch sagen.
Aber wie arbeiten solche Analysten eigentlich? Und taugen ihre Vorhersagen eigentlich etwas? Das hat Stefan Leins sich gefragt. Als Ethnologe beschäftigt er sich mit Finanzanalyse und Finanzanalysten – und hat dabei ganz schön Erstaunliches herausgefunden.

Marktgefühle im Bauch

Um die Zukunft an den Finanzmärkten vorauszusagen, gebe es zwar Rechenmodelle. "Das Problem ist aber, dass diese oft ungenaue Prognosen liefern, weil es sich eben um die Zukunft handelt und diese eben nicht lückenlos berechenbar ist. Und aus diesem Grund arbeiten Analystinnen und Analysten eben oft mit dem, was sie Marktgefühl nennen."
Es sei also ein "großes Maß an Zufälligkeit, was wir da antreffen", sagt Leins. "Das ist nicht nur mein eigenes Forschungsresultat, meine eigene Meinung, das haben empirische Wirtschaftsforschungen seit Jahrzehnten immer wieder gezeigt."
Gefühle anstelle von angeblich so genau berechneten Zukunftsmodellen? – Wenn das stimmt, könnte man sich die Zukunft der Finanzmärkte also, genau wie den Ausgang der Fußball-WM, auch von dem Kraken Paul vorhersagen lassen.

"Experten hinterfragen! Sonst wird es gefährlich"

So mancher Analyst glaubt jedenfalls sogar an Astrologie oder andere obskure Methoden, hat der Ethnologe Stefan Leins herausgefunden. "Das hätte ich im Vorfeld meiner Forschung auch so nicht erwartet. Aber die Limits sind dort wirklich offen, das ist so."
Derartig ermittelte Finanzprognosen lassen für die Zukunft nichts Gutes erwarten. "Wenn diese Expertinnen und Experten nicht hinterfragt werden, dann wird es in der Tat sehr schnell gefährlich", sagt Leins.
(lk)
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