Professionelles Fernweh

Von Grit Krause · 21.11.2011
Als Kind setzte er sich vor den Globus und sehnte sich nach fernen Ländern. 1989 flüchtete der Hornist Markus Rindt aus der DDR, sieben Jahre später gründete er die Dresdner Sinfoniker. Bis heute schaut er über den Tellerrand - und ließ den Soundrack zum Film "Cinema Dschenin" einspielen.
Welcher Musiker träumt nicht von einer eigenen Band? Der Hornist Markus Rindt jedenfalls tat es, lange schon. Und dann saß er – an einem Tag im Jahr 1996 - mit dem Schlagzeuger und Produzenten Sven Helbig in Dresden zusammen und beide spannen diese Idee gemeinsam weiter.

"Aus einem Witz heraus ist es entstanden, dass wir gesagt haben: Ach, lass das doch mit der Band, machen wir gleich ein Orchester. Und diesen Witz habe ich mir abends dann noch mal auf der Zunge zergehen lassen und fand den so schön, dass ich dachte, dass sich das lohnt, das mal anzugehen."

Das war die Geburtsstunde der Dresdner Sinfoniker. Auch jetzt, knapp 15 Jahre später, sprüht der 44-Jährige vor Begeisterung, wenn er über das Orchester spricht. Sein rundes Gesicht, das von graumelierten Locken umrahmt wird, besonders aber die hellen Augen strahlen buchstäblich dabei. Man bekommt ein Gefühl dafür, wie es Markus Rindt damals wie heute gelingt, dass Musiker aus der ganzen Welt sich immer wieder auf neue musikalische Experimente einlassen, wie etwa 2008 auf seine nahezu verrückt klingende Idee eines Ferndirigats.

"Ich bin schon sehr Technik-affin und irgendwie hat mich das gereizt, wie das ist, wenn der Dirigent für ein Stück in einer anderen Stadt steht oder sogar in einem anderen Land."

Letztendlich stand der Dirigent Michael Helmrath in London am Ufer der Themse, wurde mit einer Kamera gefilmt, per Satellit live in den Dresdner Kulturpalast übertragen und schwang dort als Hologramm auf einer transparenten Leinwand den Taktstock für die Sinfoniker.

Für Markus Rindt war bereits als Kind klar, dass er einmal Musiker werden würde. 1967 in Magdeburg geboren, wurde er praktisch am dortigen Theater groß. Der Vater war erster Konzertmeister, die Mutter sang im Chor. Später zog die Familie um nach Dresden, wo der Elfjährige an der Spezialschule für Musik als Hornist aufgenommen wurde.

"Mir gefiel das Horn vom Klang sehr gut, das hatte so einen weichen Klang. Und mein Großvater war Trompeter, und da hatte ich sowieso schon eine Beziehung zum Blechblasinstrument."

Nach seinem Studium hoffte Markus Rindt auf ein Engagement bei der renommierten Sächsischen Staatskapelle in Dresden oder dem Gewandhausorchester in Leipzig, aber sein Lampenfieber, das immer ausgerechnet bei wichtigen Vorspielen auftrat, machte ihm einen Strich durch die Rechnung. Damit zerplatzten auch alle seine Träume von Gastspielreisen rund um den Globus.

"Ich hatte mich als Kind schon ganz oft vor den Globus gesetzt und hatte da dran gedreht und bin da virtuell gereist und dachte natürlich auch in meiner Ausbildung, dass ich später das mal machen kann als Musiker, und als Hornist war mir zu DDR-Zeiten nicht vergönnt."

Er gehörte zu denjenigen, die sich im Herbst 1989 auf das Botschaftsgelände der Bundesrepublik in Prag geflüchtet hatten und im Oktober mit dem Zug nach Westdeutschland ausreisen konnten. Markus Rindt ging nach Köln und verdiente sein Geld als Hornist bei verschiedensten Mucken. Eine davon führte ihn sieben Jahre später schließlich zurück in die alte Heimat nach Dresden.

Heute lebt Markus Rindt zusammen mit seiner Frau, der Violinistin Katrin Kösler, und dem zweijährigen Sohn in Brandenburg an der Havel. Das Horn und damit seine Karriere als Profi-Musiker hat er an den Nagel gehängt, seit er 2008 alleiniger Intendant der Dresdner Sinfoniker wurde. Für deren Projekte ist er inzwischen viel unterwegs. Zum Beispiel reiste Markus Rindt mit dem Gitarristen Mark Sinan 2010 in den Nordosten der Türkei und begab sich auf die Suche nach archaischen Melodien, wie sie dort von jeher gesungen und gespielt werden.

"Man klopft dort irgendwo an und sagt, man kommt aus Deutschland und würde gern ein paar Aufnahmen machen. Irgendwo mitten im Wald haben wir da an Hütten geklopft, wo uns gesagt wurde, dass da ein ganz toller Kemenche-Spieler wohnt, und nach einer halben Stunde waren wir dort integriert und die haben da getanzt und uns bewirtet."

Aus dem gesamten Bild- und Tonmaterial hat Mark Sinan das Stück "Hasretim – Eine anatolische Reise" komponiert, bei der die Videoaufnahmen mit den türkischen Musikern auf Leinwände projiziert werden und quasi als Solisten mit den Dresdner Sinfonikern interagieren. Dieses klangliche Zusammenspiel von Orient und Okzident fasziniert Markus Rindt - auch in der aktuellen Produktion der Sinfoniker, der Sinfonie "Cinema Dschenin" des iranischen Komponisten Kayhan Kalhor.

Es ist der Soundtrack zum gleichnamigen Dokumentarfilm des Regisseurs Markus Vetter, der den Aufbau eines Kinos in der palästinensischen Stadt Dschenin, einst Hochburg der al-Aqsa-Brigaden, erzählt. Und damit steht Markus Rindt bereits die nächste Reise ins Haus. Denn 2012 wollen er und seine Dresdner Sinfoniker "Cinema Dschenin" auf einer Kino-Tournee durch Israel und das Westjordanland live begleiten.

Den Konzertmitschnitt von "Cinema Dschenin", das im Oktober beim TonLagen-Festival im Festspielhaus Hellerau in Dresden uraufgeführt wurde, können Sie am 16. Januar 2012 um 20.03 Uhr im Deutschlandradio Kultur hören.

Dresdner Sinfoniker
Mehr zum Thema