Produzententeam Kitschkrieg

Album mit der Crème de la Crème des Deutschraps

10:48 Minuten
Das Produzententeam Kitschkrieg bekam 2019 den Preis für Popkultur: Christian Yun-Song Meyerholz (links), Christoph Erkes und Nicole Schettler.
Das Produzententeam Kitschkrieg bekam 2019 den Preis für Popkultur: Christian Yun-Song Meyerholz (links), Christoph Erkes und Nicole Schettler. © Imago / photopress müller
Moderation: Martin Böttcher · 12.08.2020
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Wenn das Produzententeam Kitschkrieg einlädt, sind viele Musiker gern dabei. Mehr als 20 Vokalisten performen auf den Sounds des Trios aus Berlin-Kreuzberg. Das Verhältnis von manchen der Rapper zu Gewalt und Frauen wirft allerdings auch Fragen auf.
Das Berliner Produzententeam Kitschkrieg hat eine neue Platte herausgebracht, auf dem es insgesamt elf Lieder präsentiert – und viele prominente Namen. Christian Yun-Song Meyerholz, Christoph Erkes und Nicole Schettler, bekannt unter ihren Künstlernamen Fiji Kris, Fizzle und °Awhodat°, haben sich mehr als zwanzig Menschen ans Mikro geholt, vor allem Deutschrapper von Cro und Kool Savas über Marteria bis Jan Delay, aber auch Henning May von AnnenMayKantereit und Nena.
Fünf Mal allein ist Trettmann dabei, der eng mit Kitschkrieg verbunden ist: Mit dem von den Berlinern produzierten Album "DIY" hat Trettmann Preise gewonnen, und auch sein letztes Album wurde von dem Trio produziert.

Auswahl aus Fanperspektive

"Tretti ist einfach unser Lieblingssänger. Auch wenn man ihn jetzt mit all diesen anderen Künstlern hört, er ist schon etwas ganz Besonderes", sagt Christoph Erkes alias Fizzle. "Seine Stimme, sein Talent, seine Wortwahl und wie er die Texte schreibt – also Trettmann, da können wir uns glücklich schätzen, dass er unser Homie ist", so Erkes weiter.
Kein Wunder also, dass Trettmann auch auf dieser Scheibe dabei ist. Überraschender ist, dass auch Henning May und Nena dabei sind. Bei der Auswahl hätten sie die Fanperspektive eingenommen – Künstler, von denen wir Fans sind, deren Arbeit wir schätzen – berichtet das Trio.
Bei der Neue-Deutsche-Welle-Legende Nena sei es etwas anders gewesen: "Nena hat uns kontaktiert", berichtet Nicole Schettler. Irgendwann sei sie im Studio gewesen. "Der Vibe war direkt schön. Sie hat auch das ganze Kitschkrieg-Universum erfasst, das Visuelle, die Musik. Das war Liebe auf den ersten Blick."

Diskussion um Gewalt

Allerdings wird die Auswahl der Musiker auch kritisiert, weil mit VYBZ KARTEL ein verurteilter Mörder am Mikro dabei ist. Zudem werde einem Rapper Gewalt gegen Frauen vorgeworfen.
Dazu sagt Erkes, diese Kritik an der Künstlerauswahl sei absehbar gewesen, und natürlich habe man sich darüber Gedanken gemacht: "Wir haben uns dazu entschieden, weil die Subkultur, aus der wir kommen – Reggae, Dancehall-Musik, Rap –, ein breites Feld ist. Und da gehören auch so streitbare Charaktere dazu. Wir wollten es komplett zeigen und haben uns deshalb und aus Gründen der Kunst dafür entschieden. Und damit haben wir uns auch entschieden, diese Kritik auszuhalten."
"Ich glaube, Deutschrap hat kein größeres Problem mit Frauenfeindlichkeit als die Gesellschaft insgesamt", sagt Erkes. Rap-Musik sei vielmehr ein Abbild der Gesellschaft. "Das ist kein rap-spezisches Problem."
Meyerholz meint, er habe Schwierigkeiten mit so einem so verallgemeinernden Statement, das er in der Kritik sieht: "Das ist ein Blick, der von außen auf die Szene geworfen wird, der häufig davon geprägt ist, dass es ein Leichtes ist, darauf herabzuschauen, auf so eine Unterschichtenkultur. Aber ich gebe Fizzle Recht. Es gibt in Teilen dieselben Probleme, die es in der gesamten Gesellschaft gibt. Die spiegeln sich in dieser Subkultur wider."

Keine Flucht vor der Debatte

Allerdings lasse sich das Produzententeam Kitschkrieg nicht den Vorwurf gefallen, sich vor der Diskussion zu drücken: "Ich denke, der Vorwurf kommt aus einer Ecke, wo man heutzutage praktisch gefordert ist, auf Twitter innerhalb von kürzester Zeit zu retweeten oder auf so etwas zu reagieren. Ansonsten wird einem unterstellt, das totzuschweigen." Für sie als Kitschkrieg gebe es aber auch das reale Leben und Gespräche mit echten Personen.
"Die Diskussion ist ja sehr vielschichtig, und ich finde, da wird auch einiges unterschlagen in dieser gesamten Diskussion. Das ist nicht in so einem kurzen Twitter-Austausch oder Mini-Interview mal eben zu klären", sagt Erkes. "Das ist ein komplexes Thema, was in der gesamten Gesellschaft vorhanden ist – und da gibt es mehr Facetten als die, die da draußen jetzt rumfliegen im Zusammenhang mit unserer Kunst."
(mfu)
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