Pop-Newcomerin Haiyti

Zwischen Rotlichtmilieu und Kunsthochschule

Die Rapperin Haiyti (Ronja Zschoche)
Die Rapperin Haiyti (Ronja Zschoche) © picture alliance / Daniel Bockwoldt/dpa
Von Christian Lehner · 10.01.2018
Die Feuilletons feiern sie bereits jetzt als die große Pop-Hoffnung für 2018: Die Hamburger Rapperin und Kunststudentin Haiyti zelebriert auf ihrem Debütalbum "Montenegro Zero" mit viel Autotune und Augenzwinkern ihre Liebe zum HipHop.
"Das ist so ein Song, wo es auch um das Versagen geht. Ich glaube, alle Künstler fühlen sich insgeheim gut in der Rolle des Versagers, haben aber auch nichts dagegen, wenn sie in die Charts kommen. Ich weiß gar nicht, warum ich da zwei verschiedene Messages reingeschrieben habe, weil ich beim Texten nicht nachdenke. Mein Instinkt weiß das aber schon."
Haiytis Verse werden nicht nur mit einem Ausrufungszeichen versehen, wie im Rap üblich, sondern auch mit Fragezeichen. Ihr Zweifel klingt dabei wie eine Zumutung: laut und schrill. Nina Hagen gilt in stimmlicher Hinsicht als Referenzpunkt. Die Phrasierungen von Haiytis Sprechgesang erinnern hingegen an die Sprachspiele der Neuen Deutschen Welle.

Von der Sozialwohnung an die Hochschule

Ronja Zschoche, wie Haiyti mit bürgerlichen Namen heißt, ist ungefähr Mitte 20, so genau verrät sie das nicht. Aufgewachsen in einer Sozialwohnung in Hamburg stürzt sich Zschoche als Teenager in das Nachtleben der Reeperbahn und beginnt zu rappen.
Die Hamburgerin bewegt sich ohne große Not zwischen Rotlichtmilieu und Kunsthochschule, wo sie kurz vor ihrer Master-Thesis steht. Alles gutes Futter für ihre Texte.
"Ich guck mir das von außen an, aber eigentlich passe ich nirgendwo rein. Ich komme halt super gut mit verschiedensten Menschen aus. Auf der Uni fragen sie sich auch immer, mit wem hängt die denn ab? Sei es der 'Schönen Klaus' aus der Unterwelt oder Fatih Akin. Wenn ich da eine Party veranstalten würde, wäre das einen Dokumentarfilm wert, was da alles so zusammenprallt."

Zähe Sounds und billige Drums

Wie viele Rapper ihrer Generation fühlt sich auch Haiyti keinem Hip-Hop-Dogma und keiner lokalen Rap-Szene verpflichtet. Der Sound auf ihrem Major-Label-Debüt "Montenegro Zero" kommt vom Berliner Produzenten-Trio KitschKrieg und orientiert sich an den derzeit angesagten Spielarten Cloud-Rap und Trap: Zähe Sounds aus dem Synthesizer treffen auf billig klingende Drums und verfremdende Effekte wie Auto-Tune.
Auf diesem einlullenden Teppich zündet Haiyti ein Feuerwerk aus Raps, sich wiederholenden Signalwörtern und mit der Stimme erzeugten Sounds, die den deutschsprachigen Rap auf ein neues Abstraktionsniveau heben – präzise und messerscharf.
Haiyti definiert ihre Musik als "Gangsta-Pop". Das ist durchaus als Kampfansage zu verstehen. Während die meist männlichen Gangsta-Rapper mit kriminellen Erfahrungen prahlen, schiebt Haiyti eine Ebene dazwischen und spricht im Stück "Mafioso" nicht von sich, sondern von ihrem Onkel als Mafiamitglied.
So demonstriert sie einerseits ihre Liebe zum Genre, entlarvt aber andererseits den gutbürgerlichen Hintergrund vieler deutscher Rapper, die sich gern mit Gewaltfantasien von der Straße schmücken, um authentisch zu wirken.

Debütalbum "Montenegro Zero"

"Ich habe keinen Bock auf diese klassischen Rap-Momente. Ich bediene mich zwar gern bei dem Genre - wenn wir zum Beispiel ein Mafiosi-Video drehen, muss ein Ferrari rein - aber das passiert mit so einem Augenzwinkern."
Nach einer Reihe von Eigenveröffentlichungen liegt mit "Montenegro Zero" nun das offizielle Debütalbum von Haiyti vor. Ob diese sehr gute, aber für den Mainstream auch sehr gewöhnungsbedürftige Platte tatsächlich die Charts erobern wird, wie derzeit von vielen Popexperten prophezeit, wird das Jahr 2018 weisen. Einstweilen träumt die Genre-Rebellin im Tonfall eines Udo Lindenberg den "American Dream", wie das Schlussstück ihres Albums heißt.
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