Präventionsmaßnahmen an der HfM Hanns Eisler

Nein heißt Nein!

Hochschule für Musik "Hanns Eisler" Berlin
Körperkontakt ist bei manchen Übungen durchaus sinnvoll. Doch wie sollen Lehrer und Schüler damit umgehen? © Ernst Fesseler
Von Haino Rindler · 24.01.2018
An Musikhochschulen ist das Verhältnis zwischen Lehrenden und Studierenden oft besonders eng. Wie lassen sich in diesem Umfeld sexuelle Belästigung und Diskriminierung trotz der Nähe ausschließen? Die Hochschule für Musik Hanns Eisler in Berlin geht diese Frage ganz offen an.
"Ich muss wirklich sagen, dass ich froh bin, dass mir das nicht passiert ist, denn ich wüsste gar nicht, wie ich mit dieser Situation umgehen sollte."
Wie dieser Studentin, die anonym bleiben möchte, geht es wahrscheinlich jedem zweiten Studenten an einer x-beliebigen deutschen Universität. Der Rest kennt es, statistisch gesehen, aus eigener Erfahrung: sexuelle Belästigung, Diskriminierung, Stalking bis hin zu sexueller Gewalt im Studium.
Laut einer EU Studie der Ruhr-Universität Bochum haben 50 Prozent aller Studentinnen und Studenten schon einmal sexuelle Belästigung oder Gewalt im Umfeld ihrer Universität erlebt. Doch das Thema ist ein Tabu.
"Hochschulen sind generell ganz hierarchische Einrichtungen. Das spielt eine große Rolle. Und die Personen, die beschuldigt werden, wissen, es ihr komplettes fachliches Renommee geht unter Umständen damit verloren. Und wenn im Kontext von solchen Vorwürfen ein Name genannt wird, ist die Gefahr groß, dass das hängen bleibt, und das spielt eine große Rolle."
Antje Kirnsching ist Frauenbeauftragte der Hochschule für Musik Hanns Eisler in Berlin. In ihrer Amtszeit ging bisher nur eine konkrete Beschwerde wegen sexueller Belästigung ein. Aber die Dunkelziffer ist viel höher.

Verunsichertes Lehrpersonal

"Ich finde, das wird manchmal zu sehr reduziert auf diese Berührung. Eine Studentin hat mir mal erzählt, ihr Hauptfachlehrer wäre gekommen und hätte gesagt: Er fasst jetzt einfach niemanden mehr an – als wäre das die Lösung. Und sie sagt: Das war aber ganz hilfreich, da ging es um ein Blasinstrument. Wenn er ihr das vorher erläutert hat: Und achte jetzt mal! Und er hat ihr dann die Hand an den Rücken gelegt, dass das hilfreich gewesen sei. Und sie hat das im Nachhinein vermisst. Und ich nehme da eine große Verunsicherung bei den Lehrenden war."
Nach dem Gerichtsverfahren gegen den ehemaligen Rektor der Musikhochschule München wird das Thema "Sexualisierte Gewalt" breiter diskutiert. Vor zwei Jahren verfasste die Hochschulrektorenkonferenz einen Leitfaden zum Umgang mit dem Thema, es wurde eine Arbeitsgruppe eingerichtet. Doch: Papier ist geduldig, sagt man. Wie wichtig nehmen die Rektoren das Problem wirklich? Prof. Robert Ehrlich, Rektor an der Hanns-Eisler-Musikhochschule Berlin meint:
"Wir müssen einerseits selbstverständlich unsere Studierenden vor jedweder Art der Gewalt schützen. Gleichwohl müssen wir unsere Lehrenden vor ungerechtfertigten Anschuldigungen schützen. Deshalb muss die Antwort sehr gut überlegt sein."

Beim Gesang kommt es oft zu Berührungen

Körperliche Nähe ist gerade im künstlerischen Bereich unumgänglich. Insbesondere im Fach Gesang, wo mit dem Körper gearbeitet wird, kommt es häufig zu Berührungen. Zwar wird meistens gefragt, ob es ok ist, wenn man mal hier oder dort anfasst, aber oft genug ist das eine rein rhetorische Frage, die Ausführung erfolgt vor der Antwort. Um ein Bewusstsein dafür bei den Lehrenden zu schaffen, braucht es mehr als nur freiwillige Gesprächsangebote.
"… und dann auch auf jeden Fall die Person direkt darauf ansprechen, wobei ich glaube, dass das ziemlich schwierig ist. Also in dem Moment dann direkt nein zu sagen. Es heißt ja: Nein heißt Nein! Aber ich glaube, dass manchmal vielleicht gar nicht nein gesagt wird, denn man ist komplett überfordert, weil das Flirten in diesem Lehrer-Schüler-Verhältnis gar keinen Platz hat."
Sexualisierte Gewalt ist aber weit mehr als nur Körperberührung. Sie kann auch Machtdemonstration auf verbaler Basis sein. Sie kann sich hinter einem Kompliment verstecken, sie kann unbeabsichtigt "im Eifer des Gefechts" passieren. Und das Problem mit der sexualisierten Gewalt liegt auf der Hand: Sie lässt sich nur schwer dingfest machen. In den meist unter vier Augen geführten Unterrichtsstunden an der Hochschule gibt es keine Zeugen. Im künstlerischen Bereich gehen Beruf und Privatleben oft nahtlos ineinander über, wenn nach dem Konzert noch etwas getrunken wird.

Das Thema darf kein Tabu bleiben

Die Verhinderung von sexueller Diskriminierung oder gar Gewalt an Musikhochschulen ist nur möglich, wenn das Thema kein Tabu bleibt. Wünschenswert wäre eine öffentliche und interne Debatte darüber, an der sich Professoren wie Studierende beteiligen.
"Es kann nicht sein, dass die künstlerische Qualität des Unterrichtes darunter leidet, dass eine Lehrpersönlichkeit sich nichts mehr traut. Diese Grenzen, die Frage von Nähe und Distanz zu artikulieren, zu definieren und vor allem, im Vorfeld eine heikle Situation zu thematisieren, ausdrücklich zu erklären, das sehe ich als den Königsweg."
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