Popkomm-Chefin: Branche muss auf Internet-Downloads reagieren

Moderation: Matthias Hanselmann |
Zum Auftakt der Musikmesse Popkomm hat deren Direktorin Katja Bittner angeregt, über neue Vertriebswege in der Musikwirtschaft nachzudenken. Die hohe Zahl der illegalen Downloads zeige, wie hoch der Bedarf nach Musik sei. Darauf müsse die Branche mit entsprechenden Businessmodellen reagieren.
Hanselmann Die Zukunft der Popmusik, wie wird sie aussehen? Von heute bis übermorgen kann man sich in Berlin ein Bild davon machen. Rund 16.000 Musikfans und Musikfachleute aus aller Welt werden die Popkomm besuchen. Mehr als 800 Aussteller sind in den Messehallen am Berliner Funkturm zu Gast. Dazu werden rund 2.000 Künstler in die Stadt kommen und in den 30 Popkomm-Clubs werden über 600 Stunden Live-Musik geboten. Wir sprechen mit der Chefin des Ganzen, Popkomm-Direktorin Katja Bittner. Guten Tag.

Bittner: Guten Tag.

Hanselmann Frau Bittner, wozu braucht die Welt eine Popkomm?

Bittner: In erster Linie braucht vor allen Dingen die Musikbranche eine Popkomm. Denn hier trifft sich die internationale Fachschaft sozusagen, sowohl der Musik, als auch der Entertainment-Industrie. Was den Rest der Welt anbelangt, so ist für jeden Musikfan im Festival was dabei. Und jeder, der darauf steht, neue Musik zu entdecken, sollte auf keinen Fall das Popkomm-Festival verpassen.

Hanselmann Und damit sind wir bei den drei Säulen, sage ich mal, aus denen die Popkomm besteht, nämlich der Ausstellung auf dem Messegelände, dem internationalen Fachkongress und dem Musikfestival in den diversen Clubs. Erklären Sie uns vielleicht diese Dreiteilung ein wenig.

Bittner: Auf der Popkomm findet tagsüber das Geschäft statt. Hier ist der Fachkongress angesiedelt und die Messe selber. Hier trifft sich die Branche, hier werden Lizenzverträge gemacht, hier wird über Bands gesprochen, hier trifft der Manager auf das Label, der Verlag auf den Vertrieb und so weiter. Innerhalb des Kongresses werden heiße Themen der Branche diskutiert, also der digitale Bereich ist wahnsinnig wichtig, Creative Industries wird ein großes Thema sein, der Dialog zwischen Pop und Politik wird hier aufrecht erhalten. Das passiert alles tagsüber und ist nur für den Fachbesucher. Abends finden dann die Konzerte in den Clubs statt und da kann dann auch der Musikfan dazu treffen.

Hanselmann Es ist ja in der Popszene nicht ganz so schlimm wie in der Werbebranche, aber sie sagten eben "Creative Industries", das müssten Sie vielleicht ein bisschen erklären.

Bittner: Im Endeffekt geht es um die Kreativwirtschaft. Das bedeutet der Bereich der nicht produzierenden Industrie im eigentlichen Sinne, sondern hier geht es um Mode, um Design, Architektur, Literatur, Kunst und natürlich ist Musik eines der wesentlichen Bestandteile von Creative Industries. Und die Popkomm ist im Endeffekt eine Plattform, wo wir genau diese Diskussion anheizen wollen. Das heißt, nur um mal kurz auszuholen, in anderen Teilen Europas wird dieses Thema Creative Industries und die Zukunft davon auf höchstem politischen Niveau diskutiert. In Deutschland ist das noch nicht der Fall. Die Popkomm hat sich zur Aufgabe gemacht, das zu ändern. Denn in Zukunft, wenn die produzierenden Industrien immer weiter Richtung Osten abwandern, müssen wir uns hier einfach überlegen, was sind denn die nächsten Leitmärkte, wo ein Entwicklungspotential drin ist, das einfach kulturelles und wirtschaftliches Wachstum erzeugt. Und da sind wir der Überzeugung, werden es in der Zukunft die Creative Industries sein.

Hanselmann Es gab ja großen Wirbel darum, dass die Popkomm nach Berlin umgezogen ist. Es ist jetzt das dritte Mal, dass sie dort stattfindet. Ist sie denn wirklich angekommen in Berlin? Hat sich der Umzug gelohnt?

Bittner: Auf jeden Fall. Wir sehen das ja an wachsenden Zahlen, sowohl in dem Fachbesucher- als auch im Ausstellersegment. Wir werden immer internationaler, wir können auch im diesem Jahr sechs neue Länderstände begrüßen. Berlin ist einfach auch international als Musikstadt bekannt. Die legendäre Clubszene, damit weiß jeder etwas anzufangen. Neue Trends, neue Impulse, vor allen Dingen im musikalischen Bereich sind hier schon geboren worden. Und dementsprechend kommt die Musikbranche sehr, sehr gerne nach Berlin. Darüber hinaus dürfen wir natürlich nicht vergessen, dass wir gerade die Nähe zur Politik hier sehr genießen und auch probieren, die immer näher an die Branche mit rein zu bringen, um hier den Dialog wirklich auch fortzuführen auf der Popkomm.

Hanselmann Dieter Gorny, Erfinder der Popkomm und umtriebiger Medienmanager, der
sagte gestern hier im Radiofeuilleton bei uns, dass Berlin noch keineswegs die Hauptstadt des Pop sei. Wichtige Musikkonzerne seien noch anderswo angesiedelt, wie zum Beispiel die Warner in Hamburg und die EMI in Köln, auch die Hälfte von Sony BMG ist ja wieder nach München gewandert. Woran hapert es noch?

Bittner: Ich denke, da spielen sehr, sehr viele Faktoren eine Rolle. Ich denke aber, dass man den Begriff der Musikhauptstadt nicht unbedingt nur davon abhängig machen kann, welche der Firmen denn nun hier auch anzutreffen sind und hier ansässig sind. Denn wenn man sich mal im Bereich der Independents umschaut, also der kleinen, unabhängigen Tonträger, so haben wir über 150 verschiedene Firmen hier in Berlin ansässig. Und das zeigt sehr wohl, dass hier ganz, ganz viel kreatives Potential gebündelt in Berlin vorzufinden ist. Und dass so große Sender wie MTV hier sind, dass mittlerweile ja auch der Phonoverband hier ansässig ist, als auch der Verband der unabhängigen Tonträger natürlich auch auf Grund der politischen Nähe hier angesiedelt ist, das denke ich sind alles Zeichen und Faktoren dafür, dass man schon Berlin, wenn Herr Dieter Gorny es nicht direkt als Musikhauptstadt betrachtet, aber doch auf jeden Fall auf dem besten Weg dorthin ist.

Hanselmann Frau Bittner, das Internet, die digitalen Medien machen der Musikbranche seit ein paar Jahren schwerstens zu schaffen. Gerade habe ich den Satz gehört, wenn es alles umsonst gibt, dann muss man sich verstärkt Gedanken machen, was man überhaupt noch verkaufen kann. Was heißen soll, soviel Musik wie heute ist noch nie kopiert und downgeloadet worden und Hits entstehen zum Teil schon jenseits der Musikindustrie über das Internet. Wie schlägt sich diese Krise der Musikindustrie nieder auf der diesjährigen Popkomm?

Bittner: In erster Linie merkt man das natürlich auch an unserem Kongress. Da werden viele dieser Themen diskutiert. Der ganze Internetbereich und die technologischen Entwicklungen in dem Bereich sind ja nicht nur eine Katastrophe, sondern die bürgen ja auch viele, viele Chancen. Und genau die gilt es zu entdecken und die gilt es genau in vernünftige Businessmodelle einzubetten. Darüber wird viel diskutiert und es passiert ja auch schon eine ganze Menge. Natürlich ist die illegale Downloadquote immer noch viel zu hoch, wobei man bemerken muss, dass sie zurückgeht. Aber man darf eines nicht vergessen, es zeigt sich natürlich dadurch, wie hoch der Bedarf an Musik ist. Das heißt, die Leute wollen Musik und sie wollen sie immer schneller und immer individueller. Genau darauf muss die Branche reagieren. Und nicht nur die Branche, auch die Politik muss da gut zuhören und entsprechende Rahmenbedingungen schaffen, wo es eben auch möglich ist für die Industrie zu agieren.

Hanselmann Woran werden denn Popmusikproduzenten und Manager dann in Zukunft verdienen können?

Bittner: Die Bandbreite der Einnahmen ist ja da auch relativ groß. Es ist ja mittlerweile nicht mehr nur noch so, ein Tonträger wird verkauft - schwuppdiwupp - und da ist die Einnahme. Sondern der Künstler selber ist ja mittlerweile auch eine Marke. Also alles, was um den Künstler drum herum passiert, Live-Auftritte, Videos, DVDs, Merchandising, all das gehört ja mit dazu. Und besonders im Live-Segment kann man ja noch ein bisschen aufatmen, denn so ein Live-Erlebnis lässt sich ja nun mal noch nicht kopieren.

Hanselmann Also deswegen gehen ja auch immer mehr Bands wieder live auf Tour, weil sich daran auch verdienen lässt. Die Leute kommen hin, wollen Ihre Acts lebendig auf der Bühne sehen. Frau Bittner, sie haben die Führung der Popkomm im unglaublich jungen Alter von 25 Jahren vor drei Jahren übernommen, ohne dass Sie großartige Kenntnisse von der Szene gehabt hätten, und das in einer Branche, sage ich mal, die von Männern dominiert wurde und wird, die alles besser zu wissen glauben. Wie sind Sie bisher damit klar gekommen?

Bittner: Na ja, nach anfänglicher Skepsis, die ja auch irgendwie selbstverständlich ist, funktioniert es mittlerweile ganz gut. Ich denke, dieses Risiko, das ich am Anfang angefangen habe als noch völlig unbeschriebenes Blatt innerhalb der Musikindustrie, weil ich eben nicht aus dem Segment kam, ist man sehr mutig eingegangen, denn was daraus resultiert ist, ist ja, dass jemand an den Start gegangen ist, der noch völlig unverdorben auf alles mal draufguckt. Das heißt, wenn man einfach schon in der Vergangenheit dann viele Sachen ausprobiert hat und dann weiß, ach, es hat eh nie funktioniert, mittlerweile haben sich aber die Zeiten geändert und manche Sachen funktionieren eben doch wieder.

Es gab eben mit mir die Möglichkeit komplett neu anzufangen. Das war am Anfang auch sehr, sehr schwer, muss ich zugeben, viele Leute wollten nicht mit mir reden, oder haben mich müde belächelt - so nach dem Motto, was will die denn jetzt. Aber nachdem die Chance ergriffen wurde und auch erkannt wurde, na ja, meine Güte, sie hat noch keine Ahnung, aber dann können wir sie ja mal ein bisschen mit Informationen füttern, wie wir uns das ganze denn vorstellen, oder was wir denn von einer Popkomm auch benötigen. Und so ist es im Endeffekt auch geworden. Ich habe mittlerweile einen Kopf, der ist riesengroß, bestückt sozusagen mit wahnsinnig vielen Informationen. Aber ich habe auch ein hervorragendes Team, mit dem sich gut arbeiten lässt und wo jeder eben an dem Erfolg der Popkomm seinen kreativen Kopf mit zusteuert.

Hanselmann Katja Bittner, Chefin der Popkomm, die von heute bis übermorgen in Berlin läuft. Wir wünschen Ihnen viel Erfolg. Danke schön!

Bittner: Vielen Dank!
Fahnen mit dem Popkomm-Logo
Fahnen mit dem Popkomm-Logo© Popkomm
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