Podcast „Narcoland“

Ein Lokaljournalist auf der Suche nach dem Meth-Kartell

06:12 Minuten
In einem Crystal-Meth-Labor. Zwei Menschen in Ganzkörperschutzkleidung packen die Droge in Tüten.
Ist hier vielleicht ein Crystal-Meth-Labor? Scheinbar unbedarft geht Reporter Alexander Gutsfeld an seine Recherche. (Symbolbild) © Getty Images / iStock / gorodenkoff
Von Carina Schroeder · 12.02.2022
Audio herunterladen
Für seinen ersten Podcast hat sich der Reporter Alexander Gutsfeld von der "Aachener Zeitung" gleich an ein ziemlich schweres Thema getraut: ein Podcast namens "Narcoland – Das Meth-Kartell im Dreiländereck". Ein mutiges und gelungenes Experiment!
Ich gebe es zu: Ich habe ein paar Klischees im Kopf über Lokaljournalisten. Vor allem, wenn es um die Themen geht, mit denen sie sich beschäftigen: "Als Reporter rede ich mit Kleingärtnern über die rechtlich zugelassene Größte ihrer Hecke – und mit Seniorenstudenten über die Tücken des Onlineunterrichts. Die Menschen, die ich interviewt habe, waren im Grunde liebenswürdig."
Harmlose Menschen mit lösbaren Problemchen. Das macht Alexander Gutsfeld auf den ersten Blick nicht gerade zum Traumkandidaten, um über das Thema des Podcasts zu sprechen: die Ausbreitung von Crystal Meth in Nordrhein-Westfalen. Sein Vorwissen zu der Droge hat er ausgerechnet aus einer berühmten Fernsehserie. "Vor einem halben Jahr kannte ich die Droge vor allem aus meiner Lieblingsserie 'Breaking Bad'. Darin wird ein Chemielehrer zum Meth-Koch", erzählt Gutsfeld.
Auch das Cover des Podcasts "Narcoland", Alexander Gutsfeld mit grünem Hemd und in weißer Unterhose, ist die Nachstellung einer Szene aus „Breaking Bad“. Klar, das zieht mich rein, macht mich neugierig.
Gleichzeitig bin ich skeptisch, befürchte, dass der Lokaljournalist sich mit dem Thema und seinem ersten, ganz eigenem Podcast verhoben hat. Zum Beispiel, wenn er in der ersten Folge einfach nach Holland fährt, um nach einem angeblichen Meth-Labor zu suchen. "Auf einmal steht ein Mann vor mir, kantiges Gesicht, groß wie ein Türsteher. Ich frage ihn nach dem Labor", erzählt er im Podcast. "Der Mann baut sich vor mir auf und ballt die Fäuste. Er kommt mir jetzt noch größer und breiter vor. Ich habe keine Ahnung, was ich tun soll. Also tue ich einfach nichts und warte ab, was als nächstes passiert. Eine Sekunde später werde ich nach hinten geschubst."

Unterwegs statt im Studio

Die Aktion ist gefährlich, muss er sich selbst eingestehen. Vielleicht geht Alexander Gutsfeld manchmal zu unbedarft an die Recherche heran. Auch die Soundqualität der Aufnahmen vor Ort ist nicht immer die beste. Viele Aufnahme werden mit dem Handy gemacht, und ich bin mir nicht sicher, ob der Mann, der ihn schubst, wusste, dass er aufgenommen wird. Schwierig - auch rechtlich.
Trotzdem hat Alexander Gutsfeld etwas, das mich fesselt, und spätestens ab der zweiten Folge weiß ich auch, was. Dort besucht er unter anderem einen ehemaligen Meth-Koch in Prag. "Pavel Gregor ist ein kleiner Mann mit buschigen Augenbrauen. Seine Augen sind trübe. Zum Lesen der Karte benutzt er eine Lupe", beschreibt er den Mann. "Er sieht und hört nur schlecht, seit er 1998 sein Wohnhaus beim Meth-Kochen in die Luft gejagt hat."
Gerade weil er für seine Interviews zu den verschiedensten Orten reist, bekommen wir als Hörer immer jede Menge Geräusche, Atmosphäre mitgeliefert. Die 20- bis 30-minütigen Folgen sind keine reine Produktion aus dem Studio.

Keine Effekthascherei

Außerdem beeindruckt mich, wen er alles vor das Mikrofon kriegt. Zum Beispiel einen ehemaligen Drogenboss. "Joop sitzt breitbeinig neben mir. Er trägt eine schwere Goldkette und Knast-Tattoos", erzählt er von seinem Treffen. "Seine Frau Charlotte sitzt uns gegenüber. Sie hat wasserstoffblonde Haare und trägt schwarze Leggins. Rein Äußerlich erfüllen die beiden schon mal jedes Klischee, das ich von einem ehemaligen Gangsterpaar hab. Joop schaut immer wieder zu seiner Frau, wenn ihm mal ein englisches Wort nicht einfällt." 
Alexander Gutsfeld hat eine tolle Art seine Gesprächspartner und die jeweiligen Situationen mit Worten einzufangen, und obwohl das Thema geradezu nach einer pompösen Aufbereitung schreit, ist der Podcast eben nicht auf Effekthascherei aus.
Er lebt nicht von spannungsvoller Musik oder dramatischen Wendungen, sondern von Alexander Gutsfeld, der ruhig erzählt, was er in sechs Monaten Recherche erlebt und wie bei seiner Recherche vorgeht. "Oft ist recherchieren einfach nur ein anderes Wort für warten", gesteht Gutsfeld freimütig. "Zum Beispiel darauf, dass jemand zurückruft." Ein wenig trockener Humor ist auch immer mit drin.

Authentisch und mutig

Aber er teilt mit uns Hörern auch seine Gedanken, Ängste und Zweifel bei der Recherche. "In NRW wird so gut wie kein Meth konsumiert, sondern Drogen wie Koks, Speed oder auch Heroin", erzählt er. Auch in den letzten Jahren sei der Konsum nicht angestiegen – und das, obwohl seit ein paar Jahren immer mehr Meth über die Grenze komme. "Als ich das erfahren hab, habe ich meine ganze Recherche infrage gestellt. Wenn im Rheinland gar kein Meth konsumiert wird, warum soll ich dann darüber berichten? Wozu über ein Thema reden, dass gar keins ist?"
Was ich zu Beginn als Schwäche vermutet habe, ist also keine, sondern genau das Gegenteil: Gerade, weil Alexander Gutsfeld sich nicht gut auskennt, keine jahrelange investigative Erfahrung hat, kein Podcast-Experte ist, fühlt sich "Narcoland" so authentisch an. Es ist ein mutiges Experiment der "Aachener Zeitung", dem andere Lokalmedien unbedingt folgen sollten. Auch wenn die Rechercheergebnisse nicht unbedingt bahnbrechend sind, müssen sie aber auch nicht. Denn bei diesem Podcast ist eindeutig der Weg das Ziel.

Der Podcast „Narcoland“ auf Spotify und Apple Podcasts.

Mehr zum Thema