Nazi-Kunst in der Pinakothek

Aufklären statt Dämonisieren

10:14 Minuten
Das dreiteilige Bild "Die Vier Elemente" von Adolf Ziegler (1892-1959) zeigt nackte, blonde Frauen
Umstritten: Die „Vier Elemente“ des NS-Künstlers Adolf Ziegler in der Pinakothek der Moderne in München © picture alliance / dpa / Sven Hoppe
04.10.2022
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Ein Bild des NS-Künstlers Adolf Ziegler prominent in der Münchner Pinakothek? Geht gar nicht, findet der Maler Georg Baselitz. Doch wie soll mit Kunst aus dem Nationalsozialismus umgegangen werden?
Ein großformatiges Bild des Nazi-Künstlers Adolf Ziegler gehöre abgehängt, kritisiert der Maler Georg Baselitz, dessen Bilder ebenfalls in der Münchner Pinakothek ausgestellt werden. Es könne nicht in unmittelbarer Nähe von Künstlern, die von den Nazis verfolgt wurden, wie etwa Otto Freundlich, hängen.
Das Gemälde zeigt blonde, nackte Frauen als Nazi-Schönheitsideal. In der Tat präsentiere das Bild rassistische und nationalsozialistische Körpernormen, sagt Oliver Kase. Er ist Kurator und Sammlungsdirektor der Pinakothek der Moderne.
Das Prinzip der Ausstellung sei, Kunstwerke aus unterschiedlichen Epochen mit verschiedenen Themen dialogisch gegenüberzustellen. Das Ziegler-Werk sei Teil eines Saales, der sich mit der Frage von Norm und Kritik in der Gesellschaft beschäftige.

Mir war sehr wichtig, in dieser nicht-chronologischen Ausstellung keinen Bogen um das Thema der Kunst im Nationalsozialismus zu machen.

Kurator Oliver Kase

Künstler kooperieren auch mit Terrorregimen

Es gehe nicht darum, NS-Kunst zu etablieren oder auf einen Sockel zu heben. Das Bild verdeutliche, dass sich Künstler nicht immer nur „mit den hehren Idealen der Freiheit und Toleranz beschäftigt haben", sondern sich auch in den Dienst von terroristischen, nazistischen Systemen gestellt hätten.

Aufklärungsauftrag statt Nazipropaganda: Pinakothek widerspricht Baselitz-Kritik

04.10.2022
09:35 Minuten
Podcast: Fazit
Podcast: Fazit
In der Ausstellung werde gerade dieses Bild umfangreich kommentiert. Ein Link führe zu ausführlichen Texten, auch Podiumsdiskussionen und Vorträge zum Thema könne man sich anhören.
Der Kurator an der Pinakothek der Moderne in München, Oliver Kase, steht vor einem Betondach mit Säulen.
Gerade in Kunstmuseen könne man sich "sachlich und rational" mit der NS-Kunst auseinandersetzen, sagt Sammlungsleiter Oliver Kase.© imago-images / HRSchulz
Wichtig sei, diese Bilder nicht „zu dämonisieren, als Unkunst zu bezeichnen oder die ganze Diskussion den historischen Museen überlassen“, sagt Kase.

Tabuisierung beenden

Auch Christian Fuhrmeister, Experte für geraubte Kunst, findet es wichtig, NS-Kunst zu zeigen. Die Kunstgeschichte als Disziplin habe in den vergangenen 200 Jahren vor allem auf ästhetische, und nicht auf ideologische, Aspekte geachtet, betont er. Sie sei meist darauf beschränkt gewesen, Kunstwerke in ihren Formen zu beschreiben – selten sei dies in einer kritischen Absicht geschehen.
"Das ist für mich der Hebel, mit dem wir die Phase des Versteckens, des Tabuisierens und Ausgrenzens beenden", sagt Fuhrmeister. Es gebe keinen Grund wie noch im vergangenen Jahrhundert zu sagen: "Wir dürfen das nicht sehen, das ist gefährlich." Das sei Unsinn. Es sei notwendig, NS-Kunst kritisch zu präsentieren, man könne "nicht so tun, als hätte es das nicht gegeben".

Sachliche Auseinandersetzung mit Originalen

Gerade im Interesse der Generation der “Nachgeborenen“, die die Zeit des Nationalsozialismus nicht erlebt hätten, müsse man sich sachlich und rational mit den Originalen der NS-Kunst auseinandersetzen, sagt auch Kase. Dafür gebe es keinen besseren Ort als ein Kunstmuseum.

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Baselitz‘ Kritik ermögliche es nun, die Diskussion um Nazi-Kunst neu zu führen und nochmals zu öffnen, so Kase. Zugleich betont er: „Als öffentliches Museum werden wir uns in der Präsentation der Kunstwerke und den Kontext, in den wir diese stellen, nicht abhängig machen von künstlerischen Positionen.“

Das umstrittene Bild findet sich in der Ausstellung "Mix & Match. Die Sammlung neu entdecken" in der Pinakothek der Moderne.

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