Oskars Wahl

Von Franziska Rattei |
In Deutschlands Haushalten leben über 13 Millionen Hunde und Katzen. Früher bekamen sie zu fressen, was übrig blieb. Heute kaufen die meisten Tierhalter Futter aus dem Supermarkt. Und das wird wissenschaftlich ausgewählt.
Rebekka Tibbe steht in einem hell gefliesten Raum. Vor ihr, auf einem Küchenblock aus Edelstahl, reihen sich hunderte Plastikschälchen mit Katzenfutter aneinander. Es riecht nach Dosenfleisch. Im sogenannten Petcenter in Verden nahe Bremen bereitet sie täglich Futter für 220 Katzen vor. Mit einer Gabel leert sie die pastetenähnliche Fleischmasse aus Aluschälchen in Plastikfutternäpfe.

"Das ist irgendein festes Produkt. Aber mehr kann ich gar nicht sagen."

Rebekka Tibbe wiegt die Plastikschälchen mit einer Digitalwaage ab; grammgenau. Was genau sie da verteilt, ist streng geheim. Die Aluschälchen sind nur mit Ziffernfolgen und Buchstaben beschriftet. Keine Etiketten.

"Damit wir keinen Einfluss nehmen können. Deshalb, im Endeffekt, weiß ich gar nicht, was jetzt getestet wird."

Die Katzen im Petcenter haben eigentlich nur eine Aufgabe: fressen. Rechts und links vom Korridor liegen die Katzenräume. Die Tiere hören die ratternden Futterwagen und beginnen, hinter ihren Glasscheiben zu miauen und auf die zum Gang gelegenen Fensterbänke zu hüpfen. Churchill, ein grauer Kater mit hellen Augen, drückt sich an einer Scheibe die Nase platt.

"Geht gleich los"
Churchill lebt mit neun weiteren Katzen in einer Gruppe; in einer Ecke ihres hellen, sauberen Zimmers steht ein Kratzbaum, in einer anderen ein Katzenklo. Leise dudelt das Radio. Auf einem Fensterbrett mit Blick nach draußen liegen mehrere Katzen in Ruhekörbchen. Draußen, auf einem gesicherten Balkon, steht ein Spielhäuschen. Die Katzen können jederzeit an die frische Luft. Das Wichtigste in jedem Katzenraum sind aber die Futterklappen, die zum Gang zeigen.

"Die wissen jetzt schon ganz genau: Geht gleich los. Richtig viel Gewusel im Raum."

Petra Hellweg, eine wissenschaftliche Mitarbeiterin im Petcenter Verden, steht vor Churchills Katzenraum und beobachtet, wie er sich in Position bringt.

"Die Mitarbeiter müssen sich jetzt sehr konzentrieren, dass sie die richtigen Näpfe in die richtige Seite tun."

220 Din-A-4 große Plastik-Klappen öffnen sich, vor jeder stehen zwei Schälchen. Die Katzen schnuppern. Kater Churchill entscheidet sich ziemlich schnell für das linke Schälchen: eine "Futter-Neuentwicklung", wie Petra Hellweg sagt. Der Rest ist Betriebsgeheimnis. Wie viel Futter Churchill aus welchen Schälchen frisst, wird noch beim Fressen abgewogen. Unter den Näpfen befinden sich kleine Digitalwagen. Die Daten werden später statistisch ausgewertet.

"Diese Tests sagen uns dann, ist da ein signifikanter Unterschied zwischen dem Produkt vor der Rezepturänderung oder ist da keiner. Nur wenn die Produkte besser abschneiden, kommen sie so auch auf den Markt. Unsere Tiere haben einen großen Einfluss darauf, was hinterher tatsächlich im Supermarktregal landet."

Katzen achten nur auf den Geschmack
In Deutschland finden sich im sogenannten Super-Premium-Segment vor allem pastetenähnliche Produkte. Sie kosten bis zu 80 Cent pro Portion. In Frankreich verkauft sich Katzenfutter mit Gemüsestückchen besser, in England sollten große Fleischbrocken sichtbar sein. Das sind kulturelle Unterschiede, die die Tierbesitzer machen. Die Katzen achten allein auf den Geschmack.

"Ideal ist die Kombination: Es schmeckt, es gefällt dem Besitzer - weil, wenn der's nicht kauft, nutzt es auch nichts, wenn es schmeckt. Und es muss gesund sein."

Acht Milliarden Euro geben die Europäer für Hunde- und Katzenfutter aus - daran hat auch die Krise nichts geändert. Im Gegenteil: Die Zahl der Haustiere steigt und damit auch die Zahl der Futterkäufer. Mehr als 200.000 Tonnen Futter pro Jahr produziert das Unternehmen, für das Petra Hellweg arbeitet. Da lohnen sich die tierischen Futtertester allemal. Sie blickt vom Katzenbereich im ersten Stock hinunter ins Erdgeschoss. Hier wohnen 90 Hunde.

Im Raum für die Futtervorbereitung hängen ihre Visitenkarten an einer Pinnwand: Name, Rasse, Geschlecht, Alter, Gewicht. Danach richtet sich Nicole Freitag, eine Hundepflegerin, wenn sie das Futter für die Tiere abwiegt. Heute im Test: Trockenfutter.

Nicole Freitag bringt den Futtertestern jeweils zwei Näpfe in die Zwinger. Petra Hellweg begleitet sie. Oskar, der an einen schwarzen Teddybären erinnert, will erst einmal spielen. Nachdem er auf das "Sitz" der Pflegerin gehört hat, beschnuppert er beide Futterportionen.

"Und dann entscheidet er sich für ein Futter. Und der Napf, aus dem nicht gefressen wird, der wird dann ganz vorsichtig entfernt."

Frech wie Oskar
Oskar wählt den Napf mit braunen und grünen Futterbröckchen und frisst ihn schnell leer. Nicole Freitag kümmert sich derweil um ein Bächlein, das er hinterlassen hat. Auch das gehört zu ihrer Arbeit. Anschließend macht sie sich mit Oskar auf den Weg zum Hundespielplatz. Dort erzieht und trainiert sie ihn täglich, damit er vom Testfressen nicht dick wird.

"Und er hat seinen Namen auch nicht unverdient, ne? Oskar? Frech wie Oskar?"

Nach drei Jahren verlässt Oskar - wie auch die anderen Tiere - seinen Arbeitsplatz als Futtertester, um bei einer Familie zu leben. Die wird einen gut erzogenen Hund bekommen, aber auch einen verwöhnten. Drei Jahre Futtertests hinterlassen Spuren auf dem Gaumen.
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