NS-Raubkunst

Von der Wut eines Erben auf die Gurlitt-Taskforce

Taskforce-Chefin Ingeborg Berggreen-Merkel vergleicht am 04.12.2014 in Berlin in den Räumen des Taskforce-Büros Kopien der Varianten des Bildes "Reiter am Strand" des Malers Max Liebermann
Taskforce-Chefin Ingeborg Berggreen-Merkel mit Kopien von Varianten des Liebermann-Bildes "Reiter am Strand" © picture alliance / dpa / Britta Pedersen
Von Georg Schwarte · 24.06.2015
Als die Augsburger Staatsanwaltschaft 2012 Bilder aus dem Gurlitt-Fund präsentierte, ist darunter auch ein von den Nationalsozialisten geraubtes Liebermann-Bild. Es gehörte der Familie des 90-jährigen David Toren. Bis zur Rückgabe war es ein harter Kampf. Das Gemälde wird nun bei Sotheby's in London in London verkauft.
"Mein Name ist David Toren. Ich hatte einen Großonkel, der eine Villa in Breslau besaß. Auf der Ahornallee 27."
So könnten Bücher beginnen. "Ich hatte einen Großonkel." Aber dieser David Toren, er hat noch viel mehr. Eine sehr traurige, sehr lange Geschichte. Die Geschichte unter anderem eines Bildes:
"Das Bild hing in einem kleinen Zimmer in der Villa meines Onkels. Ein Vorzimmer zu einem Wintergarten."
Zum letzten Mal hatte Toren das Bild 1938 gesehen
Und das Bild vom Maler Max Liebermann, "Zwei Reiter am Strand" aus dem Jahr 1901, das letzte, was David Toren von seiner Familie geblieben ist:
"Als ich dort das letzte Mal war und das Bild sah, das war der Tag der sogenannten Kristallnacht."
November 1938. Sein Großonkel David Friedmann, wie auch er ein Jude. Die Nazis plünderten später die Villa des Kunstfreundes. Die Eltern von David Toren, vergast in Auschwitz. Die letzten Briefe von ihnen, zugleich die letzte Erinnerung, die er besaß, untergangen mit dem Büro von David Toren im World Trade Center am 11. September. "Meinen zweiten Holocaust", nennt er das. Der erste nahm ihm Familie und Besitz. Bis dann das Jahr 2012 kam. In Augsburg präsentiert da ein deutscher Staatsanwalt den überraschenden Bilderfund beim Kunsthändlersohn Cornelius Gurlitt:
"Während der Pressekonferenz zeigte der Staatsanwalt vier oder fünf der Bilder, die er beschlagnahmt hatte. Und eins davon waren 'Die zwei Reiter am Strand'."
Klage gegen die Bundesregierung
Das Bild seines Großonkels, er, der Erbe, der jahrelang danach gesucht hatte. Jetzt hatte er es gefunden und doch passierte zwei weitere Jahre nichts: Die Gurlitt-Taskforce der Regierung prüfte und prüfte. 89-jährig, fast blind und voller Wut, schrieb David Toren damals der Taskforce-Leiterin Ingeborg Bergreen-Merkel eines Brief.
"Wenn Sie so weitermachen in diesem Tempo, habe ich ihr mathematisch bewiesen, dass es 82 Jahre dauern wird, bis alle Bilder, die möglichweise Raubgut waren, untersucht worden sind."
David Toren, der Patentanwalt, der jetzt in New York lebt, wollte nicht nur das Gemälde seines Onkels, sondern er wollte Gerechtigkeit für seine Familie. Er verklagte die Bundesregierung, und der Taskforce-Leiterin schrieb er damals, als er las, dass sie von einer Ausstellung der Gurlitt-Bilder träume, erbost unter anderem diesen düsteren Vorschlag:
"Wie wär's, wenn die Bilder alle nach Dachau kommen, wo die Gaskammern mit diesen Bildern ausgekleidet werden können. Das wäre doch wunderbar. Das wäre eine Touristenattraktion. Ich bekam eine Antwort von Frau Bergreen. Ganz freundlich, dass meine Vorschläge gar nicht so schlecht seien."
"Wir suchen weiter"
Wo andere weinen würden, zuckt der Mann, der mit den letzten Kindertransporten nach Schweden damals die Nazis überlebte, nur mit den Schultern. Das Bild übrigens, ein Bild von vielen nur, die seinem Großonkel geraubt wurden, es kam schließlich doch zurück an die Familie. Vier Erben gibt es. Die Lösung:
"Was macht man mit einem Bild und vier Erben. Da gibt's keine andere Möglichkeit, als es zu verkaufen."
Heute Abend steht es bei Sotheby's in London zum Verkauf. Schätzpreis bis zu 750.000 Euro. Was mit dem Geld passiert? David Toren lacht da sein stilles Lachen:
"Milch und Butter kaufen."
Dass er damit auch die weitere Suche nach dem Erbe seiner Familie finanzieren will, sagt er nicht. Ein weiteres Liebermann-Bild seines Onkels wurde offenbar von einem Berliner Kunsthaus nach Israel verkauft:
"Wir suchen weiter."
Der Mann ist 90, fast blind, und seine Familie wurde ausgelöscht. Seine Wille aber ist bis heute ungebrochen.
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