Nobelpreisträger

Stefan Hell: "Einfache Fragen sind gute Fragen"

35:31 Minuten
Stefan Hell steht im Smoking hinter einem Mikrofon und hebt sein Sektglas in die Höhe.
Stefan Hell beim Bankett anlässlich der Verleihung des Nobelpreises 2014. © AFP / Jonathan Nackstrand
Moderation: Katrin Heise · 16.02.2024
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Wie arbeiten die kleinsten Moleküle im menschlichen Körper zusammen? Der Physiker Stefan Hell hat in der Mikroskopie bahnbrechende Entdeckungen gemacht – und bekam dafür den Nobelpreis. Ein weiter Weg für den in Rumänien geborenen Wissenschaftler.  
Das klassische Problem von Physikern: Wie erkläre ich Laien meine Forschung? Stefan Hells Philosophie: „Einfache Fragen sind gute Fragen.“ Der Direktor des Max-Planck-Instituts für multidisziplinäre Naturwissenschaften in Göttingen kann seine Forschung wunderbar erklären, denn er liebt und lebt sie. Frei nach seinem Motto: „Man muss das finden, wofür man brennt.“

Grenzen der Mikroskopie knacken

Hell brennt für die Mikroskopie und für die Frage, wie man die kleinsten Moleküle des Körpers nicht nur sichtbar machen kann, sondern, wie man ihnen bei der Zusammenarbeit zuschauen kann. Seine Forschung revolutionierte das Fach. Bis dahin galt das Potenzial von Lichtmikroskopen als ausgeschöpft. „Der Stand in jedem Lehrbuch war: Lichtmikroskopie, Grenze – zack.“ Nicht für Stefan Hell: „Ich habe überlegt, wie man diese Grenze knacken kann.“
Er knackt sie, gegen viele Widerstände und Zweifel. Lange gilt er als wissenschaftlicher Außenseiter, er bewirbt sich bei 30 Universitäten – bekommt 30 Absagen. Und lässt sich doch nicht von seinem Vorhaben abbringen. Letztlich gelingt es ihm, ein mikroskopisches Verfahren zu entwickeln, das 200 Mal besser ist, als man je für möglich gehalten hat.
Sein STED-Verfahren dient auch der Medizin: „Jede Krankheit spiegelt sich in einer Zelle wider. Und wenn ich verstehe, wie zum Beispiel Biomoleküle interagieren, welche Prozesse da ablaufen, dann habe ich ein besseres Gefühl, was man machen muss, um diese Prozesse der Krankheit zu unterbinden.“
Für diese bahnbrechende Forschung erhielt Stefan Hell gemeinsam mit anderen Wissenschaftlern 2014 den Nobelpreis für Chemie.

Von Rumänien nach Deutschland

Stefan Hell wurde 1962 in Rumänien geboren, seine Familie gehört der deutschsprachigen Minderheit im Banat an. Die Mutter ist Grundschullehrerin, der Vater Ingenieur, zu Hause wurde Deutsch gesprochen. Auch in der Schule wurde auf Deutsch unterrichtet, Rumänisch lernt Hell erst ab der 2. Klasse. Eine seiner Mitschülerinnen ist die spätere Schriftstellerin und Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller.
Die Unterdrückung, die Müller unter dem diktatorischen Regime Ceausescus beschreibt, erleben auch er und seine Familie. „Wir fühlten uns nicht als Rumänen, wir fühlten und als Fremdkörper“, sagt Hell heute.
1978 kann die Familie nach Deutschland ausreisen. Er lernt früh: „Wenn man was kann, schlägt man sich im Leben besser durch.“ In Ludwigshafen erreicht es die Mutter, dass er auf dem Gymnasium aufgenommen wird.
Die skeptische Frage „Kann er auch Deutsch?“, beantwortet Hell mit einem Aufsatz über Bertolt Brecht. Der Lehrer ist hörbar enttäuscht von der Leistung der Klasse, der Notenschnitt sei allenfalls drei oder vier. „Der einzige Aufsatz, der wirklich gut ist, ist der von dem Hell dahinten.“

„Von dir kann man Großes erwarten“

Der Erfolg motiviert, auch die Ermunterung seines Physiklehrers: „Von dir kann man Großes erwarten.“ Hell studiert Physik an der Universität Heidelberg, ist aber maßlos enttäuscht von dem Niveau: „Der Unterricht war unterirdisch.“ Seine Schlussfolgerung: „Ich muss es mir selbst erarbeiten, von denen kriege ich nichts beigebracht.“
Diese Hartnäckigkeit und der Mut, Grenzen zu knacken, bringen ihn schließlich bis an das MPI in Göttingen.
Nach dem Nobelpreis bekommt Hell im Dezember nun auch den Werner-von-Siemens Ring verliehen.
(sus)

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