Solidaritätsaktion für Caryl Churchill

Kämpfen für die Kunstfreiheit

09:19 Minuten
Die britische Autorin Caryl Churchill steht mit einem Getränk in der Hand vor anderen Personen
Im April 2022 wurde Caryl Churchill für ihr Gesamtwerk der europäischen Dramatikerpreis zugesprochen, dotiert mit 75.000 Euro. Anfang November revidierte die Jury ihre Entscheidung © Getty Images / David M. Benett
Noam Brusilovsky · 10.11.2022
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Caryl Churchill sollte mit dem europäischen Dramatikerpreis ausgezeichnet werden, dann gab es Kritik: Ein Theaterstück sei antisemitisch. Das sieht der israelische Regisseur Noam Brusilovsky anders und setzt sich nicht nur für die Britin ein.
Der israelische Theatermacher Noam Brusilovsky unterstützt die britische Autorin Caryl Churchill mit einer Video-Lesung ihres umstrittenen Stücks "Seven Jewish Children". Nachdem Churchill der europäische Dramatikerpreis wegen Antisemitismus-Vorwürfen aberkannt wurde, will Brusilovsky auf dieser Weise gegen die Jury-Entscheidung protestieren.
Das Theaterstück nimmt Bezug auf ein Bombardement der israelischen Armee im Jahr 2009. Mit großer Sensibilität schreibe Churchill über die 300 getöteten palästinensischen Kinder, die bei dem Angriff ums Leben kamen. „Es ist sehr emotional geschrieben", sagt er. "Da habe ich keine antisemitischen Aussagen gefunden – und das hat mich dann gewundert."

Israelkritik wir sanktioniert

Seit vielen Jahren lebt Brusilovsky in Berlin. Er habe immer wieder festgestellt, dass in Deutschland Menschen, die sich „ehrlich mit der Besatzungspolitik Israels“ auseinandersetzten stark sanktioniert würden, dass ihre Arbeiten diskreditiert würden.

„Wir haben sogar als jüdische und israelische Theatermacher hier Angst, dass unsere Freiheit, Sachen auszudrücken, eng wird – und dass wir keinen Ausweg mehr haben aus dieser Diskussion.“

Noam Brusilovsky

Kunst muss sich einmischen dürfen

Dass sich die britische Autorin Churchill zu einem innerisraelischen Konflikt in ihrem Werk äußere, sei in Ordnung. Im Ukraine-Konflikt habe er ja auch alle Möglichkeiten und das Recht sich als Künstler äußern zu dürfen.
„Wenn wir anfangen zu sagen, der eine oder die andere Künstlerin darf sich nicht zu dem einen oder dem anderen Thema äußern, dann haben wir ein sehr großes Problem, was unsere künstlerische Freiheit angeht.“

Antisemitismus-Begriff wird missbraucht

Deutschland habe ein großes Antisemitismus- und Rassismus-Problem, sagt Brusilovsky. Das richte sich nicht nur gegen Juden.
Viele antisemitische Diskurse versuchten, andere rassistischer Diskurse zu verstecken. Er habe schon lange das Gefühl, dass der Antisemitismus-Begriff sehr stark manipuliert und missbraucht werde, so der Theatermacher.
Ein Beispiel sei der documenta-Streit: Dieser sei missbraucht worden, um einen anderen Diskurs „über die kolonialen Verbrechen Europas“ zu verstecken.
Wenn die Menschen in Deutschland eine pluralistische Gesellschaft sein wollten, dann müssten sie sich bemühen, auch Menschen mit ihren diversen Geschichten zuzuhören.
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