Documenta zu Ende und dann?

Die Debatte muss weitergeführt werden

10:25 Minuten
In Kassel hängt ein Documenta-Plakat an einer Litfaßsäule und ein Documenta-Banner an einem Haus.
Noch ist die Kasseler Innenstadt mit Documenta-Plakaten geschmückt, bald ist die 15. Weltkunstausstellung Geschichte. © Imago / Fotostand / Lammerschmidt
Meron Mendel im Gespräch mit Vladimir Balzer · 21.09.2022
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Die Documenta 15 neigt sich dem Ende zu. Meron Mendel von der Bildungsstätte Anne Frank glaubt, dass manche Diskussion überdauern wird, etwa die über Antisemitismus in der Kunst. Aber es gab auch Erkenntnisse, die in Kassel gewonnen wurden.
Die Documenta 15 hatte sich viel vorgenommen. Vielleicht sogar zu viel. Sie wollte dem globalen Süden eine Stimme geben, den westlichen Kunstbetrieb hinterfragen und eine neue, kollektive Form der Zusammenarbeit etablieren. Geblieben sind vor allen Dingen die Antisemitismus-Vorwürfe, die von einigen Kunstwerken ausgelöst wurden.
Das Thema Antisemitismus in der Kunst wird uns auch in Zukunft beschäftigen, meint Meron Mendel, Direktor der Bildungsstätte Anne Frank. Es werde die nächste Weltkunstausstellung kommen oder das nächste internationale Kulturfestival und dann würden sich die gleichen Fragen wieder stellen. Was ist schon antisemitisch, was legitime Kritik an Israel? Wie verhalten sich Zensur und Kunstfreiheit zueinander? "Ich denke, es bleibt uns nichts übrig, als diese Debatte weiterzuführen", sagt Mendel.

Es gab strukturelle Probleme

Mitnehmen könne man aus der Diskussion, dass kollektive Verantwortung bei einer Kunstausstellung dieser Größe und Ausstrahlung nicht unbedingt die beste Lösung ist. "Das ist ein strukturelles Problem, das nicht unbedingt mit Kunstfreiheit zu tun hat, sondern mit Verantwortung und mit Qualitätssicherung", sagt Mendel. Und es sei immer schwierig, Bilder aus einer laufenden Ausstellung zu entfernen. "Das wurde als Eingriff in die Kunstfreiheit interpretiert".
Gezeigt habe sich auch, dass es bei vielen Fragen im globalen Süden andere Perspektiven als im Westen gebe, auch in Bezug auf Israel. "Ist der Staat Israel ein koloniales Projekt? Ist es der Staat von den Opfern des Holocaust? Das sind wichtige Fragen und diese Perspektiven haben ihren Platz", sagt Mendel.
Klar sei auch geworden, dass die antisemitischen Vorurteile nicht im globalen Süden entstanden seien. Die Bilder, die Juden mit großen Nasen und blutunterlaufenen Augen zeigen, werden seit dem Mittelalter in Europa benutzt. "Das war ein europäischer Export in die ehemaligen Kolonien".

Insgesamt gelungen

Gerade wegen der Diskussionen, die sie ausgelöst hat, hält Mendel die Weltkunstausstellung in ihrer 15. Ausgabe für gelungen: "Die Documenta 15 ist eine sehr gelungene Documenta in ihrer künstlerischen Vielfalt. Es gibt viel zu erleben. Und über die kleine Zahl von problematischen Werken lohnt es sich, zu debattieren. Aber man sollte auf keinen Fall eine so einzigartige Kunstausstellung boykottieren."
(beb)

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