Niki de Saint Phalle - "The Big Shots"

Einblicke in ein kämpferisches Werk

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Eine Besucherin betrachtet am 25.04.2016 im Rahmen der Ausstellung "Niki de Saint Phalle - The Big Shots" im Sprengel Museum in Hannover verschiedene Kunstwerke. © picture alliance / dpa / Hauke-Christian Dittrich
Von Anette Schneider · 26.04.2016
Obwohl das Sprengel Museum in Hannover nach seinem Erweiterungsbau erst im Juni wieder eröffnet, darf Niki de Saint Phalle schon jetzt an prominenter Stelle für den Auftakt zur Wiedereröffnung sorgen. In der Glashalle eröffnet morgen die Ausstellung "The Big Shots".
"Es stehen viele Kämpfe, Abgründe und so ein schöner schwarzer Humor immer bei Niki mit dahinter."
All dies breitet Kuratorin Carina Plath genussvoll aus: Mit düsteren, sarkastischen und ironischen Arbeiten, die vor allem in den 60er-Jahren entstanden.
1961 etwa hämmert die 31-jährige Niki de Saint Phalle ein Männerhemd auf eine Holzplatte, klebt darüber eine Dartscheibe als Kopf und nennt das ganze "Portrait of my Lover".
Gleichzeitig entstehen sogenannte Schießbilder. Die ersten wirken noch relativ harmlos: Da hängt zum Beispiel ein alter Goldrahmen mit zugegipster Bildfläche. Darauf: zerlaufene, bunte Ölfarbe.
"Die Schießbilder waren zuerst wirklich alte Bilder, die mit Gips weiß gemacht wurden, und wo sie Farbbeutel mit eingegipst hat und Gegenstände. Am Anfang gab es auch Eier und alle möglichen Flüssigkeiten, die mit da drin waren - und dann wurde darauf geschossen."
Was die Künstlerin in den folgenden Jahren daraus entwickelte, ist umschmeißend: Schon bald gestaltet sie aufwändige Reliefs, die großen, kritischen Gesellschaftstableaus gleichen.
Ein sechs Meter breiter Altar etwa wird zur sarkastischen Abrechnung mit der Kirche: Auf den Außentafeln geifern zwei menschengroße, aus Gips geformte Monster, zwischen denen Schlangen und Kröten herumkriechen. Durch Schüsse wurde das angsteinflößende Höllengetier zum Teil zerfetzt und mit schwarzer Farbe überzogen.
"Diese Bilder sind natürlich wirklich neue Bildgestalten, die sie damit schafft. Die haben diese Destruktion da drinnen, man kann die Beutel teilweise sehen, aus denen die Farbe gelaufen ist. Und bilden dadurch neue Farbelemente, haben immer so in sich Zerstörung und Geburt oder Hervorbringen vereint."
1962 entsteht "Der Tod des Patriarchen". Auf einer über 2,50 Meter hohen schwarzen Holzplatte formt die junge Künstlerin aus Gips, zerbrochenen Babypuppen, kleinen Monster- und Drachenfiguren, Pistolen, Patronen und Kriegsflugzeugen eine kraftprotzende Männerfigur mit winzigem Kopf. Eine sarkastische Abrechnung mit der Zeit, in der sie lebt: mit Algerienkrieg, Vietnamkrieg, Atombombenversuchen und Kaltem Krieg.
"Das hat sie sehr interessiert. Und das ist eigentlich auch immer ein Aspekt, der ein bisschen unterrepräsentiert ist. Es ist jetzt nicht so tagespolitisch. Aber es ist schon immer ein politisches Statement zu Gewalt und Politik, und zu dieser Zerstörung, die sie damit anprangert."
Macht kaputt, was euch kaputtmacht - diese Leidenschaft teilt sie mit Jean Tinguely, den sie 1952 in Paris kennenlernt und später heiratet. Beide haben eine höllische Freude daran, auf alles Verlogene, Überflüssige und Falsche zu schießen oder es explodieren zu lassen.

Kunst als Rettung

Für Niki de Saint Phalle, die 1930 in Paris geboren wurde, in einer katholischen Klosterschule in New York aufwuchs und mit elf Jahren von ihrem Vater vergewaltigt wurde, war die Kunst ihre Rettung.
Anlässlich einer Ausstellungseröffnung erklärte sie einmal:
"Meine Arbeit ist für mich in vieler Hinsicht wie eine Therapie. Ich begann damit nach einem völligen Nervenzusammenbruch, da war ich 22. Ich war eingesperrt in einer Klinik - und begann zu malen: meine Probleme, wie es mir geht. Ich malte die Welt und meinem Zorn. Und seitdem habe ich nicht mehr damit aufgehört."
Wie ein Albtraum hängt knapp unter der Decke der hohen Halle eine etwa vier Meter breite Fledermaus aus Stoff: Auf der Brust leuchten weiße Totenköpfe, in den Klauen hält das Tier eine Babypuppe. Ein Flügel ist schwarz und bevölkert von Monstern und Drachen.
Carina Plath: "Niki schafft sich da wirklich so ihre eigene Ikonographie: auch die Monster ihrer Kindheit zu bewältigen, die Drachen. Sie arbeitet auf ganz vielen Ebenen in dieser Zeit und entwickelt dann ein großes Formenrepertoire."
Der Ausstellung gelingt es, dies anhand von nur knapp 20 meist großformatigen Arbeiten vorzustellen. Sie ermöglicht damit Einblicke in das eher unbekannte, kämpferische Werk der Künstlerin, an das in diesen Zeiten häufiger erinnert werden sollte. Die Ironie, die dabei in vielem liegt, trägt übrigens auch die selbstbewusste Nana Gwendolyn in sich: Von ihrem Standort am Eingang aus scheint sie spöttisch einmal durch die große Halle zu blicken - auf eine der letzten Arbeiten der 2002 verstorbenen Künstlerin: einen fast drei Meter hohen, aus Spiegelglas-Mosaiken bestehenden, im Nachmittagslicht angeberisch glitzernden - Penis.
Mehr Informationen zur Austellung: www.sprengel-museum.de
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