Hannover

Mehr Platz für die Kunst

Der Veranstaltungsraum im Erweiterungsbau des Sprengel Museums in Hannover
Der Veranstaltungsraum im Erweiterungsbau des Sprengel Museums in Hannover © dpa / pa / Hollemann
Von Volkhard App · 19.04.2014
Rund 1400 Quadratmeter neue Ausstellungsfläche bekommt das renommierte Sprengel Museum in Hannover durch einen Anbau. Die Kosten dafür sind zuletzt auf 31 Millionen Euro hochgeschnellt. Kritiker spötteln über eine "Maschsee-Philharmonie".
"Die Botschaft ist eigentlich: es geht! Es geht mehr, als wir geglaubt haben. Wir haben in intensiver Arbeit zusammen mit der Baufirma auch unter den anspruchsvollen Bedingungen der Winterzeit diesen Bau auf höchstem Qualitätsniveau vorantreiben können."
Der Schweizer Architekt Markus Peter vor ein paar Tagen auf der Baustelle des Sprengel Museums. Dieser Auftritt zur Präsentation des Fassaden-Gesteins sollte die Öffentlichkeit wohl beschwichtigen - denn noch immer ist die Sorge groß, am sensiblen, fast schon "mediterranen" Maschseeufer könnte mit dem Museumsanbau ein dunkler Klotz, vielleicht sogar eine Art Kunstbunker entstehen. Ursprünglich sollte die Fassade hell sein, durchsetzt mit Glas- und Spiegelelementen. Auch aus Kostengründen dann der Schwenk zu dunkel glänzendem Beton, wobei reliefartige Partien für eine Gliederung der Fassade sorgen sollen.
Wie groß die Gefahr einer Bausünde tatsächlich ist, lässt sich zur Zeit zwischen Kränen und Gerüsten kaum beurteilen. Noch bleiben Zweifel. Der Architekt hat aber Verständnis für die öffentliche Diskussion:
"Wir Architekten bauen für Hannover, das ist keine Privatangelegenheit. Also müssen wir uns der öffentlichen Diskussion stellen, das ist gar keine Frage. Aber wir wollen auch davon überzeugen, dass die Fassade in dieser Ausführung etwas anderes ist als ein schwarzer Stein, sondern Sie sehen jetzt, wie diese Grau- und Schattentöne am Relief entstehen. Das ist immer das Risiko eines Architekten, dass er die Gesellschaft überzeugen muss. Er baut ja nicht mit seinem eigenen Geld, sondern mit dem der öffentlichen Hand."
Bauverzögerungen und steigende Kosten
Unzweifelhaft ist, dass das renommierte Museum mit dem Plus von 1400 Quadratmetern Ausstellungsfläche in eine neue Dimension hineinwächst. Das bedeutet: mehr Platz für die eigenen Sammlungen - für Niki de Saint Phalle, den Hauspatron Kurt Schwitters, die klassische Moderne schlechthin und vor allem für den üppigen Fotobestand. Ein weithin ausstrahlendes Foto-Zentrum soll im Sprengel Museum entstehen.
Die neuen Säle werden gegeneinander leicht versetzt sein, werbewirksam spricht man von "tanzenden Räumen" - die zum Verweilen einladen, nicht aber zum Durchmarsch. Und eine neue Eingangshalle mit imposant geschwungener Treppe wird ebenfalls ein Ausrufezeichen setzen. Von experimentellen Formen indes - einer Architektur, die sich selber ausstellt und zum bizarren Markenzeichen wird - hält Markus Peter gar nichts:
"Ich finde es wichtig, dass die Architekten lernen, dass sie für andere Leute bauen. Hier bauen wir für die späteren Besucher ein Museum: Räume, die geeignet sind, Kunst auszustellen. Wichtig ist der Gebrauchswert eines Teils der Architektur, sie ist für die Benutzer da. Wir sehen Architektur nicht als Selbstzweck."
Das neue Museum steht auch wegen der gestiegenen Kosten im Mittelpunkt des Interesses: von 28,5 Millionen Euro sind sie auf derzeit 31 Millionen hochgeschnellt - wegen mancher Bauverzögerung und wegen teurer Angebote. Wie viele Euro noch hinzukommen, hängt auch von einer vorgerichtlichen Klärung zwischen der Stadt und dem Bauunternehmen ab, die bereits eingeleitet ist.
Kosten in Millionenhöhe entstehen außerdem bei der Sanierung des Altbaus, zum Beispiel des maroden Skulpturenhofes. Manche Bürger sprechen mit Blick nach Hamburg bereits ironisch von der "Maschsee-Philharmonie". Hannovers Kulturdezernentin Marlis Drevermann:
"Ich finde den Vergleich - mit Verlaub - schlicht und ergreifend falsch. Wir werden nicht mit 1000 Prozent Kostensteigerung zu tun haben, das ist in Hamburg passiert. Und wir haben auch nicht mit Planungsfehlern zu tun wie am Flughafen zu Berlin."
Immerhin, die Sorgen um die Kosten überschatten die eigentlich doch angebrachte Vorfreude auf die neuen Räume:
"Es ist immer schade, wenn die Themen sich überlagern - aber wir tun unser Bestes. Es ist trotzdem ärgerlich."
Besucherzahlen auf bescheidenem Niveau
Eine Fläche von 11.800 Quadratmetern wird das erweiterte Sprengel Museum aufweisen, davon können 5300 Quadratmeter für die Kunstpräsentation genutzt werden. Mit diesem Kraftakt verändern sich womöglich die Erwartungen an diese Einrichtung, deren Besucherzahlen sich auf vergleichsweise bescheidenem Niveau bewegen und in den vergangenen Jahren teils sogar rückläufig waren. Steht der neue Direktor Reinhard Spieler unter Druck, soll er mit dem gewachsenen Haus für Blockbuster sorgen und die Touristenmassen anziehen?
"Ich sehe mich jetzt nicht unter konkretem Quotenzwang. Klar ist, dass wir eine deutliche Veränderung in der Wahrnehmung haben werden. Das empfinde ich aber nicht als Druck, sondern als Ansporn und eigentlich als eine Selbstverständlichkeit - weil ich von den Möglichkeiten überzeugt bin, die sich uns bieten werden.
Ich sehe Hannover nicht als eine Stadt, die so hohe Erfolgsquoten voraussetzt. Das ist eine andere Situation als in München oder auch in Düsseldorf, wo man mit der Kunst punkten muss. Hannover ist nicht in erster Linie eine Touristenstadt, sondern eine, in der die Messe die Leute anzieht. Und das Museum ist dann noch mal ein Flaggschiff, um zu zeigen: 'Wir bestehen nicht nur aus Industrie, sondern haben auch in der Kunst Erstrangiges zu bieten.'"
Reinhard Spielers Aufgabe wird es sein, die neuen räumlichen Chancen im nationalen und im internationalen Wettbewerb zu nutzen, den "Tanker" aber auch beweglich zu halten. Der könnte in der niedersächsischen Landeshauptstadt stärker noch zum kulturellen Motor werden - mit einer Vielfalt an Ausstellungs- und Aktionsformen:
"Wir werden nicht nur Blockbuster bieten und breiteste Kunstströme ins Haus holen - wir werden weiterhin unbequem, experimentell und schräg sein. Das können wir beides bedienen, glaube ich."
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