Hannover

Streit um den "Kunstbunker"

Der Anbau der Sprengel-Museum in Hannover
Noch ist es eine Baustelle, allerdings eine umstrittene: Der Anbau des Sprengel-Museum. © picture alliance / dpa
Von Volkhard App · 24.08.2014
Das Sprengel-Museum in Hannover wird aktuell erweitert, 1400 Quadratmeter Ausstellungsfläche sollen hinzukommen. Eigentlich eine gute Nachricht, würde der Anbau nicht aussehen wie ein Bunker. Dabei sollte er ursprünglich ganz anders aussehen - und auch die Kosten drohen außer Kontrolle zu geraten.
"Ich finde es wichtig, dass die Architekten lernen, dass sie für andere Leute bauen. Hier bauen wir für die späteren Besucher ein Museum: Räume, die geeignet sind, Kunst auszustellen. Unendlich wichtig ist der Gebrauchswert eines Teils der Architektur: Sie ist für die Benutzer da. Wir sehen Architektur nicht als Selbstzweck."
...sagt der Schweizer Architekt Markus Peter. Nun sind erste Urteile über das Erscheinungsbild möglich. "Spektakulär!" - so bezeichnet Hannovers Oberbürgermeister Stefan Schostok diesen Erweiterungsbau. Doch was einigen Kunstfreunden als kühne architektonische Setzung gilt, sehen andere als schwere Bausünde an einer der schönsten Stellen der Stadt, in unmittelbarer Nähe des Maschsee-Ufers: "Brikett", "Sarkophag" und "Kunstbunker", solche Spitznamen sind derzeit im Umlauf. Denn dieser Bau präsentiert sich in einer monströsen Massivität, als rund 80 Meter langer Klotz in dunklem Grau - aufgelockert zwar durch Vorsprünge, die aber an der abweisenden Anmutung ebenso wenig ändern wie die Öffnungen, die noch mit Scheiben ausgestattet werden.
Kontroverse Diskussion in Hannover
Mit der kontroversen Diskussion müssen die Verantwortlichen leben: auch Architekt Peter, der sich schon bei der Vorstellung des Beton-Materials, des "Werksteins", mit kritischen Fragen konfrontiert sah:
"Wir Architekten bauen für Hannover, das ist keine Privatangelegenheit. Also müssen wir uns der öffentlichen Diskussion stellen, das ist gar keine Frage. Das ist immer das Risiko eines Architekten, dass er die Gesellschaft überzeugen muß. Er baut ja nicht mit seinem eigenen Geld, sondern mit dem der öffentlichen Hand."
Ursprünglich war den Bürgern dieser Bau mit einem völlig anderen Entwurf schmackhaft gemacht worden: ausgestattet mit einer hellen Fassade, mit Spiegelelementen und einer Goldkante tief unten. Diese Fassung hat man nicht zuletzt aus Kostengründen fallen gelassen - und später ästhetische Argumente nachgeschoben: zugunsten des angeblich elegant wirkenden Betons. Eine Kehrtwende in den Verwaltungsstuben, von der viele Beobachter zunächst nicht viel mitbekamen.
Direktor Reinhard Spieler, seit Anfang Februar im Amt, hat jüngst in der Zeitung an die Bürger appelliert, doch bitte stolz zu sein auf dieses Gebäude - und dabei an die Identifikation der Deutschen mit der Fußball -Nationalmannschaft erinnert.
Die Fotosammlung soll mehr Raum erhalten
Überzeugender als diese fast schon verzweifelt wirkende Reaktion ist sein Versuch, die Vorfreude auf das künftige Innenleben des Museums zu erhöhen. Denn mit dem Zuwachs von 1400 Quadratmeter reiner Ausstellungsfläche werden sehr viel mehr Werke der Sammlung dauerhaft und in bestem Licht zu sehen sein - von Kurt Schwitters bis zu Niki de Saint Phalle. Auch die stark gewachsene Fotosammlung wird angemessenen Raum erhalten, darunter geeignete Depots.
Reinhard Spieler: "Wir wollen der Fotografie in der Tat großen Raum geben, und zwar durch ständige Präsenz in der Sammlung. Das wird den Charakter des Museums noch mal deutlich verändern. Wir haben diese Sammlung schon, denn seit 20 Jahren wird hier mit Fotografie gearbeitet. Darauf sind wir stolz, und das wird ein Profil-Merkmal des Museums sein."
Der Direktor hat angekündigt, die Dauerpräsentation im Ganzen neu zu ordnen: nicht nur im Erweiterungs-, sondern auch im Altbau. Die Öffentlichkeit erwartet darüber hinaus einen grundsätzlichen Schub für das in seinen Besucherzahlen stagnierende Haus - auch mal wieder einen "Blockbuster", vor allem aber innovative Ausstellungskonzepte:
"Ich sehe mich jetzt nicht unter konkretem Quotenzwang. Sicher werden wir eine deutliche Veränderung in der Wahrnehmung erleben. Das empfinde ich aber nicht als Druck, sondern als Ansporn und eigentlich auch als Selbstverständlichkeit - weil ich von den Möglichkeiten, die sich bieten, wirklich überzeugt bin."
Eine schizophrene Rolle wird dieses Museum womöglich spielen: abgelehnt von vielen Bürgern wegen seiner bedrohlich dunklen Außenhaut, andererseits gelobt wegen des reichen Innenlebens, aufgrund der neuen, gegeneinander leicht versetzten Sammlungsräume. Und der zusätzliche große Eingangsbereich mit spiralförmiger Treppe wird sicherlich zum Blickfang werden - und zum Schauplatz größerer Veranstaltungen.
Wahrscheinlich wird es kein Happy End geben
Bleibt als Minuspunkt das in die Höhe geschnellte Kostenvolumen: Gut 10 Millionen Euro könnte der Erweiterungsbau auch aufgrund von Bauverzögerungen teurer werden als ursprünglich kalkuliert Das Schlagwort "Maschsee-Philharmonie" macht die Runde - in einer Stadt, in der gerade aus Spargründen zwei Traditionsmuseen in der Verwaltung zusammengelegt werden. Hannovers Kulturdezernentin Marlis Drevermann:
"Wir tun unser Bestes, dass es so eingegrenzt wie möglich wird. Und freuen uns, dass wir es hier zumindest nicht mit extremen Planungsfehlern, wie sie auf anderen Großbaustellen aufgetreten sind, zu tun haben. Wir sind weit entfernt von magischen Zahlen wie 1000 % Kostensteigerung. Es ist trotzdem ärgerlich."
Weder finanziell noch in der äußeren Wirkung wird es ein Happy End geben. Der Bretterzaun soll bald verschwinden und den Blick freigeben auf den Unterbau des Klotzes. Da schauen wir dann noch einmal genauer hin - viel Hoffnung, dass sich das Urteil wesentlich ändert, besteht allerdings nicht.
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