Damien Hirsts "Currency" in London

NFT-Bilder verändern die Kunstwelt

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Bilder mit Punkten des britischen Künstlers Damien Hirst.
In London zeigt der britische Künstler Damian Hirst seine Bilderserien "Currency". Mit seinen digitalen Angeboten mischt er den Kunstmarkt auf. © picture alliance / Photoshot
Ruth Polleit Riechert im Gespräch mit Stephan Karkowsky · 23.09.2022
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Prominente Künstler wie der Brite Damien Hirst haben die "NFT-Kunst" bekannt gemacht. Der junge Markt wächst und bringt Innovationen für den gesamten Kunstmarkt, meint Kunsthistorikerin Ruth Polleit Riechert.
Die Abschlussausstellung zu seinem Projekt "The Currency" zeigt Damien Hirst in London - bevor der britische Künstler voraussichtlich Tausende seiner Gemälde verbrennen wird.
Vor einem Jahr brachte Hirst zehntausend Bilder voller Punkte mit einem Beipackzettel in Umlauf. Jeder Käufer hatte ein Jahr Zeit, sich zu entscheiden, ob er das für 2000 Dollar erworbene Kunstwerk in Papierform behalten wollte oder lieber eintauschen gegen ein digitales Zertifikat auf dieses Kunstwerk, ein Non-Fungible Token (NFT).

Ein Token (Wertmarke) ist die digitalisierte Form eines Vermögenswertes. Der Token besitzt also einen gewissen Wert oder eine bestimmte Funktion. Gleichzeitig können aber auch echte Vermögenswerte wie Immobilien, Musikrechte oder eben auch Kunstwerke tokenisiert werden, indem die damit verbundenen Rechte und Pflichten auf den Token überschrieben werden. Das heißt, die Besitzverhältnisse werden digital abgebildet und sind somit handelbar. Ein Token kann sowohl fungible (austauschbar) als auch non-fungible (nicht austauschbar) sein. Im Grunde bedeutet „nicht austauschbar“ in diesem Sinne nur, dass es sich um einen einzigartigen digitalen Vermögenswert handelt, der nicht gegen einen anderen getauscht werden kann.

"Ich finde es sehr clever von Damien Hirst, die Käufer zu befragen, was sie bevorzugen, physische oder digitale Kunst, und nicht die Kuratoren oder Kritiker", sagt die Kunsthistorikerin und Buchautorin Ruth Polleit Riechert. "Es ist eine Art Stimmungsbarometer." Das Projekt spiegele den Zeitgeist wider. "Das wird die Zukunft sein."

Junger Markt für NFT-Kunst

Nur wenige Kunstwerke eigneten sich als Geldanlage, sagt Polleit Riechert. Der Markt für NFT-Kunst sei gerade erst rund ein Jahr alt und damit noch sehr jung. Anleger sollten deshalb erst einmal abwarten, rät die Kunsthistorikerin. Mit zehntausend Stück sei die Auflage der Punkte-Bilder relativ hoch, aber das sei bei NFT-Projekten durchaus üblich. Wie sich das entwickele, werde der Markt zeigen. "Man muss in der Kunst sowieso einen langen Atem haben und kurzfristige Investments sind ohnehin nicht gefragt."
Der britische Künstler Damien Hirst vor einem seiner Kunstwerke, bei dem ein Haifisch in einer Vitrine zu sehen ist.
Bekannt wurde der britische Künstler Damien Hirst mit spektakulären Objekten wie diesem Haifisch in einer Vitrine. © picture alliance / Photoshot
Bisher handelt es sich beim NFT-Markt noch um eine Nische des Kunstmarktes. Doch der sei 2021 bereits größer gewesen als der Markt für Fotografie, sagt die Buchautorin. "Der Markt ist auf jeden Fall ernst zu nehmen und wird sich weiter entwickeln."
Bei der NFT-Kunst kommt die sogenannte Blockchain-Technik zur Anwendung. Das ist eine technische Lösung, um Daten virtuell zu verwalten. Das Verfahren könne auch für klassische Meisterwerke angewandt werden und sei deshalb ein "absoluter Meilenstein" für den ganzen Kunstmarkt und die Kunstgeschichte, glaubt Polleit Riechert. Sie ermögliche, digitale Kunst fälschungssicher und handelbar zu machen. Auch Meisterwerke könnten jetzt in digitale Einzelteile zerlegt werden und so investierbar werden. "Das ist das eigentliche revolutionäre", betont Polleit Riechert. Außerdem gebe es neue Marktplätze, um Kunst transparent und übersichtlich zu verkaufen.

NFT-Kunst an der Wand oder im Handy

Auch NFT-Kunst kann man sich dank entsprechender Bildschirme inzwischen an die Wand hängen. Der Vorteil sei, dass man dort die Bilder schnell wechseln könne, sagt Polleit Riechert. "Wenn sie mehrere NFT besitzen, können sie sie schneller über die Software austauschen." Inzwischen gebe es auch stromsparende Angebote.
Gerade in Asien sei das Interesse an dieser Kunstgattung besonders groß, weil man dort wenig Wohnraum habe und wenig Fläche zur Verfügung, um physische Kunst auszustellen, so die Kunstkennerin. Deshalb seien asiatische Künstler sehr interessiert, aber auch jüngere Menschen, die mehr virtuell unterwegs seien. Auf dem Laptop oder dem Handy könne man NFTs immer mitnehmen.
Als Kriterium für Qualität zählen bei der NFT-Kunst nicht nur prominente Namen wie Damien Hirst. Das unterscheide sich nicht vom traditionellen Kunstmarkt, so Polleit Riechert. "Je höher die Auflage umso weniger wert ist das einzelne Werk." Das wichtigste Kriterium bleibe, das ein Kunstwerk dem Käufer gefalle.

(gem)

Ruth Polleit Riechert: "Kunst kaufen. Den Kunstmarkt verstehen, Wissen aufbauen und klug investieren", Springer Verlag 2022, 264 Seiten, 24,99 Euro.

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