Neuer "FAZ"-Herausgeber

Kaube: Unser Feuilleton muss Standards verteidigen

Der FAZ-Redakteur Jürgen Kaube, Man mit Brille und vor grüner Wand, in die Kamera blickend.
Ein altehrwürdiges Blatt bekommt einen neuen Herausgeber: Wird Jürgen Kaube dem Feuilleton eine neue Richtung geben? © dpa/picture alliance/Arno Burgi
Jürgen Kaube im Gespräch mit Joachim Scholl · 10.12.2014
Jürgen Kaube, neuer Herausgeber der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung", hat noch keine genaue Vorstellung von seinem künftigen Tätigkeitsbereich – aber ein klar umrissenes Ziel: den Verstand der Leser "anzuregen und zu erfrischen".
Auf den "FAZ"-Journalisten Jürgen Kaube kommt jetzt in seinem künftigen Job als Herausgeber des Blattes einiges zu - er beschreibt es als "neue Aufgabe, von der man nur die Umrisse sieht". Erwartet wird von ihm unter anderem, dass er das Feuilleton prägen wird.
Im Deutschlandradio Kultur sagte Kaube, ihn interessierten Gesellschaftsdiagnose, Empirie und die Künste. Das Zentrum des Feuilletons sei die Kultur im weitesten Sinne, und hier wiederum im Zentrum ständen Musik, Theater, Literatur und Kunst. "Aus diesem Fundus schöpfen wir, das haben wir zu kommentieren", sagte er. Das Feuilleton seiner Zeitung habe hier Standards zu verteidigen – und auch immer wieder zu erläutern.
Zudem hat das Feuilleton nach Kaubes Auffassung auch eine "didaktische Aufgabe": "die Sachen zu erklären". Das müsse man gut, vernünftig und intelligent machen. "Dafür stehe ich", sagte Kaube. Sich journalistisch zurücknehmen will sich Kaube künftig nicht – er habe vor, sich weiter wie bisher zu Wort zu melden, möglicherweise sogar auf neuen Themengebieten. "Ich habe nicht vor, (...) zu schweigen oder mich in informationslosen Äußerungen zu ergehen", betonte er.

Das Interview im Wortlaut:
Joachim Scholl: Seit gestern ist es offiziell: Künftiges neues Mitglied im Herausgeberkreis der "Frankfurter Allgemeine Zeitung" wird Jürgen Kaube, bislang Redakteur im Feuilleton, Ressortleiter für den Bereich Geisteswissenschaften, selbst renommierter Buchautor und auch im Deutschlandradio Kultur übrigens geschätzter Rezensent. Jetzt ist er exklusiv bei uns in der "Lesart" am Telefon. Guten Morgen und herzlichen Glückwunsch, Herr Kaube!
Jürgen Kaube: Vielen Dank!
Scholl: Wie fühlt sich das denn an, jetzt zu den einflussreichsten Journalisten in Deutschland zu gehören?
Kaube: Ach, ich würde das jetzt mal nicht mit so steilen Begriffen belegen. Es kommt einiges auf einen zu, es ist eine ganz neue Aufgabe, von der man nur die Umrisse sieht, wie das immer so ist. Und es fühlt sich gut an, sonst hätte ich ja nicht Ja gesagt. Es ist eine gute Mannschaft hier, wir machen eigentlich, glaube ich, ein ganz abwechslungsreiches Feuilleton, was nicht heißt, dass wir es nicht noch besser machen können. Ich bin eigentlich die meiste Zeit meines Lebens sehr, sehr gern in diese Redaktion gegangen, und es soll sich für alle anderen daran nichts ändern.
Scholl: Jetzt kommen Sie aber sozusagen, treten Sie anders durch die Tür. Und es hat im Vorfeld Ihrer Berufung in der Öffentlichkeit ja bereits Diskussionen und Kaffeesatzleserei gegeben, was wird er denn machen, der Jürgen Kaube? Wie wird er das Feuilleton ausrichten? Wofür steht er? Erklären Sie sich, Herr Kaube! Der deutsche Kulturbetrieb spitzt die Ohren.
Kaube: Wofür stehe ich? Ich meine, ich bin - Sie hatten das ja schon gesagt - ich komme aus den Geisteswissenschaften, ich bin so von der Herkunft her Ökonom, Soziologie habe ich unterrichtet ein bisschen. Mich interessiert Gesellschaftsdiagnose, mich interessieren möglichst trockene Begriffe für das, was um uns herum ist, für die Empirie, die man in das Feuilleton hineinnehmen kann. Mich interessieren die Künste, das ist gar keine Frage.
Das Zentrum des Feuilletons ist die Kultur im weitesten Sinne, aber in deren Zentrum wiederum das, was Kunst, Musik, Literatur, Theater, Ballett, das Sachbuch, die Essayistik zu bieten haben. Und das - aus diesem Fundus schöpfen wir, das haben wir zu kommentieren. Da haben wir Standards auch zu verteidigen oder zu erläutern.
Das Feuilleton hat auch eine, wenn ich das mal so sagen darf, didaktische Aufgabe, die Sachen zu erklären, gerade, weil es so vielfältige Dinge sind in diesem Bereich. Und - ja, dafür stehe ich. Das ist jetzt gar kein Programm in dem Sinne, sondern es einfach gut, vernünftig machen, intelligent - wir müssen mit intelligenten Lesern rechnen, das ist ja eine glückliche Situation -, und den Verstand anzuregen, zu erfrischen ihn sozusagen.
"Das wäre völlig verrückt, wenn man das vernachlässigen würde"
Scholl: Uns interessiert natürlich der literarische Anteil der "FAZ" insbesondere, die Debatten, die Rezensionen. Hier war Ihre Zeitung immer eine der großen Bastionen seriöser Literaturkritik und Buchkritik. Kann sich die literarische Welt weiter daraufhin verlassen?
Kaube: Ganz gewiss. Also da - ohne das geht es gar nicht. Und das ist ja auch ein ganz großer vergnüglicher Teil unserer Arbeit. Wir haben ja ein gewisses Privileg, dass wir eigentlich Dinge machen, die wir gerne machen. Und dazu gehört natürlich die Literatur, sowohl, was die Gegenwart angeht, wo ja der Literaturkritiker immer so ein bisschen im Kampf mit den Mengen an Titeln, die da erscheinen, sich befindet und dort irgendwie so Standards pflegen muss, wie auch, was die literarische Tradition angeht.
Und überhaupt, das Nachdenken: Warum ist Literatur für uns so wichtig? Auch das ist, wenn man so will, auch darauf gibt, glaube ich, ein Feuilleton eine fortlaufende Antwort. Also, da muss sich überhaupt niemand Sorgen machen. Das wäre völlig verrückt, wenn man das vernachlässigen würde.
Scholl: Die Kollegen von der "Süddeutschen Zeitung", die haben Sie als "gefürchtete Instanz in der akademischen Welt" bezeichnet. Wenn Kaube ein Buch verreißt, so wird geschrieben, wächst kein Gras mehr. Werden Sie sich weiterhin zu Wort melden, Herr Kaube, mit diesem Schmackes, der Ihnen zu eigen ist, oder muss man jetzt doch milder werden, als Herausgeber?
Kaube: Das glaube ich eigentlich nicht. Man muss natürlich zu dem Urteil, das ja sehr charmant ist auf eine Weise, natürlich hinzufügen, dass natürlich auch das Loben und das Hinweisen auf das, was Aufmerksamkeit verdient, dazugehört, und ich glaube, da habe ich es auch nicht – wie soll man sagen –, da haben ich auch keine Defizite, zu sagen, was ist vorbildlich, wo wird irgendwie intelligent gedacht und publiziert.
Und ich habe eigentlich weiter vor, das zu machen, wenn man so will, vielleicht sogar das auszudehnen auf Bereiche, in denen ich bisher vielleicht noch gar nicht so tätig war. Es gibt ganze Welten, nehmen wir das Theater oder die Bildende Kunst, über die man auch nachdenken kann. Nein, nein, ich habe nicht vor, jetzt sozusagen zu schweigen oder mich in, wie soll man sagen, mich in informationslosen Äußerungen zu ergehen.
Scholl: Dann alles Gute für Sie! Wir wünschen hohen Wirkungsgrad, Jürgen Kaube, und danke für dieses erste exklusive Gespräch als Herausgeber der "FAZ".
Kaube: Besten Dank Ihnen!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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