Kunst im „Dritten Reich“

Wie eine Ausstellung in den Niederlanden Nazi-Kunst entlarvt

Das Gemälde "Das größere Opfer" des Malers Adolf Reich von aus dem Jahr 1943 wird derzeit im holländischen Arnheim in einer Ausstellung über NS-Kunst gezeigt.
Das Publikum der NS-Zeit verstand die Botschaft: "Das größere Opfer" von Adolf Reich zeigt einen Kriegsinvaliden, eine Kriegerwitwe mit Kinderwagen und Menschen, die für das Winterhilfswerk spenden. © Rolf Hensel
12.11.2023
Eine neue Ausstellung im holländischen Arnheim zeigt NS-Kunst. Dabei entlarvt eine kluge Präsentation die Kunstwerke als das, was sie sind: Propaganda.
Im holländischen Arnheim widmet sich eine neue Ausstellung der Kunst im „Dritten Reich". Der Schwerpunkt der Schau liegt auf Gemälden und Skulpturen, die von 1937 bis 1944 in der jährlich stattfindenden, sogenannten Großen Deutschen Kunstausstellung im Haus der Deutschen Kunst in München zu sehen waren.
In Deutschland hat es eine ähnliche Präsentation von Nazi-Kunst bislang nicht gegeben. So verständlich das sei, müsse man keine Angst vor diesen Kunstwerken haben, meint Deutschlandfunk-Kunstkritiker Stefan Koldehoff. Statt sie zu dämonisieren gelte es, sie zu entlarven. Der Ausstellung in den Niederlanden gelinge dies, sagt Koldehoff. Harmlos seien die Kunstwerke indes nicht.

Was wird in der Ausstellung gezeigt?

Die Arnheimer Ausstellung zeigt 90 Werke, die ehemals - zwischen 1937 und 1944 - im Haus der Deutschen Kunst in München präsentiert worden waren. Das Gebäude gilt als erster Monumentalbau des NS-Regimes. Hier wurde Kunst gezeigt, die stilistisch oder thematisch zur Nazi-Ideologie passte. Die Werke hätten die Aufgabe gehabt, die Menschen zu verführen und zugleich von den kriminellen Machenschaften des Nazi-Regimes abzulenken, schreibt das Museum in einem Text zur Ausstellung.
Überraschend sei, wie groß viele der jetzt in Arnheim erneut ausgestellten Kunstwerke seien, sagt Koldehoff. Doch das ist kein Zufall: Es war Kunst, die überwältigen wollte. Zwei riesige Adler fliegen auf einem Gemälde von Michael Mathias Kiefer mit dem Titel „Die Wacht“ auf die Insel Helgoland zu.
Allerdings gab es für den Hang zum Monumentalem auch profanere Gründe: Die Künstler der NS-Zeit wollten ihre Werke verkaufen, an Rathäuser oder Behörden: Und hier waren große Formate gefragt.
Auch wenn es wohl keine Vorgaben gab, wie der künstlerische Stil in der NS-Zeit auszusehen hatte, war dennoch klar, was auf Bildern ab 1933 nicht mehr stattfinden durfte: unter anderem LGBTQ-Themen, Szenen aus Bars und Kneipen der Weimarer Republik, Kubismus, Sozialkritik und Dadaismus.

Gab es einen einheitlichen Kunststil in der NS-Zeit?

Die Stilbreite der in Arnheim gezeigten Werke ist groß, es gibt altmeisterliche Landschaften wie im 19. Jahrhundert, realistische Werke à la Max Liebermann oder auch Werke im Stil des Impressionismus. Einen einheitlichen NS-Stil gebe es nicht, das sei die große Erkenntnis der Ausstellung, sagt Kunst-Experte Stefan Koldehoff.
Es dominieren Landschaften, Akte und Stillleben, „Hardcore-Nazibilder mit Soldaten und Kriegsszenen“ gebe es hingegen nur wenige. Harmlos seien die Bilder deswegen aber nicht, so Koldehoff. Denn sie verfolgten trotzdem einen klaren Zweck, hätten eine Agenda.
So wirkt ein altmeisterlich gemaltes Landschaftsbild auf den ersten Blick äußerst idyllisch - doch es zeigt die Hermann Göring-Hütte in Oberaudorf. Für das historische Publikum sei die Botschaft klar gewesen, betont Koldehoff: Göring liebt die Natur, er bewahrt den Boden, auf dem wir ackern und leben. Ein Beispiel für die Art und Weise, wie Kunst zur Propaganda wird.

Warum ist eine Ausstellung mit Nazi-Kunst wichtig?

Ziel der Arnheimer Ausstellung ist es darzustellen, welche Rolle Kunst im Nationalsozialismus spielte – und wie sie für politische Zwecke instrumentalisiert wurde. Viele Kunstwerke in der Ausstellung werden erstmals seit 1944 wieder gezeigt. Nach Kriegsende nahmen die Amerikaner sie mit in die USA, weil sie diese für gefährlich hielten. Erst in den 1980er- und 1990er-Jahren wurden die Werke, mit Ausnahme weniger Hitlerporträts, an Deutschland zurückgegeben.
Angst vor den Bildern müsse man nicht haben, sagt Stefan Koldehoff. Viele von ihnen seien mittlerweile gut erforscht. Doch möglicherweise gebe es noch ein Schuldgefühl gegenüber Künstlern, die ab 1937 als "entartet" aussortiert worden seien.
Eine Ausstellung mit der von den Nazis menschenfeindlich betitelten „Entarteten Kunst“ fand 1937 ebenfalls in München statt, unweit des neuen NS-Kunsttempels in der Prinzregentenstraße. Sie wurde nur einen Tag nach dem Start der Großen Deutschen Kunstausstellung eröffnet.
Kunstwerke aus der NS-Zeit im Original zu zeigen - darüber sollte hierzulande diskutiert werden, meint Stefan Koldehoff. Wichtig sei eine gut durchdachte Präsentation, so wie in Arnheim. Denn es handele sich eben nicht nur um Kunstwerke, sondern auch um historische Quellen.

tha

Die Ausstellung "Kunst im Dritten Reich" im museum arnhem ist vom 12. November 2023 bis zum 24. März 2024 zu sehen.

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