Navid Kermani zum Anschlag auf Salman Rushdie
Der Schriftsteller Salman Rushdie wurde Opfer eines Anschlags. Sein Berufskollege Navid Kermani rechnet mit einer großen Welle der Solidarität. Der Kampf werde und müsse weitergehen, sagt er. © picture alliance / empics | Chris Young
"Ein Angriff auf jeden, der frei denken möchte"
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Nach dem Attentat auf Salman Rushdie ist die Freiheit des Wortes in Gefahr, sagt der Autor Navid Kermani. Viele würden es sich nun zweimal überlegen, ob man sich provokativ äußert. Nur gemeinsam könne man gegen diese Angst bestehen.
„Das ist ein Angriff auf jeden Schriftsteller, jeden, der frei denken möchte, der provokante Dinge sagen möchte“, erklärt der Friedenspreisträger des Deutschen Buchhandels, Navid Kermani, zur Messerattacke auf Salman Rushdie.
Dieser liegt nun schwer verletzt in einem Krankenhaus in den USA. Lebensgefahr besteht zwar keine mehr. Doch ein Auge, die Leber und Nerven im Arm sind beschädigt. Das Entsetzen über die Tat des 24-jährigen Hadi Matar ist groß. Auch Kermani sorgt sich um die Gesundheit des 75-jährigen indisch-britischen Schriftstellers.
Seit 1989 Kopfgeld auf Rushdie ausgesetzt
1989 hatte Ajatollah Khomeini die Jagd auf Rushdie wegen angeblicher Gotteslästerung in seinem Roman „Die satanischen Verse“ verfügt. Seitdem stand Rushdie unter Polizeischutz. In letzter Zeit sagte der Schriftsteller aber immer wieder, die Fatwa sei lange vorbei und er fühle sich gar nicht mehr so gefährdet.
Nun fand der Angriff während einer Veranstaltung im Bundesstaat New York statt. Auf die Ermordung Rushdies war seitdem ein Kopfgeld ausgesetzt. Über die Motive des Täters wird noch spekuliert.
Die perfide Logik des Terrors
„Natürlich könnte ich die wohlfeilen Sätze sagen, dass wir uns nicht einschüchtern lassen sollen, dass wir weiter mutig unsere Dinge sagen sollen. Das ist ja alles vollkommen richtig“, erklärt Kermani, aber im Einzelfall werde das eben doch dazu führen, „dass man es sich zweimal überlegt, bevor man bestimmte provokante Sachen sagt“.
Für Kermani besteht das Perfide solcher Attentate gerade darin, dass sie in ihrer terroristischen Logik Erfolg hätten. "Man schüchtert Menschen nun einmal durch Gewalt ein. Natürlich soll man nicht zurückweichen. Man darf das nicht tun. Aber das ist dann eher ein Appell als eine Zustandsbeschreibung."
Es gibt trotz allem weiter mutige Menschen
Dennoch gebe es weiter mutige Menschen auf der ganzen Welt, die für ihre Gedanken einstehen, wie etwa im Iran. Kermani erinnert an die beiden Berlinale-Gewinner Jafar Panahi und Mohammad Rasoulof, die dort in Haft sind. Obwohl sie vom Regime bedroht werden, hatten sie sich dazu entschlossen im Iran zu bleiben.
„Es gibt diese mutigen Leute“, sagt Kermani, „und vielleicht inspiriert uns an einem solchen Tag auch der Mut von Menschen, die dennoch einstehen. Und dass es diesen Mut eben auch in einem Land wie dem Iran gibt – trotz oder vielleicht auch wegen dieser brutalen Regierung.“