Comeback der Musikpiraterie

Die Napster-Epigonen wachsen wieder

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Eine Person mit Kopfhoerer sitzt vor einem Monitor in Berlin
Von 2017 an nahm Musikpiraterie ab, am Ende des Jahres 2020 legte sie wieder zu. © imago / photothek / Florian Gaertner
Kristoffer Cornils im Gespräch mit Vivian Perkovic · 21.03.2022
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Trotz vieler Streamingdienste am Markt nimmt Musikpiraterie wieder zu. Das liegt auch daran, dass es in der Pandemie vermehrt exklusive Inhalte gab, die nicht über reguläre Plattformen zu erreichen waren, vermutet Musikjournalist Kristoffer Cornils.
Der Piraterie-Bericht des Unternehmens Muso will Trends in der Online-Piraterie bei verschiedenen, urheberrechtlich geschützten Produkten erfassen, beispielsweise von Filmen, Software oder Musik. Der Autor dieses Berichts ist Andy Chatterley, der Co-Gründer der Firma, die unter anderem die Entfernung von illegal ins Netz gestellt Medien anbietet.
Über alle Medien hinweg haben demnach Streams über illegale Plattformen und illegale Downloads zwischen 2020 und 2021 um knapp 15 Prozent zugenommen. Insgesamt wurden von Muso 182 Milliarden Besuche auf Piraterie-Websites gezählt, mutmaßliche Musikpiraterie macht davon etwas mehr als acht Prozent aus.
All das trotz der legalen Angebote von Spotify, Apple Music, Tidal und Co. Sogar Napster, der Urdienst der Tauschbörsen, wartet inzwischen mit einem legalen Angebot auf. Doch auch wenn Chatterlys Bericht mit einer gewissen Vorsicht zu genießen ist, da sein Unternehmen ja illegale Downloads aufspüren will und deshalb alles etwas dramatischer aussehen lassen will, klingen die Zahlen trotzdem plausibel, sagt der Musikjournalist Kristoffer Cornils.

Einbruch ab 2017

Im Jahr 2017 gingen die Besuche auf solchen Websites total in den Keller, erst ab Mitte 2020 gehen sie wieder hoch. Cornils vermutet, dass der Einbruch bei illegalen Downloads nach 2017 daran liegt, dass große Stars ihre Musik bis dahin zum Teil exklusiv auf bestimmten Plattformen veröffentlicht haben: Im Jahr 2016 etwa Beyoncé und Kanye West auf Tidal. „Natürlich haben sich da die Leute andere Wege gesucht, um an diese Musik zu kommen.“ Das lasse danach aber nach.
Dass es ab 2020 wieder bergauf geht mit dem illegalen Musikhören, könnte an der Corona-Pandemie liegen: „Natürlich liegt erst mal der Gedanke nahe, dass viele Menschen mehr Zeit hatten, Musik zu hören und das nicht immer auf legalem Wege getan haben."
Auch weil für viele der Beginn der Pandemie eine enorme wirtschaftliche Belastung oder zumindest Unsicherheit mit sich brachte, wie Cornilis sagt: „Aber wenn man genau auf diese Auswertung schaut, dann fallen die Zahlen für Musikpiraterie noch bis Mitte 2020 und gehen erst im November und Dezember wieder sehr sprunghaft hoch.“

Corona-Kreativität der Musikbranche

Cornils Vermutung: Ende 2020 habe es viel mehr Musik gegeben, die auf regulärem Wege nicht überall zu haben war. Über das Jahr 2020 hinweg seien sehr viele Online-Formate ausprobiert worden: "Wir hatten riesige virtuelle Gigs in Videospielen wie Fortnite oder auch sehr, sehr viele Livekonzerte, die bei Youtube ausgespielt wurden", zählt Cornils auf: "Das heißt, da wurden massenhaft exklusive Inhalte produziert und zum Großteil nicht bei den Streaming-Plattformen angeboten."
Für diese These spreche auch, dass gut 40 Prozent von der Musikpiraterie durch Websites zustande kamkam, die den Download von Musik bei Youtube möglich gemacht haben: "Das wird mit großer Sicherheit auch Musik gewesen seien, die beispielsweise als Livemitschnitt nur über Youtube erhältlich gemacht wurde."
Im Ländervergleich wird laut Muso Musik am häufigsten in Indien und dem Iran illegal konsumiert. „Das kann daran liegen, dass bestimmte populäre Musik beispielsweise wegen Lizenzierungsfragen nicht auf den üblichen Services erhältlich sind. Im Falle des Irans liegt natürlich auch die Vermutung nahe, dass über illegale Streamings oder Downloads bestimmte Zensurmechanismen umgangen werden." Deutschland liegt in dem Länderranking auf Platz 13.
(mfu)
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