Wenn Künstler nichts an ihrer Musik verdienen
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Auf Spotify finden sich immer mehr Musik-Podcasts, in denen illegal hochgeladene Musik zu hören ist. Problem an der Sache: Musiker bekommen für diese Songs keinen Cent. Spotify tut bislang aber wenig dagegen.
"Bootleg Podcasts" – so werden die Podcasts genannt, mit denen auf Spotify illegal Musik hochgeladen wird. Einzelne Musikstücke oder DJ-Mixes, die nicht lizensiert sind, werden einfach als Podcast-Episoden getarnt. So finden sich auf Spotify dann etwa Podcasts mit dem Titel "Songs that aren’t on Spotify" – Lieder, die nicht auf Spotify sind.
"Vor allem in Deutschland, wo wir ein enges Urheberrecht haben, ist die Verwendung von Ausschnitten ohne Genehmigung der Urheber in der Regel illegal", sagt Georg Fischer. Er forscht am Institut für Musikwissenschaft und Medienwissenschaft an der Humboldt-Universität Berlin unter anderem zu Sampling und Urheberrecht.
Langsame Stücke sind schwer zu erkennen für Upload-Filter
Illegal ist es auch, Songs in verlangsamter Geschwindigkeit hochzuladen. Das macht etwa der Podcast namens "a n g e l", der aktuell auf Platz 18 der deutschen Musik-Podcast-Charts steht. Oder ein Podcast, dessen Titel einfach aus einem Smiley besteht, dem Herzchen ums Gesicht fliegen, der aktuell auf Platz zehn ist. Stücke von Billie Eilish, Rihanna oder Harry Styles landen so auf Spotify. Die Rechteinhaber gehen aber leer aus. Verlangsamte Stücke sind jedoch schwer zu erkennen für automatische Upload-Filter, sagt Georg Fischer. Außerdem hat Spotify möglichweise zurzeit die Podcasts auf der Plattform nicht so stark im Blick:
"Die Podcast-Sektion bei Spotify ist getrennt von den normalen Musikangeboten. Und ich könnte mir vorstellen, dass Podcasts bei Spotify einfach nicht so streng kontrolliert werden, weil damit generell weniger Geld umgesetzt wird", so Fischer.
Kaum Kontrolle durch Spotify
Tatsächlich scheint Spotify nur mäßig zu kontrollieren. Im Laufe der Recherche zu diesem Beitrag verschwinden zwar immer wieder illegale "Bootleg Podcasts" von der Plattform. Der Podcast mit dem Titel "Deutschrap" allerdings stieg in den Musikpodcast-Charts in den vergangenen Tagen immer weiter nach oben. Aktuell ist er der zweitmeistgehörte Musikpodcast in Deutschland. "Deutschrap" postet täglich mehrere deutschsprachige Rapsongs von bekannten Rappern wie Mero, Apache 207 oder Capital Bra.
Spotify Deutschland möchte sich nicht zur illegal hochgeladenen Musik auf seiner Plattform äußern. Das Musikmagazin "Pitchfork" zitiert allerdings einen US-amerikanischen Spotify-Sprecher: "Wir nehmen diese illegalen Inhalte extrem ernst und tun alles, um sie zu verhindern. Spotify verfügt über mehrere Erkennungsmechanismen, die diese Aktivitäten verhindern sollen."
Gut klappt das nicht. So landen etwa Livemitschnitte der "BBC Radio 1 Live Lounge" regelmäßig im Podcast mit dem Titel "Mash Up Cover Songs". Taylor Swifts Phil-Collins-Cover von "Can’t Stop Loving You", das sie beim Studiokonzert in den Studios der BBC gespielt hat, dürfte es in dieser Form auf Spotify also eigentlich nicht geben.
Musikwissenschaftler Fischer spricht in Bezug auf "Bootleg Podcasts" vom Phänomen der "Umgehungskreativität":
"Interessant ist natürlich schon, dass diese Form der Umgehungskreativität, wie ich das nenne, immer bei neuen Technologien und neuen Plattformen auftritt. Dass die Leute versuchen, um die Regeln herumzuarbeiten und die Systeme zu unterwandern."
Urheber der "Bootleg Podcasts" unbekannt
Wer genau und aus welchen Gründen Musik in "Bootleg Podcasts" hochlädt, ist nicht ganz klar. Es gibt nur Vermutungen, da sich auf Spotify beispielsweise viele Stücke finden, die etwa in den Videos der App TikTok benutzt werden. Mit der Übertragung auf Spotify sollen die Stücke dauerhaft abrufbar werden, da sie auf TikTok immer nur an ein spezifisches Video gebunden sind. Es könnte aber auch ganz praktische Gründe haben: Wer kein Premium-Abo bei Spotify hat, kann Musik nur im Zufallsmodus hören. "Bootleg Podcasts" aber umgehen den Zufallsmodus. Musik, die als Podcast-Episode getarnt ist, kann nämlich wie eine ganz normale Playlist von vorne bis hinten gehört werden.
Illegale Musik-Playlists als Form des Protests?
Klar ist, dass "Bootleg Podcasts" illegal sind und außerdem geschäftsschädigend für Labels und Musikschaffende. Doch sie machen die stark regulierten Bibliotheken der Musikstreamingdienste auch etwas interessanter. Stücke, die mit Effekten verändert sind, rare Live-Aufnahmen oder Demos bringen eine Ästhetik des Halbseidenen auf Plattformen wie Spotify. Man kann das auch als Protest lesen gegen Musik, die fast nur noch algorithmisch in Playlists organisiert wird. "Bootleg Podcasts" bringen einen unkontrollierten Raum auf eine Plattform, die normalerweise nichts dem Zufall überlässt, sagt Musikwissenschaftler Fischer:
"Bei diesen Stücken in diesen illegalen Podcasts, Bootleg Podcasts, ist natürlich auch immer die Frage: Wie lange ist das noch da? Dieses Versprechen vom Internet, dass alles immer ewig verfügbar ist, das wird hier in gewisser Weise aufgebrochen, aufgekündigt. Die Musik kann innerhalb von wenigen Stunden schon wieder aus dem Internet gelöscht sein, was sie irgendwie dann dadurch verknappt und interessant macht."