Museum of Neoliberalism in London

Das Kapital, die Hölle und eine Flasche Urin

08:22 Minuten
Das Bild zeigt eine verunstaltete Maske, die die ehemalige britische Premierministerin  Margaret Thatcher darstellen soll. Das Gesicht ist mit Blut beschmiert, ein Auge hängt aus der Augenhöhle.
Verunstaltete Margaret-Thatcher-Maske: Die neoliberale ehemalige britische Premierministerin hatte viele Gegner. © picture alliance / dpa / AP / Lefteris Pitarakis
Robert Rotifer im Gespräch mit Christine Watty · 02.05.2022
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In London widmet sich ein kleines Museum dem Neoliberalismus. Die Schau bewegt sich zwischen Information, Satire und Aktivismus. Der Kapitalismus - er kommt hier schlecht weg. Und Museumsgründer Darren Cullen hat den Ölmulti Shell im Visier.
Neoliberalismus: einer jener Begriffe, bei denen sich jeder sofort innerlich positioniert. Die einen hofieren ihn als gängiges kapitalistisches Ordnungsprinzip mit hohem Output an Wohlstand und Wachstum, die anderen sehen in ihm die Wurzel (fast) allen Übels. Sicher ist: In neoliberal geprägten Gesellschaften geht es eher ruppig zu, der Wettbewerb wird großgeschrieben. Wer da nicht mitkommt, steht am Rand.

Hang zum radikalen gesellschaftlichen Umbau

Eine Ikone der Neoliberalen ist Margaret Thatcher, ehemalige britische Premierministerin mit Hang zum radikalen gesellschaftlichen Umbau. Die Tories drucken ihr Konterfei noch immer auf Tassen, die dann auf Parteitagen zum Kauf angeboten werden.
Für ihre Gegner war und ist Thatcher hingegen der Inbegriff sozialer Kälte. Thatchers Ideen leben fort – und werden inzwischen auch in Museen präsentiert, zum Beispiel im „Museum of Neoliberalism“ in London. Hier wird schnell klar, auf welcher Seite die Ausstellungsmacher stehen.
Die Idee für das Museum sei ihm gekommen, als der ehemalige Premierminister David Cameron 2012 seine Unterstützung für ein offizielles Museum zu Ehren Margaret Thatchers signalisiert habe, sagt der Gründer Darren Cullen. „Ich dachte, da könnte nur kuschelige Verklärung herauskommen, also wäre es doch lustig, als Alternative dazu mein eigenes Thatcher-Museum aufzumachen“, berichtet der Künstler und politische Karikaturist.

Es wird ausdrücklich gewarnt

Schließlich ist dann sogar mehr daraus geworden, der Fokus verschob sich von Thatcher zu ihrer Ideenwelt: „Man kann nicht über Thatcher sprechen, ohne Pinochet, Milton Friedman oder Friedrich Hayek zu erwähnen. Statt bloß über ein Individuum zu reden, ist es interessanter, über die Ideen zu sprechen, die dieses Individuum antrieben“, sagt Cullen.
Der Journalist Robert Rotifer hat das Museum besucht und sich einen Eindruck vom dortigen Umgang mit dem Thema verschafft. Gleich beim Betreten des Museums erwarte Besucherinnen und Besucher eine große Überschrift: „Neoliberalism – A Warning from History“. Das sei eine Ableitung des Titels der allen Britinnen und Briten vertrauten BBC-Doku „The Nazis – A Warning from History“, berichtet Rotifer.
Damit ist das Thema moralisch eingeordnet. Das Museum bediene sich der Satire als „unterhaltsame Abkürzung“, sagt Rotifer: Denn die Ausstellung sei sehr klein: „Es ist in einem bescheidenen Geschäftslokal untergebracht und versprüht einen gewissen Puppenhaus-Charme.“ Also wird ein Amazon-Verteilungscenter in Miniatur dargestellt, dazu eine Flasche Urin von einem der dortigen Arbeiter. Der stand so unter Zeitdruck, dass er nicht auf die Toilette gehen konnte.

Aus "Shell" wird "Hell"

Das Museum finanziere sich ähnlich wie andere Museen, sagt Rotifer, nämlich durch den Verkauf von Andenken im dazugehörigen Shop. Da könne man dann anti-neoliberale Postkarten, Anstecknadeln, T-Shirts, Comics und Bücher erwerben.
Besonders populär sind Aufkleber und Aufnäher, in denen der Schriftzug der Ölfirma Shell und das Muschel-Logo in eine Flamme und das Wort „Hell“ umgewandelt wurden. „Und im Hinterhof des Museums steht auch noch ein begehbarer Hell-, also gewissermaßen Anti-Shell-Bus, mit dem Cullen unter anderem zu Festivals fährt und satirisch den Beitrag der Mineralölindustrie zur globalen Erhitzung thematisiert.“

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