Wenn der Job zur Qual wird

Mobbing unter Kollegen oder durch Vorgesetzte ist weit verbreitet. Viele Betroffene suchen sich jedoch erst Hilfe, wenn sich psychische Krankheitssymptome zeigen. Wie erkennt man Mobbing frühzeitig und wie kann man sich wehren?
Jeden Tag quälen sich Menschen zur Arbeit. Nicht, weil sie einfach nur müde sind oder einen schlechten Tag haben, sondern weil sie von ihren Kollegen oder Vorgesetzten gemobbt werden. Mobbing kann jeden treffen und macht auf Dauer krank. Doch es gibt Auswege.
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Was unterscheidet Mobbing von gewöhnlichen Konflikten?
Eine einheitliche Definition von Mobbing gibt es bislang nicht. „Von Mobbing sprechen wir immer dann, wenn über einen längeren Zeitraum wiederholt negative Verhaltensweisen gegenüber einer Person am Arbeitsplatz gezeigt werden, mit dem Ziel, sie quasi zu schikanieren, bloßzustellen“, erklärt Margrit Löbner, Professorin für psychische Gesundheit in der Arbeitswelt am Uniklinikum Leipzig. Unter ihrer Leitung ist 2025 im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales die repräsentative Studie „Mobbing in der Arbeitswelt“ erschienen.
Mobbing unterscheidet sich von gewöhnlichen Konflikten, die es selbstverständlich auch am Arbeitsplatz gibt. Meinungsverschiedenheiten und Wortgefechte fallen nicht unter Mobbing. Auch Unhöflichkeit zählt nicht dazu. Diskriminierung, Aggression und Gewalt sowie (sexuelle) Belästigung sind ebenfalls von Mobbing zu trennen – sofern das Verhalten nur gelegentlich auftritt. Zentrale Kennzeichen von Mobbing sind, dass Menschen über Monate hinweg mindestens einmal in der Woche schikaniert werden.
Die repräsentative Leipziger Mobbing-Studie kommt zu dem Ergebnis, dass 6,5 Prozent der Befragten Mobbing durch Kollegen und/oder Vorgesetzte erlebt haben. Der Studie zufolge trifft Mobbing vor allem junge Menschen zwischen 18 und 29 Jahren und solche, die in prekären Beschäftigungsverhältnissen arbeiten. Auch Menschen mit Migrationsgeschichte werden deutlich häufiger gemobbt. In den Branchen Bauwesen, Architektur, Vermessung und Gebäudetechnik ist Mobbing am weitesten verbreitet.
Wie erkennt man Mobbing am Arbeitsplatz?
Mobbing beginnt oft subtil und wird meist gar nicht sofort erkannt. Viele Betroffene merken erst viel später, dass sie über Monate systematisch schikaniert wurden. Mobbing durch Vorgesetzte zeigt sich zum Beispiel dadurch, dass sie Beschäftigte für vermeintliche Fehler verantwortlich machen und ihnen Verantwortung und Aufgaben entziehen. Oder sie tun genau das Gegenteil und geben ihnen mehr Aufgaben, als sie in ihrer Arbeitszeit erledigen können. Einschüchterung ist eine weitere Variante: „Wenn Sie das nicht heute erledigen, können Sie sich einen neuen Job suchen!“
Anzeichen für Mobbing unter Kollegen gibt es viele:
- Wenn Mitarbeiter jemanden aus dem Team ignorieren und stattdessen hinter dessen Rücken über ihn herziehen.
- Wenn Teammitglieder in Chatgruppen oder von Meetings ausgeschlossen werden.
- Wenn Menschen absichtlich unterbrochen werden, wenn sie sich äußern.
- Wenn in der Teeküche plötzlich alle verstummen, sobald eine Person den Raum betritt.
Manche Kollegen beteiligen sich zwar nicht aktiv an den Schikanen, kommen den Betroffenen aber auch nicht zur Hilfe, sondern gucken schweigend zu. Dadurch schützen sie die Mobber und tragen dazu bei, dass weiter gemobbt wird.
Wer sind die Mobber und warum mobben sie?
Mobbing am Arbeitsplatz geht von Vorgesetzten und etwas häufiger von Kollegen aus. Sie schikanieren ihre Kollegen oder Beschäftigten meist mit voller Absicht. Die Gründe dafür sind vielfältig, sagt die Psychologin Margrit Löbner: „Das kann sein, dass man sich selbst aufwertet, indem man jemanden anderes abwertet in dem Moment. Das kann manchmal aus einer Langeweile-Situation heraus entstehen. Das kann sein, dass ich mich vielleicht auch in meiner eigenen Arbeit bedroht fühle. Und ganz oft haben wir aber auch so ein Machtgefälle, dass sozusagen Macht ausgeübt wird durch das Mobbing eines anderen. Und es gibt auch Menschen, das muss man einfach mal sagen, die sind gerne böse. Und die haben eine Freude daran, andere zu traktieren.“
Welche Folgen hat Mobbing?
Mobbing löst bei vielen Betroffenen Wehr- oder Hilflosigkeit aus. Einige machen sich fälschlicherweise selbst dafür verantwortlich, dass sie gemobbt werden und suchen die Fehler bei sich.
Manche Menschen entwickeln Ängste vor der Arbeit, sie können nicht mehr schlafen, fühlen sich ständig erschöpft. Auch Depressionen oder ein Burnout können Folgen von Mobbing sein. „Schon nach sechs Monaten, wo man in dieser ausweglosen Situation ist, beginnen auch schon schwere Krankheitssymptome“, sagt die Pädagogin Brigitte Hansmeier-Hörning, die als Supervisorin, Mediatorin und Stresscoach in der Berliner Mobbingberatungsstelle von Verdi tätig ist.
Darüber hinaus hat Mobbing auch betriebswirtschaftliche und volkswirtschaftliche Folgen. Genaue Zahlen liegen nicht vor. Aber allein die volkswirtschaftlichen Kosten belaufen sich nach Schätzungen des Deutschen Gewerkschaftsbundes von 2010 auf 15 bis 25 Milliarden Euro pro Jahr.
Wie kann man sich gegen Mobbing wehren?
Menschen, die unter Mobbing leiden, sollten sich Unterstützung holen, da sich die Situation von allein in der Regel nicht auflöst. Sie können Kollegen oder Vorgesetzte ins Vertrauen ziehen und sich an den Betriebsrat wenden. Paragraf 104 des Betriebsverfassungsgesetzes ermöglicht Betriebsräten prinzipiell, rechtlich gegen Mobber vorzugehen und deren Entlassung oder Versetzung gerichtlich durchzusetzen. Allerdings dauert so ein Prozess oft Monate und der Ausgang ist ungewiss: Dem Mobber muss nachgewiesen werden, dass er „den Betriebsfrieden wiederholt ernstlich gestört“ hat.
Auch ohne Betriebsrat ist es grundsätzlich möglich, gegen Mobber vor Gericht zu ziehen. Ein Anti-Mobbing-Gesetz gibt es in Deutschland allerdings nicht. Die Fachanwältin für Arbeitsrecht Miruna Xenocrat empfiehlt ein Mobbing-Tagebuch zu führen. Betroffene sollten darin alle Vorfälle haargenau vermerken. „Es muss einfach so eindrücklich wie möglich geschildert werden, damit der Richter sich wirklich ein Bild machen kann“, sagt die Anwältin. Es müsse eine Systematik hinter den Anfeindungen zu erkennen sein.
Außerhalb des Betriebs können Freunde und Familie Betroffenen eine Stütze sein. Außerdem gibt es deutschlandweit Mobbing- und Konfliktberatungsstellen für Betroffene. Gewerkschaften, Kirchen, Verbände, Krankenkassen und freie Träger bieten persönliche Beratungen an und können Betroffenen Perspektiven aufzeigen.















