Mithu Sanyal über Recht auf Abtreibung

"Mein Körper gehört dem Staat"

08:38 Minuten
Die Autorin Mithu Sanyal blickt vor einem Bücherregal in die Kamera.
In Deutschland wird zu wenig über Abtreibung geredet, meint die Kulturwissenschaftlerin Mithu Sanyal. © Regentaucher
Moderation: Vladimir Balzer · 05.04.2021
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In der Debatte über Abtreibung plädiert die Journalistin Mithu Sanyal dafür, Bürgerinnen und Bürgern mehr Selbstverantwortung zuzutrauen. Auch sollten Schwangerschaftsabbrüche öfter thematisiert werden - in der Gesellschaft und im Medizinstudium.
Vor 50 Jahren erschien im französischen Magazin "Le Nouvel Observateur" das "Manifeste des 343" - 343 Frauen bekannten sich darin, abgetrieben zu haben. Den Text dazu hatte die französische Schriftstellerin und Feministin Simone de Beauvoir verfasst.
Auch heute noch ist das Recht auf Abtreibung umstritten: Arztpraxen dürfen keine Werbung für den Eingriff machen, der Schwangerschaftsabbruch ist nur in engen Grenzen erlaubt.

Eingriffe sicher machen

Die Autorin Mithu Sanyal plädiert für mehr Vertrauen auf Seiten der Politik: "Traut euren Bürgern und Bürgerinnen einfach Selbstverantwortung zu, und im Notfall unterstützt sie bei Selbstverantwortung und zwingt sie nicht zu etwas."
Zwar habe es global gesehen manchen Fortschritt gegeben, so wurde in Argentinien, einem streng katholischen Land, der Schwangerschaftsabbruch legalisiert. Aber: "De facto gehört mein Körper, das merkt man an einem Gesetz wie dem Paragraf 218 in Deutschland, dem Staat."
Die Zahl der Kliniken in Deutschland, die Abtreibungen vornehmen, habe sich in den vergangenen zehn Jahren* halbiert und im Medizinstudium werde der Eingriff nicht unterrichtet. "Wenn wir über den Schutz des Lebens reden, da müssten wir gerade solche Eingriffe wirklich sicher machen", sagt Sanyal.

Ein bestimmtes Familienbild wird verteidigt

Die Diskussion hat auch Auswirkungen auf andere Bereiche der Gesellschaft, meint die 49-Jährige: "Wir merken an den reproduktiven Rechten zum Beispiel, dass da ganz klar ein bestimmtes Bild von Familie und Elternschaft verteidigt wird." So werde an vielen Punkten versucht, Menschen passend zu machen.
Die gesamtgesellschaftliche Diskussion über diese Themen müsse mehr in Gang kommen, fordert Sanyal: "Wir reden in Deutschland nach wie vor noch nicht miteinander darüber."
(beb)

*Redaktioneller Hinweis: Wir haben eine Zeitangabe korrigiert.
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