Menschenrechte im Libanon

Wo Hausangestellte wie Sklaven gehalten werden

|Philippinische Hausmädchen in Hongkong.
Filipina verdingen sich in vielen asiatischen Ländern als Hausmädchen. Oft werden sie wie Sklavinnen behandelt (das Foto zeigt Frauen in Hongkong). © picture alliance/dpa/Imaginechina
Von Moritz Behrendt · 19.11.2018
Für ausländische Hausangestellte gilt im Libanon kein Arbeitsrecht. Ihnen werden meist die Pässe abgenommen, anschließend werden sie zu Sklavenarbeit gezwungen. Nicht jede überlebt das. Yabrek hat es geschafft, nun kämpft sie für die Rechte anderer.
Hoffentlich muss ich nicht weinen, sagt Yabrek. Sie ist nervös. Gleich soll sie sprechen – vor Akademikern und politischen Aktivisten. Es geht um ausländische Hausangestellte im Libanon – um Misshandlung, fehlende Rechte und Verzweiflung. Es ist auch Yabreks Geschichte:
"Als junges Mädchen, ich war gerade erst in den Libanon gekommen, wurde ich geschlagen. Ich stand einfach nur da und habe mir in die Hose gemacht. Beim zweiten Mal war es das gleiche, beim dritten Mal auch."
18 Jahre alt war sie, als sie das erste Mal zum Arbeiten nach Beirut kam. Aus der Provinz Iloilo rund 500 Kilometer südlich von Manila. 22 Jahre ist das her. Sie wusste damals nicht, was sie erwartet:
"Ich wusste noch nichts über Aktivismus, über Menschenrechte, heute ist das anders, heute kann ich mich wehren."
Bei ihrem vierten Arbeitgeber im Libanon warf ihr die Hausherrin vor, 10.000 US-Dollar gestohlen zu haben. Yabrek wurde abgeschoben. Doch sie kehrte zurück. Wegen der Armut in ihrer Heimat, sagt sie.

Zwölf Stunden am Tag, sechs Tage pro Woche

Im Libanon fallen Hausangestellte nicht unter das Arbeitsrecht. Im Prinzip ist vorgesehen, dass sich Hausherren vertraglich mit ihren Angestellten auf Vergütung und Arbeitszeiten einigen. Überprüft wird das jedoch kaum. So arbeiten viele der Hausangestellten mehr als zwölf Stunden an sechs Tagen in der Woche. Sie werden ausgebeutet, schikaniert, oft misshandelt. Um keine Probleme zu bekommen, will auch Yabrek ihren richtigen Namen nicht preisgeben:
"Ich will nicht abgeschoben werden. Dann könnte ich meinen beiden Kinder kein Geld mehr schicken. Das brauchen sie aber, um ihren Abschluss an der Universität zu machen."
Ihre beiden Söhne sind ihr großer Stolz. Wie sie aufgewachsen sind, konnte Yabrek fast nur aus der Ferne mitverfolgen: "Mein jüngerer Sohn war neun Monate alt, als ich weggegangen bin. Sie sind eigentlich ohne Mutter aufgewachsen. Mein Mann musste ihnen Vater und Mutter gleichzeitig sein. Ich muss ständig an meine Kinder denken, das tut sehr sehr weh."

Arbeitgeber behält Papiere der Hausangestellten ein

Kurz vor ihrem Vortrag streift sich Yabrek ein weißes T-Shirt über – auf dem Rücken steht: "Kafala is slavery" – Kafala ist Sklaverei. Nach dem Kafala-System im Libanon behält der Arbeitgeber den Pass der Hausangestellten für die Dauer des Vertrags. Willkür und Übergriffen sind so Tür und Tor geöffnet. Vorne auf Yabreks-T-Shirt steht in blauer Schrift "C189".
Yabrek kramt in ihren Papieren, dabei weiß sie ganz genau, was in der Konvention 189 der Internationalen Arbeitsorganisation steht , dem Übereinkommen über menschenwürdige Arbeit für Hausangestellte:
"Tägliche Ruhezeiten, Mindestlohn, ärztliche Hilfe, Mutterschutz, ein eigener Raum für die Privatsphäre, die Möglichkeit, einmal im Monat die Familie anrufen zu können, die pünktliche Lohnzahlung, Vergütung von Überstunden, all das steht in der Konvention."

Jede Woche bringen sich Hausangestellte um

Wie alle anderen arabischen Staaten hat der Libanon die Konvention aus dem Jahr 2011 nicht ratifiziert. Was das für die mehr als 150.000 ausländischen Hausangestellten bedeutet – das erzählt Yabrek jetzt den Zuhörern.
Ihr Vortrag: eine Mischung aus ihrer persönlichen Geschichte und einem Manifest. Anfangs stockt ihr dabei noch manchmal die Stimme: "Jeden Monat sterben Frauen, jede Woche – einige bringen sich um, weil sie das Leben in Beirut nicht mehr ertragen. Manche versuchen von übergriffigen Arbeitgebern wegzulaufen und der einzige Weg nach draußen ist der aus dem Fenster. Wie schlimm muss die Situation sein, bevor man riskiert, vom Balkon zu springen?"
Yabrek zeigt Bilder von misshandelten Frauen und verweist auf die Internetseite thisislebanon.org, die die Missbrauchsfälle dokumentiert. Je länger sie spricht, desto fester und klarer wird ihre Stimme. Jetzt ist sie: Yabrek – die Kämpferin.

Allianz für ausländische Hausangestellte

Die 40-Jährige hat in Beirut eine Allianz für ausländische Hausangestellte gegründet – auch wenn das nach libanesischem Gesetz verboten ist. Die Gruppe trägt den Protest auf die Straße, dient als Ansprechpartner für Frauen, die Hilfe brauchen.
Und auch im Alltag hat Yabrek gelernt, sich zu wehren. Vor kurzem, erzählt sie, war sie unterwegs zur Geburtstagsfeier einer Freundin, sie wollte chinesische Nudeln mitbringen. Im Sammeltaxi begann der Fahrer, sie anzufassen. Daraufhin kippte sie ihm die Nudeln ins Gesicht und stieg aus.
"Als ich bei meiner Freundin angekommen bin, wurde ich gleich gefragt: 'Wo sind die Nudeln?' Da habe ich gesagt: 'Der Fahrer hat alles aufgegessen.'"
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