Medienwissenschaftler befürchtet Boulevardmonopol durch Springer

Moderation: Dieter Kassel |
Der Medienwissenschaftler Horst Röper befürchtet, dass eine Übernahme der ProSieben/SAT.1-Media AG durch den Springer-Konzern die Vormachtstellung der "Bild"-Zeitung im Boulevardbereich verstärken könnte. Zudem sei möglich, dass der von der "Bild"-Zeitung her bekannte Kampagnenjournalismus im Privatfernsehen Einzug hält.
Dieter Kassel: Am Telefon begrüße ich jetzt Horst Röper, er ist Medienwissenschaftler am Dortmunder Formatt-Institut. Wenn die Übernahme klappt, die Übernahme durch Springer, werden dann bald Sat.1, Pro7 und Co. die Fernsehprogramme zur BILD-Zeitung sein?

Horst Röper: Na auf jeden Fall sind sie dann in derselben Verfügungsgewalt. Aber sie sind natürlich nicht vergleichbar mit BILD, obwohl auch beide Fernsehprogramme Boulevardmagazine ausstrahlen, und das täglich. Aber dennoch haben sie natürlich ein etwas breiteres Spektrum als die BILD-Zeitung. Also insofern ist es sicherlich nicht gleich, aber vielleicht ähnlich.

Kassel: Droht da so eine Art Boulevardmonopol, dass wirklich nur noch Springer beschließt, was im bunten Bereich passiert?

Röper: Genau das befürchtet ja das Bundeskartellamt. Dass eben die Marktstellung der ohnehin in Deutschland sehr dominanten BILD-Zeitung, die ja immer noch knapp vier Millionen Auflage aufweist, nun über die beiden Programme noch verstärkt werden könnte, sowohl im Lesermarkt als auch im Anzeigenmarkt - und deswegen im Moment eben die Abmahnung der Kartellrichter.

Kassel: Nun sagen die Kartellrichter ja auch noch was Interessantes, was den großen Konkurrenten im Fernsehmarkt angeht, nämlich die Bertelsmann-RTL-Gruppe: Die Kartellwächter haben ja Bedenken, gerade weil dann Springer mit seinen Fernsehsendern aufschließen würde zu Bertelsmann. Das ist natürlich ein bisschen missverständlich. Wäre das nicht sogar ein fairer Deal, wenn es zwei gleich große Player im privaten Fernsehen gibt?

Röper: Ja, in der Tat ist das, denke ich, missverständlich, denn diese so genannten symmetrischen Konzerne, das stellt auch allenfalls ein Hilfsargument dar. Natürlich geht es dem Bundeskartellamt darum, gegenüber dem marktdominanten Konzern Bertelsmann ähnlich starke Wettbewerber in Deutschland zu etablieren. Und deswegen müsste man zunächst einmal froh sein. Nur weil Springer jetzt eben auch Fernsehen anbietet, kann man nicht gleich eine solche Symmetrie unterstellen, die ja bedeuten würde, dass die beiden Konzerne sich eben kaum noch Konkurrenz machten, weil immer dann, wenn der eine auf dem einen Markt aktiv wird, der andere vielleicht auf dem anderen Markt aktiv wird und das sich dann eben für beide Konzerne nicht mehr lohnte.

Kassel: Das heißt, Sie rechnen nicht damit, wenn Springer wirklich die Pro7-Sat1-Sender kriegt, dass dann die Konkurrenz sogar schärfer wird, weil beide mit den gleichen Waffen kämpfen können?

Röper: Nein. Ich glaube, im Fernsehmarkt haben wir ja auch heute schon einen doch sehr ausgeprägten Wettbewerb. Zum einen gibt es eben die RTL-Gruppe, die heute zu Bertelsmann gehört, die Pro7-Gruppe als Gegenstück im Privatfernsehen und daneben natürlich auch die öffentlich-rechtlichen Sender. Also das insgesamt macht schon im Fernsehbereich einen sehr wettbewerbsintensiven Markt aus. Die Schwierigkeiten liegen eher im Printbereich. Da haben wir eben hochgradig monopolisierte oder zumindest wettbewerbsarme Märkte. Und da setzt ja nun auch das Kartellamt an. Und natürlich geht es vor allem eben um die BILD-Zeitung mit ihrer nun wirklich in der Bundesrepublik herausragenden Marktstellung.

Kassel: Horst Röper, Medienwissenschaftler, Sie haben jetzt über den Boulevard am Anfang unseres Gesprächs geredet. Privatfernsehsender sind ja zumindest auf den ersten Blick relativ unpolitische Medien. Würden Sie denn damit rechnen, wenn Springer Pro7-Sat1 übernimmt, dass diese Fernsehsender dann auch eine eindeutige politische Ausrichtung bekommen?

Röper: Das könnte natürlich schon sein. Denn Springer war schon immer ein politisches Haus und ist das auch geblieben. Man spricht zwar heute viel von der Chefredakteursfreiheit, aber im Zweifel kann man dann doch immer wieder erkennen, bei wesentlichen politischen Entscheidungen oder bei Entscheidungen, die vom Haus für wesentlich gehalten werden, dass plötzlich alle Medien im Springer-Konzern eine Meinung transportieren, eine Sichtweise haben. Also insofern muss man schon mit so einer Gleichschaltung rechnen, wenngleich Sie natürlich Recht haben: Politik spielt im Privatfernsehen eben nicht die große Rolle.

Kassel: Macht aber auch das Privatfernsehen ja mal das Kanzlerinterview oder Ähnliches, würden Sie damit rechnen, dass dann dieser Kampagnenjournalismus, den man gerade von der BILD her kennt, aber auch von anderen Springer-Medien, dass der dann auch im Fernsehen Einzug hält?

Röper: Auch diese Gefahr besteht natürlich deutlich. Wir erinnern uns ja, Sie sprechen die Kanzlerinterviews an. Es hat ja früher bei Sat.1 einmal ein Format gegeben "Zur Sache Kanzler" mit Helmut Kohl. Das war nun wirklich nicht der Journalismus, den wir uns nicht nur im Fernsehen, sondern auch ansonsten wünschen. Also hier wurden schon klare politische Prämissen deutlich. Und das drohte uns natürlich durchaus, wenn Springer nun beim Privatfernsehen den Durchgriff hat.

Kassel: Man fragt sich auch: Was könnte so etwas für die Kreativität im Privatfernsehen bedeuten? Man muss sich mal vorstellen, was das für Produktionsfirmen bedeutet, die überwiegend für Privatsender arbeiten. Die hätten dann streng genommen nur noch zwei mögliche Auftraggeber. Könnte auch das ein Problem sein?

Röper: Auch das ist richtig. Und es kommen natürlich bei den Produktionsfirmen auch die öffentlich-rechtlichen Sender als Auftraggeber noch hinzu. Aber die privaten Sender sind inzwischen als Auftraggeber gewichtiger. Auch hier würde sich der Markt deutlich verjüngen und die Marktstellung der ohnehin schwachen Produzenten in der Bundesrepublik, denen es ja so ganz gut nicht geht, wäre noch schlechter. Das ist ganz klar. Eine Sendergruppe kann natürlich im Zweifel bessere Konditionen aushandeln als das ein kleiner Sender könnte.

Kassel: Nun gibt es ja alle möglichen Gerüchte. Man fragt sich teilweise: Was hat Springer alles vor? Es gab das Gerücht, dass Stefan Aust, der Chefredakteur des "Spiegels", zu Springer wechseln will. Medienexperten haben da gesagt: Wenn er das wirklich tun sollte, den "Spiegel" als Zeitschrift wird er nicht mitnehmen können, aber möglicherweise "Spiegel TV". Sieht man da ein riesiges Gesamtkonzept von Springer, was die jetzt vorhaben?

Röper: Nein, das kann man in der Tat noch nicht erkennen. Und das wird der Konzern natürlich auch nicht zu erkennen geben. Denn alles, was man jetzt schon äußern würde, könnte ja das Bundeskartellamt wiederum alarmieren, wäre womöglich Munition für deren Sichtweise, nämlich für die Ablehnung. Also derzeit lässt sich Springer da überhaupt nicht in die Karten schauen, weder was man auf dem Personalsektor für nötig erachtet und an Änderungen anstrebt noch was man inhaltlich bei den Programmen ändern wird. Also da, denke ich, werden wir auch nichts zu hören und erfahren, bevor nicht Vollzug gemeldet werden kann.

Kassel: Eins wird man ja bis zum 8. Dezember erfahren müssen: Bis zum 8. Dezember hat Springer jetzt Zeit, dem Bundeskartellamt zu erklären, warum das durchaus passieren sollte, diese Übernahme. Was glauben Sie denn? Was für Argumente wird denn Springer finden?

Röper: Nun, zunächst einmal geht es darum, die wenigen Kontakte zu beseitigen, die derzeitig Springer und Bertelsmann haben. Das Bundeskartellamt moniert ja, dass die beiden Großkonzerne - demnächst eben Wettbewerber womöglich im Privatfernsehen - gleichgerichtete Interessen bei einzelnen Unternehmen haben. Das gilt im Druckbereich und das gilt aber auch zum Teil im Hörfunkbereich. Also hier wird es Springer sicherlich leicht fallen dann solche Beteiligungen abzustoßen, eben zu verkaufen - füllt sogar die Kasse, macht Sinn.

Schwierig ist die Situation gleichwohl eben in Bezug auf die BILD-Zeitung. Diese Marktdominanz, die kann Springer natürlich nicht beseitigen. Und Springer wird auch sicherlich nicht die BILD-Zeitung veräußern wollen, denn die BILD-Zeitung allein schon, erst recht dann in der Gruppe mit den übrigen BILD-Titeln, aber allein schon ist eben die "Cashcow" des Konzerns. Damit wird das Geld verdient, mit dem der Konzern eben in den letzten Jahrzehnten so enorm gewachsen ist. Also auf BILD kann man nicht verzichten.

Wenn für die Richter die Markstellung der BILD-Zeitung das Anknüpfungskriterium bleibt, dann wird es sicherlich sehr schwierig für den Konzern. Aber man kann ja auch gegen das Veto des Bundeskartellamtes noch gerichtlich vorgehen. Und letztlich eben auch über eine Sondergenehmigung, über eine Ministererlaubnis, über eben den neuen Wirtschaftsminister Glos.

Kassel: Kurz zum Schluss: Wenn das tatsächlich passiert, wenn sich erst mal das Bundeskartellamt durchsetzt, Sie haben ja gesagt, dann gibt es diverse Möglichkeiten. Andererseits Haim Saban, der jetzige Mehrheitseigner der Pro7-Sat1-Gruppe, will ja verkaufen, der will Geld, der hat es eilig. Wenn Springer nicht darf, was wird dann passieren mit der Gruppe? Wird Saban an jemand anders verkaufen?

Röper: Durchaus denkbar. Denn wenn Springer tatsächlich den Gerichtsweg einschlägt, dann dauert das möglicherweise Jahre. Ob Saban so viel Geduld haben wird, bleibt offen. Also, es ist durchaus vorstellbar, dass der Deal dann auch aus diesen pragmatischen Gründen platzt - gar nicht so sehr aus medienrechtlichen oder kartellrechtlichen, sondern dass eben die Verkäufer die Geduld verlieren, und insofern Springer dann doch aus dem Spiel ist.
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