Medienrechtler zu gescheitertem Eilantrag

Sender haben Nachteile nicht kommuniziert

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Symbolbild Rundfunkbeitrag - Ein Stempel mit dem Schriftzug Rundfunkbeitrag steht auf einer Fläche, die mit diversen Euro-Banknoten bedeckt ist.
Eine von den öffentlich-rechtlichen Anstalten erhoffte Erhöhung des Rundfunkbeitrags zum 1.1.2021 wird es definitiv nicht geben. © imago-images / Steinach
Bernd Holznagel im Gespräch mit Vladimir Balzer  · 22.12.2020
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Das Bundesverfassungsgericht hat die Eilanträge der Öffentlich-Rechtlichen zum Rundfunkbeitrag abgelehnt. Die Sender hätten nicht ausreichend dargelegt, dass bei einer Nichterhöhung es zu Programmeinschnitten kommen wird, sagt der Jurist Bernd Holznagel.
Vladimir Balzer: Den Öffentlich-Rechtlichen, also auch uns, bleibt die erste Beitragserhöhung seit elf Jahren zunächst verwehrt: Das Bundesverfassungsgericht hat einen Eilantrag gegen die Blockade von Sachsen-Anhalt abgelehnt, aber das eigentliche Hauptverfahren wird noch geführt, das kann also noch dauern.
Die Sender hatten damit argumentiert, dass diese Blockade ein Eingriff in die Rundfunkfreiheit sei.
Eins ist jedenfalls klar: Die Gebühren, besser gesagt: der Beitrag, werden von einer unabhängigen, strengen Kommission festgelegt, der KEF. Dem Deutschlandradio werden – wenn es dabei bleibt – in vier Jahren 66 Millionen Euro fehlen.
Bernd Holznagel ist Staats- und Verwaltungsrechtler an der Universität Münster. Er war auch Gutachter für Landesparlamente bei diesem Thema. Herr Holznagel, was halten sie von diesem Beschluss?
Bernd Holznagel: Das ist ein einstweiliges Verfahren gewesen. Und in diesem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes wird ja nur geschaut, ob die Nachteile irreversibel sind bis zum Hauptsacheverfahren.

"Nicht hinreichend Butter bei die Fische"

Balzer: Das heißt aber im Klartext, dass ab 1. Januar der Beitrag nicht steigen kann. Und die öffentlich-rechtlichen Anstalten haben jetzt schon tatsächlich Einschnitte angekündigt. Also da könnte man jetzt nach Karlsruhe rufen: Die Einschnitte sind da!
Holznagel: Ja, es ist aber eben im Prozess nicht hinreichend Butter bei die Fische gegeben worden. Also diese konkreten Verschlechterungen im Programm, so steht es in diesem Beschluss, sind eben nicht vorgetragen worden von den Anstalten. Es gibt eine Ausnahme, wo man das nicht machen muss, nämlich, wenn im Hauptsacheverfahren die Sache sozusagen evident für einen ausgeht, also wenn es sozusagen evident verfassungswidrig wäre. Jetzt nimmt das aber offenbar das Gericht nicht an.
Und da muss man ja eben bedenken, dass in Sachsen-Anhalt quasi in der letzten Minute noch das Argument eingeführt worden ist, dass die Berechnungen der KEF möglicherweise doch noch korrigiert werden müssen wegen der Corona-Krise. Und ich vermute mal, dass diese Dinge dann im Hauptsacheverfahren doch noch zu erörtern sind aus Sicht von Karlsruhe.
Balzer: Jetzt schauen natürlich die Öffentlich-Rechtlichen auf das Hauptsacheverfahren, was vermutlich lange dauern wird. Und das braucht seine Zeit ...
Holznagel: Nein, das ist nicht raus! In dem Beschluss steht dazu nichts drin. Das kann in wenigen Monaten erfolgen…

"Da ist sozusagen noch genug Fleisch bei den Anstalten"

Balzer: Dennoch argumentieren die Öffentlich-Rechtlichen, dass sie dadurch, dass eben die geplante Erhöhung des Beitrags im 1. Januar nicht möglich ist, schon einsparen müssen, könnte man so argumentieren, dass da schon Einsparungen getätigt werden, die vielleicht schon in die Substanz eingreifen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und damit auch die Rundfunkfreiheit, zumindest die Ressourcen, um die Rundfunkfreiheit überhaupt realisieren zu können, einschränken?
Holznagel: Jetzt im Eilverfahren ging es ja eben darum, ob irreversible schwere Nachteile für die Anstalten zu verzeichnen sind bis zum Zeitpunkt des Hauptsacheverfahrens. Also wenn wir jetzt mal uns vorstellen, das Hauptsacheverfahren wird jetzt in einem Jahr entschieden, dann würde man schauen: Sind diese Nachteile für die Anstalten nicht hinnehmbar?
Und da hat das Gericht quasi argumentiert: Da ist noch genug Fleisch sozusagen bei den Anstalten. Es ist nicht vorgetragen worden, dass man eben programmlich schon jetzt etwas zusammenstreichen muss. Das ist aber genau das, was das Gericht gefordert hat, dass man dazu was sagt.
Balzer: Also angenommen, im Hauptsacheverfahren gebe es eine Entscheidung, die sagt, die Blockade von Sachsen-Anhalt war verfassungswidrig, würde dann die geplante Beitragserhöhung dann doch stattfinden?
Holznagel: Nehmen wir mal an, das Verfassungsgericht würde, würde sagen dieser Beitrag muss in dieser Höhe jetzt anfallen. Der wird als Beitrag fixiert. Nehmen wir das mal an. Dann ist es in jedem Fall so, dass nicht mehr das nachgezahlt werden muss, was quasi indem Jahr verloren gegangen, sondern man guckt immer in die Zukunft.

Bundesverfassungsgericht hatte Lösungen aufgezeigt

Balzer: Was glauben Sie, wie könnte dieses Hauptverfahrens ausgehen?
Holznagel: Dass das Bundesverfassungsgericht diesen Anspruch auf verfassungsgemäße Finanzierung der Anstalten bestätigt und unter anderem so vielleicht eine Entscheidung fällt, dass es sagt, die Länder müssen verfassungsgemäße Zustände herstellen. Es muss sichergestellt werden, dass hier dieser Anspruch gewährleistet wird und dann möglicherweise Optionen aufzeigt, wie dies geschehen kann.
In den Gebührenurteilen I und II sind da drei Möglichkeiten benannt worden. Als Erstes kann man die Rundfunkgebühr indexieren, dann steigt nach der jeweiligen Kostensteigerung der Beitrag.
Zweitens kann man, wie wir Juristen sagen, dass im Wege der Rechtsverordnung auch beschließen. Dann würde es ausreichen, dass die Ministerpräsidenten zustimmen zu dem ausgehandelten Ergebnis zwischen den Ländern und dem Vorschlag, der hier von der KEF unterbreitet wurde. Also man nimmt da quasi das Parlament raus, das haben ja sogar einzelne Bundesländer jetzt vorgeschlagen.
Und die dritte Option, die das Gericht schon angedeutet hat, ist einfach eine Mehrheitsentscheidung zwischen den Ländern. Denn diese Vetoposition, die jetzt in Sachsen-Anhalt entstanden ist, die ist erstens schon häufiger entstanden beim Aushandeln von Staatsverträgen zwischen den Ländern. Und zweitens hat das Gericht das auch in seiner Weisheit schon gesehen und hat in den beiden Urteilen diese Lösungsoption, die ich eben benannt habe, schon angedeutet.

Zum Thema sprachen wir außerdem mit dem Journalisten Stephan Detjen. Der Chefkorrespondent des Deutschlandradios im Haupstadtstudio Berlin rechnet fest mit einer Entscheidung im Laufe des kommenden Jahres. Die Ablehnung der Eilanträge stelle keine endgültige Entscheidung zur Erhöhung des Rundfunkbeitrags dar. Hören Sie hier unser Interview:
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