Mauricio Kagel im TAM / Theater am Marienplatz, Krefeld

Kagel-Salon

Von Hubert Steins · 03.01.2019
Freitagabend 22 Uhr, um diese Zeit kommen nur die, die sich wirklich interessieren. So hat‘s Pit Therre einmal gesagt. 1939 in Holland geboren, ist er Initiator und Hausherr des Theaters am Marienplatz, dem Laientheater in Krefeld: klein mit exzellentem Ruf.
Seit über 40 Jahren steht die Musik von Mauricio Kagel auf dem Programm des TAM, nicht nur weil Hausleiter Pit Therre und sein Ensemble dem Komponisten zu Lebzeiten freundschaftlich verbunden waren. Für sie waren seine Stücke auch inhaltlich zentral und so war es für die Theater-Enthusiasten vom Niederrhein eine Selbstverständlichkeit, Kagel anlässlich des zehnten Todestages zu ehren.

Fest für Kagel

Das TAM tat dies in der Spielzeit 2017/2018 mit gleich neun verschiedenen Programmen. Zwei davon haben wir für das Radio aufgezeichnet: "Da capo ja, aber immer anders" und eine Zusammenstellung unterschiedlicher Kagel-Stücke, die das TAM unter dem Titel "Kagel Salon" zusammengefasst hatte.
Kunstausstellung Piss In Der argentinisch deutsche Komponist und Regisseur Mauricio Kagel im Jahr 1970
Der argentinisch deutsche Komponist und Regisseur Mauricio Kagel im Jahr 1970 © imago
Denn das Besondere dieser Truppe ist nicht nur das Repertoire, die literarische, musikalische und vor allem musiktheatralische Avantgarde von Moderne bis Gegenwart, sondern auch die ambitionierte Kunstauffassung, die Therre maßgeblich kultiviert. Stücke von Autoren wie Samuel Beckett, John Cage, Kurt Schwitters, Mauricio Kagel und Gerhard Rühm stehen für eine anti-illusionistische Ästhetik, die mit Repräsentation nichts, dafür viel mit Emanzipation zu tun hat.

Ein Argentinier am Niederrhein

»Der interessanteste Komponist Europas ist ein Argentinier«, hatte John Cage in den 60er Jahren über Mauricio Kagel gesagt. 1957, im Alter von 25 Jahren, war der in Buenos Aires geborene Musiker mit einem Stipendium des Deutschen Akademischen Austauschdienstes nach Deutschland gekommen und lebte seither in Köln, einer Stadt, die als das damalige Zentrum der musikalischen Nachkriegs-Avantgarde schlechthin den idealen Ort für eine ästhetische Auseinandersetzung darstellte.
Der Autor und Regisseur Mauricio Kagel im elektronischen Studio des WDR im Jahre 1960
Der Autor und Regisseur Mauricio Kagel im elektronischen Studio des WDR im Jahre 1960© WDR
Kagels Œuvre ist durchzogen von Stücken, die sich an der Theologie des Christentums abarbeiten. 1974 komponierte er "Die Erschöpfung der Welt", untertitelt mit "Szenische Illusion in einem Aufzug". Das rund zweistündige Werk, das unter der Regie des Komponisten 1980 in Stuttgart uraufgeführt wurde und fast einhundert Mitwirkende aus Oper, Schauspiel und Puppenspiel fordert, ist von der biblischen Schöpfungsgeschichte inspiriert. In elf Bildern entfaltete Kagel ein apokalyptisches Welttheater, in dem der Anfang und das Ende der Welt ineinander fallen.

Bewusste Inszenierung der Konzertsituation

Mauricio Kagels Werke ironisieren häufig die illusionistische Dimension der Kunst. Kagel tat dies sowohl als Komponist, Filmemacher und auch als Hörspielmacher. 1971 komponierte im Auftrag der Hamburgischen Staatsoper "Spielplan", ein groß angelegtes Stück, das die Bedingungen des Theaterbetriebs reflektiert und die Mittel der Bühne und des Podiums konterkariert.

Das Konzert ist das Konzert

Typisch für Kagels kompositorische Arbeit wurde die ironische Brechung beim Gebrauch traditioneller kompositorischer Mittel und die bewusste Inszenierung der Konzertsituation, die er als wichtigen Teil in die Komposition integrierte. Mit seinem Konzept des "instrumentalen Theaters" verwirklichte er einen neuen Ansatz eines zeitgenössischen Musiktheaters, mit dem er avancierteste Positionen besetzte. Denn "Theater" - so Kagel - "ist eben nicht nur das, was auf der Bühne stattfindet, es findet auch virtuell im Kopf statt".
Mauricio Kagel
"Unguis incarnatus est" (1972)
für Klavier und Bandoneon aus Programm

Alfred Pollmann, Klavier
Pit Therre Bandoneon

Mauricio Kagel
"Recitativarie" (1972)
für singenden Klavieristen aus "Programm"

Alfred Pollmann Klavier

Text aus "Die Erschöpfung der Welt"

Rezitation: Dieter Kaletta

Mauricio Kagel
"Pandorasbox" (1960)
für Bandoneon

Pit Therre, Bandoneon

Mauricio Kagel
"Debüt" aus: "Staatstheater" (1967/70)
dar.: 2 x 2 Soli für Stimme

Pit Therre und Alfred Pollmann, Stimme

Mauricio Kagel
"10 Märsche um den Sieg zu verfehlen" (1978/79)
in einer Bearbeitung für Klavier und Trompete von Pit Therre
dar.: zwei Märsche

Björn Kiehne, Trompete
Pit Therre, Klavier

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