Massenproteste in Hongkong

Der Frust sitzt tief

08:03 Minuten
Ein Demonstrant mit Megafon läuft durch eine Tränengaswolke.
Während der gewaltsamen Proteste in Hongkong setzte die Polizei Tränengas gegen die Demonstranten ein. © Getty Images / AsiaPac / Anthony Kwan
Stephan Ortmann im Gespräch mit Stephan Karkowsky · 02.07.2019
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Die gewaltsamen Proteste in Hongkong hätten ihn schockiert, sagt der Politologe Stephan Ortmann von der Hongkonger City Universität. Zugleich seien sie aber nachvollziehbar, weil die Regierung nicht auf die Forderungen der Demonstranten reagiere.
Am 1. Juli 1997 hatte Großbritannien seine Kronkolonie Hongkong an China zurückgegeben. Eigentlich stehen den Hongkongern laut Rückgabevertrag bis 2047 mehr Freiheiten zu als den Chinesen in der Volksrepublik. Doch immer mehr Hongkonger meinen, dass Peking schon jetzt ihre Rechte beschneidet.
Gegen den wachsenden Einfluss Chinas und gegen ein umstrittenes Auslieferungsgesetz hatten am Jahrestag der Rückgabe mehrere Hunderttausend Menschen protestiert. Einige Demonstranten stürmten das Parlamentsgebäude und schlugen Scheiben ein.

Regierung muss auf Proteste reagieren

Der Politikwissenschaftler Stephan Ortmann arbeitet an der City Universität Hongkong. Er betont, dass die Demonstration zunächst "ein friedlicher Massenprotest" gewesen sei. Die dann aufflammende Gewalt einiger Demonstranten habe ihn abgeschreckt, sei aber durchaus nachvollziehbar:
"Es hat mich schockiert, aber ich kann es verstehen, denn die Regierung tut nichts", sagte er im Deutschlandfunk Kultur. Sie sei "nicht bereit zu verstehen, was das Problem ist". Als mögliche Lösung des Konflikts nannnte Ortmann die Rücknahme des umstrittenen Gesetzes - oder den Rücktritt von Hongkongs Regierungschefin Carrie Lam.
Der Frust sitze tief bei den Demonstranten. Gerade die jungen Leute hätten das Gefühl, dass friedlicher Protest nichts nütze, da die Regierung überhaupt nicht reagiere.
Die Hongkonger Gesellschaft werde immer mehr gespalten, warnte der Experte. Chinas Machtübernahme sei ein langsamer Prozess, er sei aber indirekt spürbar, zum Beispiel an der Universität:
"Die Leute in den führenden Positionen sind pro-chinesisch, diejenigen, die etwas kritischer sind, haben Schwierigkeiten, eine Stelle zu behalten oder zu promovieren. Es ist noch relativ frei an der Uni, die Medien sind schon viel mehr unter Kontrolle."
Ortmann befürchtet, dass die Repression zunehmen wird, denn in der chinesischen Presse seien die Proteste als Gefahr für die Partei bezeichnet worden. Solche Proteste könne Chinas Staatschef Xi Jinping nicht zulassen, er werde deshalb stärkere Kontrolle über Hongkong ausüben.
(abu)
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