Markus Metz, Georg Seeßlen: "Blödmaschinen II"

Das Erfolgsgeheimnis der Rechtsextremen

Gelbes Buchcover mit schwarzer Typo: "Blödmaschinen II. Die Fabrikation der politischen Paranoia" von Markus Metz und Georg Seeßlen.
© Suhrkamp Verlag
Blödmaschinen II. Die Fabrikation der politischen ParanoiaSuhrkamp Verlag, Berlin 2025

348 Seiten

22,00 Euro

Von Enno Stahl |
Skandale, verbale Ausfälle, Korruption – rechtsextreme Parteien und ihre Protagonisten leisten sich weltweit Fettnäpfchen und unerhörte Debakel. Aber ihre Wähler stört das nicht. Markus Metz und Georg Seeßlen haben untersucht, woran das liegt.
Der Rechtsextremismus wird immer stärker und mit ihm die Wirkkraft eigenartig verblendeter Fantasiegeschichten, Fakes und Horrormärchen. Moritz Metz und Georg Seeßlen setzen sich in Fortsetzung eines früheren Kompendiums in „Blödmaschinen II. Die Fabrikation der politischen Paranoia“ mit den Prozessen und Prozeduren hinter dieser Entwicklung auseinander.
Die Ausgangsfrage Metz‘ und Seeßlens ist, warum rechte Erzählungen weltweit so wirkmächtig sind und wieso sich die liberalen Gesellschaften so schwertun, sie effektiv zu bekämpfen.
Wie kann es sein, dass rechte Parteien und ihre Protagonisten sich jeden Skandal leisten können, ohne dass es ihnen schadet? Dass ein verurteilter Straftäter amerikanischer Präsident werden kann? Dass Marine Le Pen, die vehement gegen die Korruption der anderen Parteien wetterte, jetzt selbst der Veruntreuung schuldig gesprochen wurde? Die Anhänger dieser Parteien kümmert das nicht.

Rechte auf dem Vormarsch

Kurzum: Die Rechten sind auf dem Vormarsch. Und niemand scheint etwas dagegen tun zu können oder zu wollen. Für Metz und Seeßlen hat die neoliberale Wirtschaftsordnung einen großen Anteil am Erstarken des Rechtsextremismus.
Die gesellschaftliche Balance sei dadurch hinfällig geworden. In der alten BRD etwa habe die soziale Marktwirtschaft den Kapitalismus politisch so eingehegt, „dass zumindest eine Mehrheit der in ihm Lebenden ‚etwas davon hat‘. Gesellschaft als Garant der Freiheit und der meritokratischen Verteilungsgerechtigkeit, aber auch als ‚gütige‘ Instanz zur Linderung persönlichen oder kollektiven Missgeschicks.
Mit dem Aufkommen des Neoliberalismus als Verschärfung des Kapitalismus und seiner sozialen Widersprüche (im Gegenzug für versprochene ‚Freiheiten‘ des Individuums) begannen sich diese Konsens-Formeln aufzulösen. Die Markwirtschaft trennte sich vom Sozialen, die Nation von der Arbeit, der American Way of Life von der Wirklichkeit, die Sozialpartnerschaft wurde aufgelöst, der Konsens brüchig.“

Neoliberalismus und Unsicherheit

Der Neoliberalismus, so Metz und Seeßlen, hat Freiheiten für Einzelne gebracht. Viele andere haben weniger profitiert und nur gesteigerte Unsicherheit erhalten. Aus ihrer Sicht hat die Gesellschaft den Kontakt mit ihnen abgebrochen. So haben diese Menschen nun auch kein Problem, mit der Gesellschaft und ihren habituellen Werten zu brechen.
In Deutschland wollen sie nichts mehr von der Vergangenheitsbewältigung hören. Oder der Menschlichkeit gegenüber Flüchtlingen. Oder vom Altruismus insgesamt, wenn doch die neoliberale Lehre den Egoismus predigt. Dies führt, so zeigen Metz und Seeßlen, zu einer Rückwendung zur Vergangenheit:

„Menschen denken, sprechen und handeln so, als hätte es keine Aufklärung, keine Moderne, keine Demokratien, keine kulturellen Liberalisierungen gegeben. (…) Wie das trotzige Kind vor dem mahnenden Lehrer will man sich ‚nichts mehr sagen lassen‘.“

Rechte Ideologie als Religionsersatz

„Die rechte Erzählung (…) verbindet auf eine unvergleichliche Weise zwei gegenläufige Impulse: Sie ‚erklärt‘, legitimiert und belohnt soziophobes und soziopathisches Verhalten und Denken, und sie verspricht einen Ausweg, eine Lösung, eine Alternative dazu.“
Diesen Erlösungscharakter der rechten Ideologie dokumentieren und analysieren die beiden Autoren auf verschiedenen Ebenen. Im ersten Kapitel des Hauptteils befassen sie sich mit der psychosozialen Verfassung der Rechten. Im zweiten Kapitel erläutern sie, inwiefern die rechte Ideologie zu einem Religionsersatz geworden ist.
Das, was rechtsextreme Demagogen behaupten, lässt sich nicht belegen. Doch das müssen sie auch nicht, denn die Behauptung avanciert zur Sache des Glaubens. Wenn man überzeugt davon ist, dass Hillary Clinton und ihr Clan in den Kellern einer Pizzeria kleine Kinder schlachten, braucht man keine Beweise.
Im dritten Kapitel des Buches skizzieren Metz und Seeßlen die „Große Erzählung der Rechten“, die all die fixen Ideen und Lügengebilde zwischen angeblicher sogenannter „Umvolkung“ und anderen Verschwörungsfantasien in einer scheinlogischen Ordnung zusammenhält.

Wie rechte Denkmaschinen funktionieren

Metz und Seeßlen gehen dabei sehr systematisch vor: In einem Prolog wird in das Thema eingeführt. Jedes der drei genannten Kapitel des Hauptteils wird mit einer Vorfelddiskussion unter dem Titel „Was wir wissen wollen“ eingeleitet. Abgeschlossen wird jedes Kapitel wiederum mit einer Zusammenfassung der Thesen und Ergebnisse unter der Überschrift: „Was wir wissen können“. Am Ende steht ein Epilog, der noch einmal einen Gesamtüberblick über das kritische Vorgehen gibt. Das ist sehr übersichtlich gestaltet.
Wenn das Reflexionsniveau auch nicht unbedingt immer das allerhöchste ist und die Autoren mitunter in Polemik abgleiten, bietet das Buch insgesamt doch einen guten Einblick in die Funktionsweise der rechten Denk- und Propagandamaschinen. Ernüchternd allerdings ist das finale Resümee der beiden:

„Wir glauben, rundheraus gesagt, nicht daran, dass die Demokratie, die liberale Gesellschaft, ihre Kultur, Ökonomie und Wissenschaft in ihrem derzeitigen Zustand der Bewegung nach rechts, in Anti-Demokratie, Anti-Liberalismus und Anti-Humanismus, ernsthaften und entscheidenden Widerstand entgegensetzen kann und will. Auf keiner Ebene scheint es einen wirklich entschlossenen Widerstand zu geben.“

Buch zeigt keine Lösungen auf

Das ist ein Eindruck, der sich tatsächlich aufdrängt. Umso mehr hätte man von Metz und Seeßlen erwartet, dass sie am Ende ihrer ausführlichen Recherche Hinweise geben, wie man dieser Macht von rechts produktiv begegnen könne.
Hier aber bleiben die Autoren mehr als vage, sprechen sehr allgemein von einem Umbau des neoliberalen Kapitalismus mit „Mitmenschlichkeit“ als neuem Zentralwert. Da hätte man sich mehr erhofft. So endet das Buch in einem düsteren Fatalismus, der sicher nicht dabei helfen wird, die Demokratie zu retten.

Das Autorenduo Markus Metz und Georg Seeßlen hat schon mehr als ein Dutzend gemeinsame Theoriebücher vorgelegt. Markus Metz ist vornehmlich Radiojournalist, u.a. auch für Deutschlandradio, Georg Seeßlen hat sich als Filmkritiker für Printmedien einen Namen gemacht und ist als Autor ebenfalls für Deutschlandradio tätig.

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