Marc-Uwe Kling: "Der Tag, an dem Papa ein heikles Gespräch führen wollte"

Achtung: Sex!

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Das Cover von Marc-Uwe Klings Buch "Der Tag, an dem Papa ein heikles Gespräch führen wollte" auf orange-weißem Hintergrund.
Marc-Uwe Klings „Der Tag, an dem Papa ein heikles Gespräch führen wollte“ zu lesen, kann womöglich peinliche Situationen ersparen. Und Spaß macht es auch, findet Kim Kindermann. © Deutschlandradio / Carlsen
Von Kim Kindermann · 04.05.2021
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Oma hat das Internet kaputt gemacht und Opa den Wasserkocher auf den Herd gestellt. Papa will die 17-jährige Tochter aufklären – und scheitert fulminant! Ganz anders Kling, dem ein grandioses Buch über die Fallstricke der Sexualaufklärung gelungen ist.
Ein romantisches Wochenende steht an: Nicht nur für Mama und Papa, sondern auch für Luisa und ihren Freund Justin. Das wiederum macht die Eltern nervös, denn die beiden Jugendlichen sind 17 Jahre jung und wollen das Wochenende allein im Zelt verbringen.
Daher will Papa ein – wie er selbst es nennt – heikles Gespräch mit beiden führen. Dieses Gespräch ist ihm aber selbst so unangenehm – noch unangenehmer als seiner Tochter, die sich in Grund und Boden schämt für den peinlichen Auftritt ihres Vaters –, dass er zunächst mal gar nichts sagt. "Sehr lange nichts", wie es in dem neuen, sehr lustigen Kinderbuch von Marc-Uwe Kling heißt.

Papa will über Sex reden

Verhandelt wird hier Aufklärung, vor allem die mitunter hilflos gutgemeinten Tipps der Erwachsenen, die bis heute selbst nicht gelernt haben, frei und offen über das Thema Sexualität zu reden.
Natürlich entspinnt der gewiefte Autor einen nicht abreißen wollenden Faden aus irre witzigen Verwicklungen und Wortspielen. Denn nicht nur Papa, Mama, Luisa und Justin nehmen an dem Gespräch teil, sondern auch die siebenjährige Tiffany, der zwölfjährige Max, Oma und Opa und dann auch noch der Nachbar, der eigentlich nur den ausgeliehenen Raclette-Grill zurückgegen wollte, aber bleiben muss, weil er Arzt ist. Hautarzt eigentlich, aber das ist ja egal.
Und so kommt eins zu anderen. Oder wie Luisa meint: "Das wird ja immer besser!" Und, ja, das wird es! Es fängt an bei der Diskussion, was überhaupt ein romantisches Wochenende ist.

Jedes andere Thema wird bereitwillig aufgegriffen

Denn Tiffany und Max hatten nie eins und finden das ungerecht. Oma und Opa, die natürlich schon viele hatten, sind froh, wenn sie mal keins haben. Und Mama und Papa freuen sich auf ihres in Venedig. Für ihre Tochter Luisa freuen sie sich dagegen weniger, denn sie könnte ein romantisches Wochenende ja für Intimitäten nutzen.
Um die soll es ja eigentlich gehen, aber weil Papa kaum den Mund aufbekommt und sich eher um das Thema herumdrücken will, wird jeder andere Gesprächsfaden dankbar aufgegriffen. Opa verrät, wie wild die 60er-Jahre waren und dass Tante Ilse zwei Männer gleichzeitig hatte.
Plötzlich geht es um die christlich-europäische Sexualmoral. Darum, was Opa an der Studentenzeit der 1960er-Tage toll fand. Mama versucht, sich dem eigentlichen Thema immer wieder harmlos zu nähern, und fängt beim Küssen an. Luisa entschuldigt sich immer wieder für ihre heteronormativen Eltern. Was natürlich dazu führt, dass Max wissen will, was das bedeutet…

"Spuckt es endlich aus..."

Und so braucht es 32 Seiten, bis es zum ersten Mal heißt: "Spuckt es doch endlich aus! Ihr wollt nicht, dass Luisa und der Pizzajunge an ihrem romantischen Wochenende Sex haben!" Um dann noch mal 40 Seiten mit dem unterhaltsamen Katz-und-Maus-Spiel weiterzumachen.
Echtes Highlight dabei: Als Papa Tiffany erklärt, dass der Penis in die Vagina genauso passt wie ein Stecker in eine Steckdose.
Letztendlich ist es wieder Luisa, die das Steuer übernimmt und ein 1A-Aufklärungsgespräch führt: über die richtigen Bezeichnungen der weiblichen Scham, von Eierstöcken, wandernden Eizellen und schwimmenden Spermien bis hin zur Schwangerschaft.
Ergänzt wird das durch die einfachen, übersichtlichen Illustrationen, die kontrastreich zum Text stehen und so dessen Witz wunderbar unterstreichen.

Aufklärung nicht lang hinausschieben

Und so ist dieses kurzweilige Buch eigentlich nicht nur mehr ein Eltern- als ein Kinderbuch, wie der Verlag sagt, und das ab fünf Jahren, sondern auch eine großartige Aufforderung an alle Eltern, das Thema nicht auf die lange Bank zu schieben, sondern beherzt und ohne Scham und Tabu über Sexualität zu reden.
Sonst laufen sie Gefahr, genauso dumm dazustehen, wie Papa bei Marc-Uwe Kling. Und diese Peinlichkeit sollte man sich 2021 besser ersparen!

Marc-Uwe Kling: "Der Tag, an dem Papa ein heikles Gespräch führen wollte"
Illustriert von Astrid Henn
Carlsen, Hamburg 2021
76 Seiten, 12 Euro

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