Marc Engelhardt und Kathrin Aehnlich über Mauern

"In Beton gegossene Furcht"

Die Installation des französischen Streetart-Künstlers JR an der Grenzmauer zwischen den USA und Mexiko: Leute stehen vor der Mauer und sehen sich das überlebensgroße Foto eines Kindes an, das über die Mauer schaut.
Der französische Streetart-Künstlers JR verwandelt die Grenzmauer zwischen den USA und Mexiko in eine Kunstinstallation. © imago
21.11.2018
Mauern zementieren Ungleichheit, sagt der Journalist Marc Engelhardt. Er ist für sein Buch "Ausgeschlossen" entlang von Mauern gereist. Auch die in der DDR aufgewachsene Schriftstellerin Kathrin Aehnlich denkt in "Grenzgänge" darüber nach.
Andrea Gerk: In diesem Bücherherbst gibt es auffallend viele Publikationen, die sich mit Grenzen auseinandersetzen, den tatsächlichen Mauern und Zäunen, wie sie Donald Trump zwischen den USA und Mexiko plant, aber auch im übertragenen Sinn, etwa wenn es um die Grenzen des Wachstums, des guten Geschmacks, die Grenzen der Belastbarkeit geht oder auch um positive Grenzerfahrungen, wie sie die Kunst ermöglicht. Heute bin ich mit zwei Autoren im Gespräch, die sich mit diesen Themen auf ganz verschiedene Weise auseinandergesetzt haben. Bei mir im Studio ist die Leipziger Schriftstellerin Kathrin Aehnlich, die in ihrem Buch "Grenzgänge" unter anderem, so der Untertitel, von "Papstbeerdigungen, Kindheitsträumen und unsterblichen Seegurken" erzählt. Herzlich willkommen erst mal, Frau Aehnlich!
Kathrin Aehnlich: Hallo!
Gerk: Und im Studio in Genf ist uns der Journalist Marc Engelhardt zugeschaltet. Seit 15 Jahren arbeitet er als Auslandskorrespondent unter anderem für den Deutschlandfunk und die ARD. Auch an sie herzlich willkommen, Herr Engelhardt!
Marc Engelhardt: Guten Morgen!
Gerk: Marc Engelhardt, Ihr Buch "Ausgeschlossen" ist so eine "Weltreise entlang Mauern, Zäunen und Abgründen", so ist der Untertitel. Es versammelt Texte vieler Ihrer Kollegen, die zum Beispiel über Korea, Serbien, über Kanada und Brasilien berichten. Und schon auf der ersten Seite Ihres Buches steht der bemerkenswerte Satz: "Wir leben in einer Ära der Mauern". War das denn mal anders, Herr Engelhardt? Mir kommt eher vor, wenn ich so an die Grenzkontrollen früher in Europa denke, dass man heute doch viel freier ist. Stimmt das gar nicht?

Mauer-Boom bei gleichzeitiger Freiheit von Waren

Engelhardt: Ja, das ist eine paradoxe Entwicklung tatsächlich. Wir leben ja eigentlich in einer total entgrenzten Welt. Wir haben freie Fahrt für Waren, für Kapital, auch für eine relativ kleine globale Elite, und natürlich auch für Konzerne, die ja gar keinen physischen Sitz mehr zu haben scheinen, wenn man sich zum Beispiel mal die Steuergeschichten anschaut. Und dann haben wir auf der anderen Seite aber eben diesen Mauer-Boom ja wirklich. Wir hatten im Kalten Krieg 19 Mauern weltweit, und heute haben wir mehr als 70, die entweder geplant sind oder die schon gebaut werden oder die schon stehen. Und die sind ja so scheinbar ein Gegenmittel eben gegen den Souveränitätsverlust, der mit dieser Entgrenzung einhergeht. Und das stimmt natürlich eigentlich überhaupt nicht. Und genau diesem Paradox sind wir dann eben auch vor Ort auf den Grund gegangen.
Ein Mann fotografiert eine Frau an der Berliner Mauer vor 1989 an der Wilhelmstrasse.
Ein Mann fotografiert eine Frau an der Berliner Mauer vor 1989 an der Wilhelmstrasse.© dpa / picture-alliance
Gerk: Wie erleben Sie das denn, Frau Aehnlich? Sie haben ja innerhalb der deutsch-deutschen Mauer gelebt, und das reflektieren Sie auch in Ihrem literarischen Werk immer wieder. Was geht in Ihnen vor, wenn da von der Festung Europa die Rede ist oder wenn Donald Trump da so eine Mauer bauen will?
Aehnlich: Das macht mir Angst, weil ich denke, diese Pläne kann nur jemand haben, der nicht hinter einer Mauer gelebt hat. Es gibt ja immer einen davor und einen dahinter. Und einerseits, gerade bei den USA, Trump hat den Vorwand, den Staat schützen zu wollen, aber gleichzeitig schottet er ihn natürlich auch ab, und es ist immer auch eine ideologische Abschottung. Es ist eine Abschottung im Geiste, eine Abschottung für Kunst. Das zieht das alles nach sich.
Gerk: Das ist ja, scheint mir, überhaupt jetzt so ein Unterschied, dass es eben früher auch oft darum ging, die Leute einzuschließen. Im Kalten Krieg, Herr Engelhardt, Sie haben das schon gesagt, da sollten die nicht raus. Und heute sollen die anderen nicht rein. Und da schreiben Sie, es geht vor allem um eine pompöse Inszenierung, Marc Engelhardt. Was heißt das? Geht es da vor allem um den Symbolgehalt?

"Es geht um die Zementierung von Ungleichheit"

Engelhardt: Ich glaube, dass das eine große Rolle zumindest spielt, und das sieht man ja auch daran, dass, bei Trump finde ich das besonders auffällig auch in der Rhethorik, diese Mauern werden ja immer größer, sie werden immer stärker bewehrt. Es gibt Drohnen, die da eingesetzt werden, automatische Kameras, Wärmesensoren, alles Mögliche.
Davon hätte Honecker nur träumen können. Er hat es allerdings auch getan. Er wollte ja die DDR-Mauer genauso umbauen. Auch darüber schreiben wir in dem Buch. Aber tatsächlich, es geht um Inszenierung, und es geht um die Zementierung von Ungleichheit. Ich glaube, dass jemand wie Trump eben verspricht: Wir leben ein gutes Leben in den USA mehr oder weniger. Und genau diesen Status quo, den sichert eben die Mauer. Also, wir zementieren die Ungleichheit. Wir wissen irgendwie implizit, das ist ja auf Kosten der anderen, die da draußen sind. Aber die bleiben eben draußen. Die wollen hier rein, aber können nicht. Und genau diese Taktik wird damit verfolgt.
Was wir aber eben auch sehen, und deswegen sprechen wir von Inszenierung, ist auch, wo eine Mauer steht, da entstehen eben auch Tunnel. Es gibt immer Wege, über diese Mauern zu kommen. Einer der Schleuser, mit denen wir gesprochen haben, der sagte eben auch, zeigt mir eine sechs Meter hohe Mauer, dann zeige ich dir eine sieben Meter hohe Leiter. Das zeigt ja noch mal, praktisch sind diese Mauern eben eigentlich unnütz. Aber sie sind ein wahnsinnig starkes Symbol.

Gerk: Gibt es denn eigentlich auch Mauern und Zäune, die eine positive Funktion haben? Sie haben da zum Beispiel in Ihrem Band ein Stück aus Brasilien, wo es um so eine Gated Community geht, also wo die Reichen sich aus Angst abschotten. Ist das ein positives Beispiel? Eigentlich auch nicht so richtig. Gibt es überhaupt Mauern, die positiv wirken?
Polizisten beobachten Flüchtlinge, die auf dem Zaun sitzen, der die spanische Exklave Melilla von Marokko trennt.
Polizisten beobachten Flüchtlinge, die auf dem Zaun sitzen, der die spanische Exklave Melilla von Marokko trennt.© dpa / picture alliance / Francisco Gª Guerrero

"Privilegierte von Unterprivilegierten abzuschotten"

Engelhardt: Gerade dieses Beispiel der Gated Communities, die es ja inzwischen wirklich überall auf der Welt gibt, ich finde, dass die noch mal ganz besonders zeigen, worum es denn eigentlich geht, nämlich Privilegierte von Unterprivilegierten abzuschotten. Und tatsächlich, das wäre ein absolutes Negativbeispiel aus meiner Sicht.
Ja, es gibt einige wenige Mauern, die geholfen haben, Konflikte einzufrieren, also vielleicht Schlimmeres zu verhindern. Da kann man bei Zypern zum Beispiel drüber reden oder bei der West-Sahara. Vielleicht auch bei Korea – wer weiß, was in dem aufgeheizten Kalten Krieg damals passiert wäre, hätte es diese Sperrzone nicht gegeben. Das sind aber Ausnahmen. Und es sind auch überwiegend Mauern, die schon seit langer Zeit stehen.
Es gibt Forschungen dazu, warum heute Mauern gebaut werden, gerade in den letzten zwei Jahrzehnten. Und zwei Drittel dieser Mauern werden ausdrücklich mit dem Ziel gebaut, Migranten draußen zu halten. Das hat ja Netanjahu mal gesagt über die israelischen Mauern, dass es zwar wichtig wäre, Terroristen draußen zu halten. Aber das Schlimmste, was passieren könnte, wäre eine Flut afrikanischer Migranten. Also solche Sprüche, die hören wir überall auf der Welt.
Aussichtsplattform mit Besuchern am Potsdamer Platz in West-Berlin. Links stehen Grenzbeamte hinter Absperrgittern. Aufnahme von 1988. 
Aussichtsplattform mit Besuchern am Potsdamer Platz in West-Berlin. Links stehen Grenzbeamte hinter Absperrgittern. Aufnahme von 1988. © picture alliance / dpa
Gerk: "Wie kann man das Leben im Schatten einer Mauer, also zum Beispiel wie der zwischen Ost und West, jemals vergessen?", schreibt Marc Engelhardt am Ende seines Buches. Was sagen Sie dazu, Frau Aehnlich? Sie haben ja im Schatten der Mauer gelebt. Bleibt das immer bei einem?

"Es entsteht wieder eine Mauer in den Köpfen"

Aehnlich: Das bleibt immer da. Ich hab mal geschrieben: "Ich habe immer ein unsichtbares Gepäck bei mir: Und das ist das kleine, eingemauerte Land, in dem ich einmal gelebt habe." Und das ist wirklich so. Es ist ja so, dass die Kindheit und die Jugend auch die prägendsten Zeiten im Leben eines Menschen sind. Und das hat nun mal bei mir in der DDR stattgefunden, und insofern nehme ich diese Erfahrung überall mit hin, egal, wohin ich fahre, ob ich nach Amerika fahre oder nach Italien. Und es macht mich einerseits auch dieser Vergleich dankbar, dass es jetzt anders ist, dass ich sozusagen diese Grenzen überqueren kann. Das ist immer noch so, wenn ich in Probstzella über die Grenze fahre oder an einer anderen Stelle. "Die innerdeutsche Grenze" durften wir nicht sagen, wegen diesem Begriff musste ich mal den Unterricht verlassen. Es war ja der "antifaschistische Schutzwall".
Wenn ich diese Grenze überquere, da denke ich immer noch: Hier war die Grenze. Ich würde mir sogar wünschen, dass man es noch mehr sehen würde, dass sich die Leute noch mehr erinnern, wie es gewesen ist. Weil ich denke, das verschwimmt, und es entsteht zurzeit gerade wieder eine Mauer in den Köpfen. Und irgendwie müsste man viel deutlicher erinnern, unter welchen Bedingungen man in diesen Grenzgebieten zum Beispiel auch gelebt hat.
Engelhardt: Was mich ja tatsächlich erschreckt hat, ist, dass ich genau an einer solchen Stelle war, in Hötensleben, für dieses Buch. Da steht also noch ein gutes Teil Mauer, genauso erschreckend wie früher. Und wenn man mit den Menschen spricht, die sagen eigentlich was ganz Ähnliches wie Sie, Frau Aehnlich. Aber gleichzeitig ist es so, dass sie trotzdem nicht die Konsequenz daraus ziehen, zu sagen, wir bräuchten weniger Mauern. Viele haben gesagt, es ist ja was ganz anderes, ob wir jetzt andere draußen halten wollen. Und das hat mich schon auch überrascht und ein bisschen erschreckt.

Angst als innere Grenze

Gerk: Frau Aehnlich, wir hatten gerade schon kurz darüber gesprochen. Sie waren ja im geteilten Deutschland drinnen und haben darüber auch viel geschrieben. Es kommt auch in Ihrem neuen Buch vor, wie so ein Echo in den Texten. Aber es geht auch um ganz andere Grenzerfahrungen, die moderne Menschen machen. Was gab denn den Anstoß zu diesem Thema, dass Sie sich jetzt noch mal auf diese andere Art damit befasst haben?
Aehnlich: Da muss ich ehrlicherweise sagen, dieses Thema ist an mich herangetragen worden, und wahrscheinlich auch ein bisschen mit dem Hintergedanken, dass ich ja hinter dieser Grenze gelebt habe. Ich habe erst mal abgesagt, weil ich gesagt habe, ich will jetzt nicht ewig über die DDR schreiben und dann einfach darauf festgelegt werden. Und dann habe ich noch mal eine Nacht drüber geschlafen, und dann ist mir eingefallen, dass es ja einfach nicht nur räumliche Grenzen gibt. Es gibt ja Grenzen unterschiedlichster Art. Eine davon ist zum Beispiel Angst. Angst bewahrt und im Grunde genommen, bestimmte Dinge zu tun. Also in meinem Fall hat sie mich nicht bewahrt, mit Mitte 50 Skifahren zu lernen.
Gerk: Das fand ich sehr schön.

Die Grenzen der Kunst

Aehnlich: Aber es gibt auch Grenzen in der Kunst: Wo beginnt Kunst? Was ist Kunst? Ich hatte am Literaturinstitut einen Stilistik-Lehrer, der immer gesagt hat, es gibt einen Unterschied zwischen Kunst und Kunstgewerbe, wobei Kunstgewerbe nicht nett gemeint war. Es gibt Grenzen in den Medien, also wo hört Berichterstattung oder wo sollte Berichterstattung aufhören? Also zum Beispiel in Fällen, in denen jemand weint: Wann macht man das Mikrofon aus? Wie viel Schrecken kann man abbilden, wie viel Schrecken soll man abbilden?
Gerk: Das ist ja was, Herr Engelhardt, mit dem Sie ja auch in Ihrem täglichen Berufsleben ständig zu tun haben, mit diesen moralischen Grenzen. Was zeigen Sie uns da von den Ländern, von dem Elend auch, oder im Krieg, oder was auch immer Sie da miterleben?
Sperrmauer mit Graffito von Banksy auf der palästinensischen Seite, zwischen Bethlehem, Westjordanland und Jerusalem.
Sperrmauer mit Graffito von Banksy auf der palästinensischen Seite, zwischen Bethlehem, Westjordanland und Jerusalem.© imago stock&people
Engelhardt: Das ist tatsächlich so, ja. Wir haben ja auch in dem Buch tatsächlich versucht, diesen Grenzbegriff etwas weiter anzugehen. Nicht ganz so weit wie Frau Aehnlich das getan hat, aber ja, natürlich spielen genau diese Grenzen in unserer täglichen Arbeit eine große Rolle. Und auch dieser Begriff Angst, das fiel ja jetzt schon einige Male in unserem Gespräch, das ist ja auch ein wirklich zentrales Motiv gewesen, wenn man sich anschaut, wo überall eben physische Mauern errichtet werden. Wir haben gesagt, das ist in Beton gegossene Furcht, und ich glaube, da ist sehr viel dran. Es wird eben Angst ganz massiv geschürt.
Und wenn wir uns das hier in der Schweiz zum Beispiel anschauen mit einem erst mal abwegig klingenden Beispiel, dann haben wir hier eine Bunkerlandschaft. Es gibt für 115 Prozent aller Schweizer Bunkerplätze, und die Schweizer mauern sich halt sozusagen im Inneren ein. Und das Motiv, das dahintersteckt, ist aber eigentlich das gleiche wie in Trumps Amerika. Diese Angst vor dieser Gefahr da draußen, der man jetzt begegnen muss, der man was entgegensetzen muss. Und diese Angst wird natürlich auch von interessierten politischen Kreisen ganz massiv geschürt. Und die Bunker sind eben in der Schweiz die Antwort auch, weil man bei einem kleinen Staat in der Mitte von Europa natürlich keine Mauer drumherum bauen kann und will. Aber faktisch geht es eben auch hier um Mauern in den Köpfen.

Kunst als positive Grenzerfahrung

Gerk: Und es gibt ja zum Beispiel ein Gebiet, auf dem man das spielerisch erkunden kann, die eigenen Ängste, nämlich die Kunst. Das spielt bei Ihnen, Frau Aehnlich, eine große Rolle in dem Buch. Sie haben wunderschöne Fotografien von Walter Lindenberg aus den Stücken von Pina Bausch darin. Und es gibt zum Beispiel einen Text, "Passion", in dem es explizit um Kunst und die besonderen Grenzerfahrungen, die wir da auch in einem positiven Sinn machen können. Ist das auch ein Weg, wie man ganz individuell für sich auch mit Ängsten besser umgehen kann?
Aehnlich: Ja, auch. Mir ging es vor allem aber darum, einfach zu zeigen, was berührt uns bei Kunst. Wann überschreiten wir sozusagen diese Grenze, die was mit uns zu tun hat. Kunst ist ja etwas sehr Subjektives. Der eine wird es so empfinden, der andere wird es anders empfinden. Ich stehe zum Beispiel vor Monets Seerosen und merke plötzlich, dass ich lächle. Ich merke, dass ich glücklich bin, wenn ich dieses Bild sehe.
Und eine andere Erfahrung war, dass Kunst natürlich auch provoziert. Das Guggenheim-Museum in New York ist für meine Begriffe da sehr fortschrittlich. Die öffnen sich sozusagen auch provozierenden Ausstellungen. Eine davon war von Maurizio Cattelan. Da wurden in diesen Schacht von dem Guggenheim-Museum diese Objekte gehangen. Da war zum Beispiel ein Grabstein für alle verlorenen Fußballspiele der englischen Nationalmannschaft. Es war ein kniender Hitler, ein vom Meteorit erschlagener Papst. Das war schon alles provozierend, hatte aber in der Gesamtheit was sehr Sympathisches und hat einfach ganz viel bewegt im Kopf und im Denken. Das finde, ich, das kann Kunst.
Das Bild zeigt den Grenzzaun aus Metall zwischen Mexiko und den USA, hier im mexikanischen Tijuana. Der Zaun ist bunt bemalt.
Grenzzaun zwischen Mexiko und USA wird Kunst© dpa-Bildfunk / Luis Alonso Pérez
Engelhardt: Das, glaube ich, ist auch tatsächlich ein ganz wichtiger Punkt übrigens, dass die Kunst, glaube ich, die Antwort ist. Uns wird natürlich bei diesem Buch ganz viel gefragt, das ist so eine negative Sichtweise, die Welt mauert sich zu, und was kann man da eigentlich tun, gibt es überhaupt keine Hoffnung? Und ich glaube, die Hoffnung liegt tatsächlich ganz zentral in der Kunst.
Das fängt an bei der Künstlerin, die die Mauer an der mexikanisch-amerikanischen Grenze so bemalt, dass es aussieht, als sei die gar nicht da. Sie nennt das "die Grenze ausradieren". Es sind Künstler, die praktisch das, was die Toten und auch die Überlebenden zurückgelassen haben im Mittelmeer, die Flüchtenden über diese Meeresgrenze, die daraus Kunst machen. Das sind, glaube ich, alles Gegenmittel gegen die Angst. Wir sehen da noch mal eine ganz andere Art von emotionaler Berührung, glaube ich. Das kann nur durch die Kunst kommen. Wir werden am Samstag bei der Architekturbiennale in Venedig lesen aus dem Buch, genau aus diesem Grund, weil wir gesagt haben, die Kunst, das ist sozusagen das Gegenmittel gegen die Trumps. Da liegt unsere größte Hoffnung eigentlich.
Gerk: Marc Engelhardt und Kathrin Aehnlich, vielen Dank für dieses Gespräch!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

Kathrin Aehnlich: "Grenzgänge: Von Papstbeerdigungen, Kindheitsträumen und unsterblichen Seegurken"
AT-Verlag erschienen, 248 Seiten 32 Euro

Marc Engelhardt: "Ausgeschlossen. Eine Weltreise entlang Mauern, Zäunen und Abgründen"
DVA, 288 Seiten, 18 Euro.

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