"Man kann noch viel wachkitzeln"

Moderation: Catherine Newmark · 27.10.2013
Es gebe durchaus Parallelen zwischen der einstigen Schwimmerin Beate und ihr selbst, sagt Steffi Kühnert. Sie habe begriffen, wie wichtig es sei, Entscheidungen zu treffen und Dinge zu tun, die dem Leben einen "anderen Kick" geben. Für den Film stieg sie in die 13 Grad kalte Ostsee.
Marc Rensings "Die Frau, die sich traut" mit Steffi Kühnert hat die Internationalen Filmtage Hof eröffnet und läuft Mitte Dezember im Kino an.

Catherine Newmark: Im Studio ist jetzt die Hauptdarstellerin Steffi Kühnert, guten Tag, Frau Kühnert!

Steffi Kühnert: Hallo!

Newmark: Ja, Beate will es noch einmal wissen. Sie trainiert wie wild, schwimmt stundenlang in der Ostsee, rudert nachts zu Hause, setzt sich in eine Wanne voller Eis, um sich abzuhärten, ist unglaublich unerbittlich und hart mit sich selber. Haben Sie, Frau Kühnert, Verständnis für solche Menschen, die sich solchen extremen Herausforderungen stellen wollen wie in dem Fall, den Ärmelkanal zu durchschwimmen?

Kühnert: Also, ich sage mal, jetzt mit der Arbeit an dem Film immer besser oder immer mehr Verständnis. Ich persönlich, weiß ich nicht, also, solchen sportlichen Geschichten sich auszusetzen, weiß ich nicht, ob das was für mich wäre. Aber ich habe mit dem Film begriffen, dass es unheimlich wichtig ist, Entscheidungen zu treffen und zu sagen, jetzt passiert in meinem Leben vielleicht noch mal was oder gerade in so einem Alter.

Das Spielalter, ist ja auch mein persönliches Alter, so um die 50, Frauen, wo die Kinder möglicherweise aus dem Haus sind - jetzt mal vom Sport wegzukommen -, die dann sagen, okay, was passiert jetzt noch in meinem Leben? Und ich habe einfach begriffen, dass man so Vieles erreichen kann, man kann so viel schaffen! Man muss es sich zutrauen. Man braucht natürlich Willen und auch Selbstdisziplin, aber da schlummern so in einem Sachen, die man vielleicht sich nicht traut zu tun. Und ich glaube, man kann da, verbunden mit einem gewissen Selbstbewusstsein natürlich, noch viel wachkitzeln, was in einem schlummert und was dem Leben noch mal eine andere Wendung oder einen anderen Kick gibt.

"Was man sich sonst nie zutrauen würde, plötzlich geht das"
Newmark: Sie haben ja nun für den Film selber den Ärmelkanal nicht leibhaftig durchschwommen, aber sich doch immerhin einigen Strapazen unterzogen, unter anderem in der Ostsee gedreht, wo zum Teil Wassertemperaturen von 13 Grad herrschten. Wie haben Sie sich selber abgehärtet und sich selber auch zur Schwimmerin gemacht?

Kühnert: Ich hatte das große Glück – das brauchte ich auch, ich konnte zwar schwimmen, aber das hätte man bestimmt gemerkt, so wie ich unterwegs war im Wasser! –, dass ich den Luxus hatte, vorher fünf Wochen Schwimmtraining zu haben bei einer ganz großartigen Schwimmtrainerin, die früher sozusagen die DDR-Olympioniken trainiert hat, Beate Ludewig. Und das ging irgendwie so gut mit ihr, also im Urschleim angefangen, mit Atmung und Technik und so weiter. Und ich hatte alle zwei Tage einen Termin in der Schwimmhalle und so haben wir uns dann langsam – sie meinte, sie hätte schon schlimmere Fälle gehabt – so herangetastet, und was man halt in fünf Wochen erreichen kann. Dass man weiß, womit man sich beschäftigt, dass man das kann und dass das im Film glaubhaft rüberkommt, wenn ich ins Wasser steige.

Newmark: Bleibt aber immer noch die Herausforderung der Wassertemperatur!

Kühnert: Ja, das war allerdings sehr hart, das gebe ich zu. Wer geht gerne bei 13 Grad in die Ostsee. Es ist ja auch nicht immer strahlender Sonnenschein, sondern auch Seegang und dunkel und das Meer ist ja doch auch, kann ja auch sehr erschreckend wirken. Also, das war hart, das muss ich zugeben. Aber das war dann für mich so was, was ich gelernt habe in dem Film, deshalb gibt es da durchaus auch Parallelen: Wozu man in der Lage ist, was man leisten kann, was man sich sonst nie zutrauen würde, plötzlich geht das.

Und da ist ein Kameraboot auf hoher See, die Mitarbeiter stehen alle mit drauf und so, und ich kann ja jetzt nicht sagen, nein, Kinder, mir ist zu kalt, ich gehe nicht ins Wasser, dann hätte der Film nicht stattgefunden! Also, diese Überwindung … Im Nachhinein frage ich mich natürlich auch, meine Güte, wie habe ich das eigentlich zustande gebracht! Aber es hat geklappt und hat auch eine gewisse Euphorie im Nachhinein in mir ausgelöst, muss ich sagen.

Newmark: Sodass Sie sich jetzt vorgenommen haben, vielleicht doch mal einen Marathon oder …

Kühnert: Eher nicht. Ich bin jetzt nicht so die Sportliche. Ich bewege mich gerne und das ist wichtig, aber so Extremgeschichten … Im Augenblick nicht. Ich weiß nicht, was mit 60 ist, vielleicht, aber hat es ja alles schon gegeben!

Newmark: Ich habe eben schon erwähnt, Sie haben Teile des Films an der Ostsee gedreht, aber ich habe gelesen, Sie waren auch in Dover und im Ärmelkanal. Das mit dem Durchschwimmen des Ärmelkanals ist ja durchaus ein ziemliches Geschäft, wie läuft das eigentlich ab?

Kühnert: Das ist tatsächlich so, dass man da, das ist so eine Gesellschaft, die das sozusagen auch beobachtet, und man muss so ein Begleitboot haben. Man muss sich anmelden, man braucht Termine, das kostet alles einen Haufen Geld. Und das ist ja jetzt auch nicht so eine Sportart, die so gesponsert wird oder so was, die machen das wirklich aus Leidenschaft, die Schwimmer, und zahlen meistens drauf, und ihr eigenes Vermögen, sparen lange, dass sie sich das leisten können.

Wir hatten ja auch ein Double, wir hatten ja auch eine Schwimmerin als Expertin beim Drehen, die hat den Ärmelkanal durchschwommen und die hat erzählt, wenn ich jetzt nichts Falsches sage, dass das so um die 10.000 Euro kostet, dass man das überhaupt machen kann.

Newmark: Und man muss lange vorher sich anmelden.

Kühnert: Anmelden, dann kann man hinfahren, die sind manchmal 14 Tage vor Ort, wenn die Strömungen und das Wetter nicht dementsprechend sind, dass man sagt, das kann man schaffen, dann sind die und warten und dann kriegen Sie Startgenehmigung oder auch nicht. Und dann wird das natürlich beobachtet, das ist sehr streng, man darf das Boot nicht berühren, während man rüberschwimmt, man wird immer mit so wie Besenstiele, also werden so rausgehalten mit dem Begleitboot, dass die mit Nahrung versorgt werden und mit Getränken, weil die das sonst gar nicht durchhalten würden.

Newmark: 33 Kilometer.

Kühnert: Ja, ja.

"Dieses In-sich-Hineinfressen ist schon ein Thema"
Newmark: Deutschlandradio Kultur, "Die Frau, die sich traut", so heißt der Film von Marc Rensing, in dem Steffi Kühnert die Hauptrolle spielt. Frau Kühnert, Beate, die Person, um die es geht, die hat ja eigentlich im Grunde genommen immer für ihre Kinder gelebt. Es gibt in dem Film viele unterschwellige Konflikte, die aber nie wirklich offen ausgetragen werden. In einer Szene hatte sich Beate gewünscht, dass der Sohn irgendwohin mitkommt, aber dann sagt er kurzfristig ab, die Mutter tut dann so, als ob das okay, sei, obwohl man ihr eigentlich ansehen kann, nein, okay findet sie das gar nicht. Aber es wird nicht darüber geredet. Sie haben, wenn ich es richtig verstanden habe, die Figur der Beate mit entwickelt. Wie zentral war dabei dieses Nicht-Reden?

Kühnert: Also, mit entwickelt, das stimmt nicht ganz. Der Marc Rensing, der Regisseur, wir kennen uns schon, wir haben schon zusammen einen Kurzfilm gemacht. Ich weiß, dass er sich das mit mir vorgestellt hat, als er es geschrieben hat mit der Drehbuchautorin zusammen, aber da war ich nicht beteiligt. Wir haben natürlich dann vor Ort und im Vorfeld sehr viel darüber geredet und auch bestimmt noch einiges mundgerecht gemacht oder besprochen oder Szenen verändert, das schon, aber ich war nicht an der Stoffentwicklung dabei.

Aber dieses In-sich-Hineinfressen und so, das ist schon ein Thema, nicht darüber reden, weil man mit Vielen natürlich auch erst mal alleine fertig wird, und nicht alle Menschen sind so kommunikativ, sich gleich alles von der Seele zu reden, was manchmal wahrscheinlich wesentlich leichter wäre dann, und wahrscheinlich auch gesünder. Aber ich glaube, das Gros der Menschen ist gar nicht so veranlagt, dass man also die Dinge mit sich selber abmacht, bloß auch niemanden belasten, auch so was, niemand soll das wissen. Das ist, glaube ich, sehr verbreitet.

Newmark: Ich habe mir dann immer im Laufe des Films gewünscht, dass das irgendwie aufbricht, dass sie irgendwann mal anfängt, so zu reden. Aber stattdessen beschließt Beate ja, sich ganz um sich zu kümmern, lässt ihre Tochter dann allein mit dem Lernen, fängt an zu trainieren. Ist Ihnen die Figur der Beate eigentlich sympathisch gewesen?

Kühnert: Das war immer so ein Thema, mir ja. Also, ich habe das Drehbuch gelesen und ich konnte nie nachvollziehen, dass es auch vonseiten der Produktion her Bedenken gab, ob die Figur nicht zu egoistisch dann ist und so was. Mir ist das nie aufgefallen, weil ich habe das immer als eine gegenseitige Abnabelung auch gelesen. Also, sie muss sich ja auch von ihren Kindern abnabeln und die Kinder auch von ihr! Ich meine, man muss sich vorstellen, die Tochter ist 33, ich bin ja schon Oma in dem Film! Also, ich denke, da ist ja mal die Zeit reif! Aber die haben sich, glaube ich, gegenseitig in eine Abhängigkeit gebracht, und da jetzt auszubrechen, ist, glaube ich, auch das Thema, zu sagen, das ist auch mein Leben!

"Entscheidung über Therapie bei schwerer Krankheit "ganz individuell""
Newmark: Beate trainiert ja nun wie wild und ignoriert diese Diagnose, die sie hat, Gebärmutterhalskrebs. Sie lässt Zeit vergehen und setzt damit ja in gewisser Weise eigentlich auch ihr Leben aufs Spiel. Können Sie das nachvollziehen?

Kühnert: Ich kann das nachvollziehen. Vorher war ich beteiligt an dem Film "Halt auf freier Strecke" von Andreas Dresen, wo es ja auch um solche Geschichten geht, also Krankheit, Tod. Wir haben da extrem recherchiert im Vorfeld und mit Betroffenen gesprochen, dass man sich sozusagen so einer Therapie auch nicht aussetzen möchte, dass man noch, solange das geht, selbst bestimmt, was man tut.

Und so eine Therapie kann gut ausgehen und es kann sein, dass es anschlägt und dass man dafür sein Leben gewinnt, aber es ist auch eine Entscheidung, sich dem auszusetzen und zu sagen, ich begebe mich jetzt anderthalb Jahre in eine wirklich schwere Therapie, mit vielen Rückschlägen. Und das sind alles so Sachen, wo ich sage, okay, das ist Selbstbestimmung, und ich kann das absolut nachvollziehen und das muss auch wirklich, glaube ich, jeder für sich ganz individuell entscheiden. Ich wüsste es nicht, wie ich es machen würde, wenn es mich betreffen würde, aber ich kann das sehr nachvollziehen.

Newmark: Der Film hat die Filmtage in Hof eröffnet. Das Festival wird immer gern beschrieben als eine Art Klassentreffen des deutschen Films, weil hier eben Regieveteranen, Nachwuchsregisseure und -schauspieler aufeinandertreffen. Wie haben Sie die Stimmung in diesem Jahr empfunden?

Kühnert: Ach, ich find‘ das schön. Und der Heinz Badewitz, das ist wirklich ein großartiger Mann, mit so viel Herzlichkeit und Witz und Wärme geht der da an die Sachen ran. Und der hat uns so scherzig begrüßt. Also, das ist eine Freude! Und deshalb natürlich auch gleichzeitig eine Ehre. Wir haben uns wahnsinnig gefreut, da der Eröffnungsfilm sein zu dürfen. Und die Stimmung war schön und man trifft natürlich auch so Leute wieder. Ich hab mich sehr gefreut. Und hatte da zwei sehr schöne Tage. Vielen Dank nach Hof!

Newmark: Steffi Kühnert spielt die Hauptrolle in dem Film "Die Frau, die sich traut" von Marc Rensing. Das war in diesem Jahr der Eröffnungsfilm der internationalen Hofer Filmtage. Und er kommt Mitte Dezember dann auch in die Kinos.

Kühnert: Ab 12. Dezember.

Newmark: Vielen Dank für Ihren Besuch, Frau Kühnert!

Kühnert: Ja, ich danke Ihnen für die Einladung!


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