Der Sport als Hoffnungsträger
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Die 15. Europäischen Maccabi-Spiele finden in diesem Jahr in Budapest statt. 2.500 Sportler, Begleiter und Trainer werden erwartet, hinzu kommen viele Touristen und Gäste. Ungarn will ein guter Gastgeber sein - doch vieles im Land liegt im Argen.
Es ist ein heißer Sommertag, die Ventilatoren brummen. Sicherheitsschleuse am Eingang der jüdischen Gemeinde Ungarns in Budapest. Hier empfängt in einem hohen Raum eines historischen, großzügigen Hauses András Heisler seine Gäste. Er ist der Vizepräsident der Jüdischen Vereinigung seines Landes.
Man arbeite sehr hart an dem Projekt, erzählt András Heisler und erklärt, wie es dazu kam, die Spiele nach Budapest zu bringen:
"Zum einen die Maccabi-Organisation in Ungarn: Sie haben von den Veranstaltern den Zuschlag bekommen. Zweitens: Der ungarische Sportclub MTK - vormals war es ein jüdischer, heute ist es allgemeiner Sportclub, dieser wird vom Staat gefördert. In dem Fall mit etwa zehn Millionen Dollar. Diese Summer gibt die Regierung für die Spiele."
Umgerechnet knapp neun Millionen Euro.
Die ungarische Regierung will sich offen zeigen
Die Regierung will ein Zeichen setzen und als Land ein guter Gastgeber sein. Allein 2.500 Sportler, Begleiter, Trainer werden erwartet, hinzu kommen Touristen, jüdische Gäste aus dem In- und Ausland und Sicherheitspersonal. Auch hier unterstütze die Regierung.
Die Maccabi-Spiele seien nicht nur ein Sport-, sondern auch ein Kultur-Event und etwas Besonderes, das mit Tradition zu tun habe, meint Heisler. Ajax Amsterdam, MTK Budapest, Tottenham London - das sind namhafte Clubs, die einst als jüdische Sportklubs gegründet wurden und die es bis heute noch gibt, nur eben nicht mehr unter jüdischen Vorzeichen.
Die internationalen Organisatoren der European Maccabi Games nutzen die Sportstätten der Hauptstadt, und für manch einen ist es auch ein Stück eigene Geschichte. Zum Beispiel für Motti Tichauer, den Vorsitzenden der Europäischen Maccabi Vereinigung:
"Meine Mutter hat mir immer erzählt, dass sie früher mit ihren Eltern auf der Margareteninsel schwimmen war. Das erste Mal, wo ich hierher gekommen bin, habe ich gesagt, ich muss sehen, wo meine Mutter ihre Jugend verbracht hat und das war für mich Gänsehaut."
Motti Tichauer lebt heute in Frankfurt und ist dort im Tennis-Maccabi Club aktiv. In Budapest sind er und sein Organisationsteam für die gesamten Spiele verantwortlich. Nach 90 Jahren, sagt er, gäbe es nun erstmals wieder Maccabi Games in Südosteuropa:
"Die ersten Spiele, die wir hatten, war 1929 damals in der Tschechoslowakei."
Hass gibt es immer noch
Die Schoah hat den Großteil des jüdischen Lebens in Europa vernichtet. Und damit auch die Maccabi-Tradition unterbrochen. Vor 110 Jahren entstanden die ersten Clubs für Gymnastik und Fechten, später kamen Wasserball, Basketball und Fußball hinzu.
Heute ist der Sport - auch in Ungarn - wieder unter einem Dachverband der Maccabi Vereinigung. Geht es nach András Heisler, so könnte das Interesse daran noch größer sein.
Manche hielten sich auch wegen des Antisemitismus öffentlich zurück. Den würde es zwar nur in verbaler Form geben. Dennoch sei die Wahrnehmung aus jüdischer Perspektive eine andere.
Der Soziologe András Kovacs habe eine hohe Verunsicherung der jüdischen Menschen analysiert, obwohl, betont Heisler, es keine direkten körperlichen Angriffe gäbe. Man habe schöne und restaurierte Synagogen, jetzt die Maccabi-Spiele und bekäme von der ungarischen Regierung gerade ein nagelneues Sportzentrum gebaut. Das Problem, sagt er, seien die massive Hassreden - allgemein - im Land:
"Nicht gegen die Juden, aber gegen die Philosophen, gegen die Romas, die Migranten, gegen Moslems - oder andere. Die historische Erfahrung der jüdischen Community sagt uns, dass jegliche Hetze auch schlecht ist für Juden. Da läuft etwas schief in der Gesellschaft und jeder ist davon auch ein wenig betroffen."
Die Strategie: Nach vorne schauen
Es sind nachdenkliche Worte des Vize-Gemeindechefs von Ungarn. 100.000 Menschen gehören mittlerweile zur Gemeinde. Was ihn stört, ist die Sicht mancher Regierungsrepräsentanten mit Blick auf den Holocaust und die eigene Rolle der Ungarn:
"Deshalb sind wir sehr sensibel, was die Erinnerungskultur betrifft - und wir möchten die Geschichte nicht verdrehen. Die Holocaust-Überlebenden sind ja in unserer Gemeinde. Nehmen wir meine Mutter, 94 Jahre alt. Sie war in Auschwitz und sie sagt, wie es wirklich war.
Wenn jemand erzählt, dass Miklós Horthy, der ungarische Regierungschef, ein exzellenter Politiker war, dann können wir Juden das nicht akzeptieren. Denn Horthy hat seinen Anteil am Tod der 600.000 Juden. Wenn jemand sagt, dass alle Verantwortung dafür die Deutschen bei der Okkupation tragen, dann sagt meine Mutter, dass sie den ersten deutschen Soldaten an der Rampe von Auschwitz sah. Während der Deportation waren es nur ungarische Autoritäten."
András Heisler wird nachdenklich und auch still. Man schaue nach vorn, sagt er. Auf die Maccabi Games freue sich hier jeder. Sein Wunsch: Das jüdische Leben aktiver, präsenter und sichtbarer zu gestalten und damit auch ein innenpolitisches Signal zu setzen.
Insgesamt werden 40 Delegationen aus der ganzen Welt erwartet. Allein aus Israel kämen 120 Sportler. Und so werden die Maccabi-Spiele auch zu einer logistischen Aufgabe werden.