Dribbeln gegen Vorurteile

Pädagogisches Fußballtraining mit Makkabi

22:39 Minuten
Ein Kickschuh streift während eines Dirbblings über eine Fußball
Dribbeln gegen Vorurteile: Makkabi Deutschland verbindet Fußball und politische Bildung © IMAGO / Funke Foto Services / IMAGO / Bastian Haumann
Von Alexa Hennings · 25.02.2024
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Hass und Vorurteile gefährden den Zusammenhalt in der Gesellschaft. Dagegen geht Makkabi mit dem Projekt "Zusammen1" an. Der jüdische Turn-und Sportverband bietet pädagogisches Fußballtraining in Vereinen in ganz Deutschland an.
"Jetzt zum letzten Mal noch mal ins Viereck, ruhig mal paar Finten einbauen", schallt es über den Platz. Ein Fußballtraining der anderen Art: Mitstreiter von Makkabi-Deutschland sind beim Eisenbahn-Sportverein in Köln zu Gast. Es geht um das Thema Diskriminierung.

"Es gibt Tage oder Spiele, an denen man diskriminiert wird von Mitspielern oder dem Schiedsrichter. Man versucht es halt so gut wie möglich wegzustecken, weil man kann ja nicht wirklich was dagegen tun."

"Im Spiel passiert oft so etwas, aber ich habe ich nie von jemandem von uns gehört, dass wir es gemeldet haben. Aber eigentlich muss man es echt machen."

Eine Stunde zuvor. Auf dem Kunstrasen trainieren gerade vier Kinder-Fußballmannschaften gleichzeitig. Eben wurde das Flutlicht eingeschaltet, der Platz ist an jedem Tag bis abends um zehn besetzt. Ein Fußball- und ein Tennisplatz, ringsum eine große, freie Fläche, begrenzt von Häusern und mehreren Eisenbahnlinien. Ein sogenanntes Gleisdreieck, früher wurden hier Lokomotiven repariert.

ESV Olympia baut Frauen- und Mädchen-Teams auf

Vor fast 100 Jahren gründeten sportbegeisterte Eisenbahner auf diesem Platz den Eisenbahnersportverein Köln  – kurz ESV.  Eine junge Frau in Trainingshosen, Hoodie und Strickmütze steht am etwas höher gelegenen Vereinshaus: Lisa Steffny. Sie trainiert Mädchen- und Frauenmannschaften im Verein.
"Der ESV Köln ist ein Mehrspartenverein und wir sind von der Fußballabteilung. Die hat um die 700 aktive Mitglieder. 22 Teams, davon sind acht Teams im Mädchen- und Frauenbereich ansässig. Da sind wir einer der am größten wachsenden Bereiche. Vor allem haben wir von der U9 bis zu den Frauen durchgängig Teams, das gibt es fast nirgends. Es gibt viele Vereine, die nur eine Frauenmannschaft haben, aber die haben jedes Jahr Probleme, weil kein Nachwuchs kommt. Und dann schnell die Ausrede: Mädchen wollen keinen Fußball. Was gar nicht stimmt, wir sind das beste Beispiel dafür, wir haben Wartelisten! Aber eben supercool, das ist auch der Grund, warum ich hierhin gekommen bin."

ESV positioniert sich gegen Menschenfeindlichkeit

Lisa Steffny wartet auf das Team von Zusammen1, das heute pädagogisches Fußballtraining anbietet. Etwas gegen Diskriminierung, welcher Art auch immer, zu tun, ist für den ESV Köln nichts Neues, erzählt Lisa Steffny. Sie zeigt nach unten zum Spielfeld: Dort wurde gerade eine neue Bande mit der Aufschrift „ESV Olympia gegen Menschenfeindlichkeit“ angebracht. Auch die neuen Trainingsjacken tragen diese Aufschrift.

"Wir sind ein Verein mit einer sehr sozialen Ader. Zum Beispiel tragen unsere Seniorenteams die Regenbogenbinde. Das kommt nicht bei allen Teams im Kölner Bereich gut an. Gerade die Herren bekommen da öfter auch queerfeindliche Anfeindungen zu hören. In der letzten Saison hatten wir sowohl bei den Männern als auch bei den Frauen leider rassistische Vorfälle, wo SpielerInnen von uns betroffen waren. Aber man merkt auch, dass diskriminierende Sprache heute leider zum Wortschatz der jungen Leute gehört. Und denen das gar nicht so bewusst ist, was sie da reproduzieren. Und deshalb ist es wichtig, dass sich alle dessen bewusst sind und man darauf aufmerksam macht. Und die Kinder und Jugendlichen wissen, dass das, was sie gerade gesagt haben, nicht cool ist. Es geht um so eine Kultur des Hinsehens im gesamten Verein."

Lisa Steffny, Fußballtrainerin beim ESV Olympia Köln

Antisemitismus – politische Bildung auf dem Platz

Hinsehen möchte man beim ESV Köln auch beim Thema Antisemitismus. Deshalb haben sie  das Team von Zusammen1 für zwei Tage eingeladen: Politische Bildung auf dem Fußballplatz zum Thema Judentum und Antisemitismus.
"Das Thema ist einfach superaktuell. Durch den aktuellen Krieg herrscht auch immer viel Fake News, was die jungen Leute durch Social Media konsumieren. Deswegen war es uns auch wichtig als Verein, dass wir da Aufklärungsarbeit leisten können. Und dass wir als Verein aktiv dafür werben, dass wir eben ein ganz bunter Haufen sind. Und Personen, die Mitglied bei uns werden, auch wissen, wofür wir stehen und hoffentlich mehr Toleranz und Offenheit für das Thema herrscht. Und da ist auch das Team von Zusammen1 - hallo!", sagt Steffny.

Julius-Hirsch-Preis des DFB für Zusammen1

Das Team kommt zu dritt: Mortimer Berger und Ferdinand Hasselbeck sind aus Frankfurt/Main angereist, Samantha Bornheim wohnt in Köln. Alle drei gehören zu Makkabi Deutschland, dem Jüdischen Turn-und Sportverein. Dort wurde das Projekt Zusammen1 entwickelt: Es verbindet pädagogisches Training und Schulungen für Trainer und Multiplikatorinnen. Im vergangenen Jahr wurde das Projekt mit dem renommierten Julius-Hirsch-Preis des Deutschen Fußballbundes ausgezeichnet. Es ist der zweite Tag, an dem beim ESV Köln das pädagogische Fußballtraining angeboten wird. Gestern waren vor allem Jungen-Mannschaften dran, heute die Mädchen und jungen Frauen.
"Gestern hat es enorm Spaß gemacht, weil die Jungs super mitgemacht haben, weil die sportlich klasse waren und weil sie Interesse am Thema gezeigt haben", erzählt Ferdinand Hasselbeck. Er ist selbst leidenschaftlicher Fußballer, spielt in der Bezirksliga und trainiert Jugendmannschaften. Seit zwei Jahren ist der Sportstudent bei Makkabi Frankfurt dabei. Sein Teamkollege Mortimer Berger hat Soziologie studiert. Über sein Hobby - auch er ist Spieler und Trainer -  kam er zu Makkabi. Dort bieten sechs Mitstreiter, allesamt Fußballer, das pädagogische Fußballtraining an.
"Die Idee ist relativ einfach. Es ist das Ziel, politische Bildung auf den Fußballplatz zu bringen und in die Vereine. Weil auch das ein politischer Raum ist. Etwas, was viele lange Zeit noch abgelehnt haben, das anzuerkennen. Es war lange akzeptiert und es wurde gesagt, dass das eben zum Fußball dazugehört, dass es dort einen raueren Umgangston gäbe und man dort auch ein Ventil schaffen müsse. Es stimmt natürlich, dass Fußball auch ein emotionaler Ort ist und auch sein soll. Aber es ist ganz klar, dass bei Diskriminierung die Grenze überschritten ist und wir dem entgegenwirken wollen. Bei Makkabi eben basierend auf den Erfahrungen, die Makkabi-Mitglieder machen. Dass sie antisemitisch diskriminiert werden, unabhängig davon, ob sie jüdisch sind oder nicht."

Die Geschichte von Makkabi Deutschland

Makkabi wurde 1903 als Dachverband jüdischer Sportvereine in Deutschland gegründet. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten wurden Makkabi Deutschland aus dem deutschen Sport ausgeschlossen. Jüdische Sportvereine konnten nur noch untereinander antreten. 1938, nach den Novemberpogromen, wurde der jüdischen Bevölkerung jeglicher Vereinssport in Deutschland verboten und Makkabi Deutschland aufgelöst. Heute gibt es in jedem Bundesland außer im Saarland und in Thüringen Sportvereine, die zu Makkabi gehören. Rund 5.000 Mitglieder trainieren in verschiedenen Sportarten, neben Fußball sind das zum Beispiel Basketball und Schwimmen, Tennis, Volleyball und Fechten.
"Makkabi ist ein Verband, bei dem die Mehrheit der Mitglieder nicht jüdisch ist. Das heißt, es kommen alle Nationen, alle Religionen zusammen. Basierend aber auf den Erfahrungen, die viele bei Makkabi machen mussten - bei den Fußballsipieler:innen sind es 68 Prozent, die schon mindestens einmal selbst betroffen waren."
Fußballer von Makkabi Berlin bei einer Schweigeminute für die Opfer der Hamas-Anschläge
Fußballer von Makkabi Berlin bei einer Schweigeminute: "Viele Vereine haben Unterstützungsbedarf" © picture alliance / dpa
Gemeint sind antisemtische Anfeindungen, die Makkabi-Mitglieder auf dem Fußballplatz erleben.
"Die meisten mehrfach. Weil aber gleichzeitig im Fußball ein Riesen-Potenzial liegt, ein großes demokratisches Potenzial, weil Leute zusammenkommen und sich begegnen, haben wir uns gedacht, dass es eine super Plattform ist, um politische Bildung zu realisieren und Verständigung zu schaffen und Vorurteile abzubauen. So kamen wir auf die Idee, die pädagogischen Trainings auf den Fußballplätzen umzusetzen."
Das Team von Zusammen1 ist bundesweit unterwegs, es schult Mannschaften im Amateur- und auch im Profibereich. Nicht immer haben es Bildungsangebote zum Thema Diskriminierung und Antisemitismus leicht - man müsste ja einen Extra-Termin vereinbaren, so die Vorbehalte in den Klubs, wie soll man das im straffen Trainings- und Wettkampfplan noch unterbekommen?
Samantha Bornheim, Bildungsreferentin bei Makkabi Köln, ist Historikerin und Spezialistin für jüdische Geschichte. Sie ist davon überzeugt, dass beides gleichzeitig funktioniert: Bildung und Bewegung.
"Das war von Beginn an die Idee im Projekt, dass es diese Form von Bildungsarbeit in Verbindung mit Bewegung geben soll und muss. Um auch mehr Begeisterung bei den Vereinen und Verbänden zu schaffen und Bereitschaft, dieses Angebot auch wahrzunehmen und zu integrieren. Weil die Vereine, die mit uns diese Trainings machen, die müssen nicht auf ihr Training verzichten, sondern sie bekommen noch ein bisschen Bildung on top. Sie haben aber nicht den Ausfall dafür, sondern das wird integriert. Das ist der enorme Vorteil."
Und Mortimer Berger ergänzt: "Ich glaube, es ist auch wichtig für unsere Arbeit, dass die Jugendlichen merken, dass wir auch aus dem Fußball kommen und es im Fußball schon so eine gemeinsame Sprache gibt. Und so hoffen wir, dass wir auch schon Zugänge haben zu den Gruppen von Beginn an, die vielleicht in der Schule durch die Lehrkraft vielleicht nicht automatisch da sind. Aber im Fußballsetting das schneller möglich ist."
Auf dem Platz laufen sich schon zwei Mannschaften warm.  Mortimer Berger verteilt inzwischen verschiedenfarbige Hütchen auf dem Spielfeld, um es zu begrenzen. Der Frankfurter betreut heute eine Mannschaft, in der Mädchen und junge Frauen spielen, die jüngsten sind 17 Jahre alt. "Ich bin von Makkabi Deutschland. Habt ihr den Begriff schon mal gehört?" Kopfschütteln in der Runde.
"Es gibt so rund 40 Ortsvereine. Makkabi-Mitglieder werden regelmäßig antisemitisch angefeindet, deswegen haben wir bei Makkabi das Projekt Zusammen1 ins Leben gerufen, um dem was entgegenzusetzen. Deshalb werden wir über die Themen jüdisches Leben und Antisemitismus reden, aber es geht auch um andere Diskriminierungsformen. Das heißt Sexismus-Erfahrungen, Rassismus, Queer-Feindlichkeit, Homo-Feindlichkeit sind auch sehr präsent im Fußball. Das heißt, es muss nicht ausschließlich um Antisemitismus gehen. Wir fangen mit der ersten Übung an, ihr führt den Ball am Fuß, schnappt euch die Bälle, in Bewegung kommen!"

Der Meinungsbarometer liegt auf dem Rasen

Während sich die Spielerinnen warm dribbeln, bereitet Mortimer Berger das sogenannte Meinungsbarometer vor. Er legt einen roten und einen grünen Teller im großen Abstand auf den Rasen. Grün soll für Zustimmung zu einer Aussage stehen, erklärt er den Spielerinnen, rot für Ablehnung, wer unentschieden sei in seiner Meinung, solle sich in der Mitte positionieren. Der Trainer ruft den ersten Satz in die Runde: "Der 1. FC Köln spielt nächstes Jahr erste Liga!"

Rot ist Ablehnung, grün ist Zustimmung

"Also, wenn die so weiterspielen, glaub ich nicht!", sagt ein der Spielerinnen und Berger antwortet: "Rot ist Ablehnung. Ich sehe, viele sind eher pessimistisch. Kommt bisschen näher, da können wir leichter reden. Es kam von euch auch schon die Rückfrage: Welcher FC? An welches Team hast du denn gedacht? - FC Köln Herren?. Ich bin so gestartet mit der Übung, um reinzukommen in das Thema Diskriminierung. Dass Diskriminierung direkte Anfeindungen sind, Attacken teilweise, aber es sind auch Denkmuster, mit denen wir aufwachsen. Und daran wollen wir was ändern. Das ist das Prinzip der Übung. Geht noch einmal rein in das Viereck, weiter die Hütchen übergeben, dabei den Ball tändeln, rechts, links, los geht’s!"
Die Spielerinnen haben sich nicht nur Bälle, sondern auch verschiedenfarbige Hütchen geschnappt. Die Bälle, die in dieser Runde nur mit links gespielt werden dürfen, sollen dann jeweils an eine Spielerin mit derselben Hütchenfarbe abgegeben werden. Scheint Spaß zu machen. Bei der nächsten Frage geht es um den Satz: "Profifußballer sind Vorbilder." Dann sollen sich die Spielerinnen zu der Aussage positionieren: "Ich weiß nicht wirklich was über jüdisches Leben in Deutschland".
Nach ein paar Minuten dribbeln wird die letzte Aussage für das Meinungsbarometer über den Platz gerufen: "Ich weiß, was ich tun kann, wenn eine Mitspielerin diskriminiert wird."
Viele positionieren sich beim Ja. Handlungsoptionen werden besprochen: den Mannschaftsrat einbeziehen, Trainerinnen und Schiedsrichter informieren. Viele Vereine haben jetzt, angeregt von Makkabi, auf ihren Internetseiten eine Meldebutton, wo diskriminierende Vorfälle jeder Art gemeldet werden können.

Diskriminierung auf dem Fußballplatz

"Frage an euch: Wie oft kommt es zu Diskriminierung im Fußball? Was würdet ihr sagen, in jedem wievielten Spiel kommt es zu einer Diskriminierung, und ich beziehe alle Diskriminierungsformen mit ein! Jedes Spiel? Ich sehe Kopfnicken. Ich bin selber im Amateurfußball, wenn wir andere Teams fragen, dann antworten sie oft jedes zweite Spiel, jedes dritte Spiel, jedes Spiel. Auch in jedem Spiel mehrfach, das sagen auch viele. Was glaubt ihr, wie ist es denn offiziell? In jedem wievielten Spiel wird ein Vorfall von Diskriminierung eingetragen, Kreisliga D bis Bundesliga? Jedes zehnte? - Die Wahrheit ist, offiziell wird in jedem 500. Spiel ein Vorfall von Diskriminierung gemeldet."
Alles in Ordnung also in der Statistik. Das die Wirklichkeit anders aussieht, wissen die Spielerinnen vom ESV Köln. Die 17-jährige Hanna Milion hat schon oft erlebt, dass sie wegen ihrer Hautfarbe diskriminiert wurde: "Es gibt Tage oder Spiele, wo man diskriminiert wird von Mitspielern oder dem Schiedsrichter. Man versucht es so gut wie möglich wegzustecken, man kann ja nicht wirklich was dagegen tun. Ich habe versucht, mit anderen Personen darüber zu reden, ich habe mir Hilfe geholt, aber nicht wirklich was gemeldet."
Mira und Natalie nehmen es als Anregung aus dem pädagogischen Training mit, sich konsequenter als bisher gegen Diskriminierung auf dem Fußballplatz einzusetzen.
"Als wir gefragt wurden, wie viel glaubt ihr denn, werden gemeldet? Da habe ich drüber gedacht: Im Spiel passiert oft so etwas, aber ich habe nie von jemandem von uns gehört, dass wir es gemeldet haben. Aber eigentlich muss man es echt machen", sagt Mira und Natalie ergänzt: "Ich glaube, das erlebt man in jedem Spiel oder in jedem zweiten Spiel, seien es sexistische Äußerungen von den ZuschauerInnen, TrainerInnen. Diese Dunkelziffer ist erschreckend, da sollte man sich auch an die eigene Nase fassen. Man kriegt es mit, man meckert mit, man fühlt sich nicht gut damit. Aber man muss aktiv was dagegen tun."

Dem Judentum spielerisch begegnen

Beim nächsten Spiel werden Mannschaften gebildet, jeweils drei Spielerinnen sollen sich einen Ball zuspielen, dabei zur Ziellinie bewegen und dort Memory-Karten umdrehen. Wenn das Kärtchen nicht passt, dann schnell zum Start zurück und wieder von vorn. Auf den Karten stehen halbe Sätze, die durch andere ergänzt werden sollen. So erfährt man, was eine Kippa ist, was koscher bedeutet und was Ivrit heißt, in welcher Religion an einen Gott geglaubt wird, wie viel Prozent der Makkabi-Mitglieder jüdisch sind. Es sind 40 Prozent.
"Ich habe es schon gesagt, dass bei Makkabi alle Religionen zusammenkommen. Und dass muslimische Mitglieder noch mal besonders angefeindet werden, ist tatsächlich ein Riesenthema. Sie werden unter der Woche diskriminiert, weil sie Muslime in Deutschland sind. Und wenn sie das Makkabi-Logo tragen, ist es ähnlich. Ein Davidstern, ein wichtiges jüdisches Symbol. Die dann auf eine besondere Art angefeindet werden, weil sie als Verräter gelten, weil sie bei einem jüdischen Verein spielen."
"Sind sie jüdisch?", fragt ihn ein Mädchen. "Nein, ich bin selber kein Jude. Es ist bei Makkabi sowohl bei denen, die Sport machen, als auch bei denen, die da arbeiten, egal. Da kommen alle zusammen", gibt er ihr zur Antwort.

Terrorangriff der Hamas hat vieles verändert

Makkabi-Deutschland hat eine Studie veröffentlicht, die man sich online ansehen kann: Mitglieder wurden nach ihren Antisemitismus-Erfahrungen gefragt. Zwei von drei gaben an, dass sie selbst von antisemitischen Anfeindungen betroffen waren, die meisten erlebten sie mehrfach.
"Es gibt eine andere Zahl, dass rund 40 Prozent sich unsicher fühlen in Makkabi-Klamotten. Das war 2021, ich kann mir vorstellen, dass es sich aktuell seit der Lage im Oktober 2023 verschärft hat. Ich kenne es von vielen Vereinen so, dass man den Trainingsanzug trägt, auch mit Stolz die Farben des Vereins trägt. Das ist bei Makkabi auch so, dass viele sagen: Klar, ich bin Makkabäer, ich trage die Trainingsklamotten! Aber auch viele, weil sie die Erfahrung gemacht haben, dass sie angefeindet wurden, die Makkabi-Klamotten nicht anziehen."
Angst haben, weil man die Vereinskleidung trägt? Das können sich Natalie und Mira gar nicht so richtig vorstellen. Antisemitismus auf dem Fußballplatz haben sie noch nicht erlebt. "Es ist gut, das zu hören, darauf aufmerksam zu machen und zu sensibilisieren. Vor allem die Zahlen, dass sie sich so unwohl fühlen, weil sie in so einer Organisation sind, die zwar super gut ist, aber sie halt Angst haben in der Gesellschaft, vor Menschen, die ihnen was Böses wollen. Das ist schon krass."
„ESV Olympia gegen Menschenfeindlichkeit“, steht auf der neuen Trainingsjacke, die Mira trägt. Damit setzt der Verein ein Statement. Und jeder, der die Jacke trägt, auch. "Wir haben die jetzt seit einem Monat, bisher ist noch nichts passiert. Aber kann natürlich auch sein."

Diskriminierung bemerken und darauf reagieren

Zuletzt teilt sich die Gruppe und ein kleines Match beginnt. Wer den Ball über die Linie geschossen hat, läuft zu den blauen Kärtchen, die am Spielfeldrand liegen, und versucht sie zuzuordnen: Was tue ich, wenn ich Diskriminierung bemerke, was nicht? Die Auswertung zeigt, dass es nicht so einfach ist. Was ist zum Beispiel mit „rauswerfen“, also jemanden aus der Mannschaft entfernen? Was bedeutet Täterfixierung? Sollte man nicht eher auf die Opfer schauen statt auf die Täter? Welche pädagogischen Sanktionen gibt es? Was kann ein Sportgericht tun? Wann sollte man eine Strafanzeige stellen? Und: Was sage ich in einer solchen Situation auf dem Platz?

"Ein Stoppzeichen zu setzen, ist sehr viel wert"

Es kommt die Frage auf: "Wenn es um Diskriminierung geht, jetzt gar nicht gegen eine spezifische Person, sondern wenn eine Äußerung kommt über eine Gruppe, die diskriminierend ist, was sagt man da?"
Es sein nicht leicht, spontan richtig zu reagieren, sagt Berger. "Bei mir ist es auch oft so, dass ich nachher manchmal denke: Eigentlich wären andere Worte besser gewesen. Ich finde es ganz wichtig, was du sagst: Selbst wenn Betroffene nicht anwesend sind in der Situation, ist es extrem wichtig zu widersprechen. Auch bei antisemitischen Vorfällen - ich wiederhole das in der Runde hier - wenn zum Beispiel gesagt wird: Was für 'ne Judenaktion. Im Fußball passiert das sehr häufig. Dann ist das eine Diskriminierung, der wir widersprechen müssen, selbst wenn keine Jüdinnen und Juden anwesend sind. Das ist auf jeden Fall klar. Ja, einfach: Hey, was soll das, so was sagt man nicht oder sagen wir nicht! Einfach ein Stoppzeichen setzen, ein Kontra zu setzen, das ist schon sehr, sehr viel wert. Und im Anschluss, wenn es die Situation ermöglicht, zu fragen: Was meinst du damit?  Ist dir klar, was das bedeutet? Aber zunächst ein Kontra zu setzen, ist extrem wichtig auf jeden Fall."

Mut zum Widersprechen haben

Es ist längst dunkel geworden auf dem Platz. Für Mortimer Berger und seine beiden Mitstreiter von Makkabi, die auch eben ein pädagogisches Training am anderen Ende des Platzes beendet haben, geht es noch weiter. Zwei andere Mannschaften vom Eisenbahnersportverein Köln laufen sich schon warm. "Habt den Mut, zu widersprechen, wenn ihr eine Diskriminierung mitbekommt, habt den Mut, euch gegenseitig zu unterstützen, wenn es euer Team betrifft! Danke euch, hat sehr viel Spaß gemacht!"
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