Magdalena Schrefel: "Brauchbare Menschen"
© Suhrkamp
Geschichten über Wert und Arbeit
06:12 Minuten
Magdalena Schrefel
Brauchbare MenschenSuhrkamp, Berlin 2022183 Seiten
16,00 Euro
Ein Bäcker ist durch seine schwere Arbeit geprägt, an anderer Stelle stehen schon die Roboter bereit. In ihrem Erzählband „Brauchbare Menschen“ fragt sich Magdalena Schrefel: Was ist Arbeit und wie verändert sie sich durch Künstliche Intelligenz?
Ob Metzger in einer Schlachtfabrik oder Journalistin – die eigene Arbeit spielt eine große Rolle im Leben. Sie bestimmt Selbst- und Fremdwahrnehmung, strukturiert den Tag, beeinflusst die Identität.
In ihrem Erzählungsband „Brauchbare Menschen“ widmet sich die österreichische Autorin Magdalena Schrefel nun in zwölf Geschichten Fragen, die nicht nur in der deutschsprachigen Literatur selten behandelt werden: Was ist Arbeit? Wie verändert sie sich durch Künstliche Intelligenz? Und wessen Arbeit braucht man, um seine eigene zu machen?
Eine Reporterin in der Fleischfabrik
Fast alle Geschichten sind dialogisch erzählt. Zu den kurzen szenischen Texten passt sehr gut, dass einige Male eine Radioreporterin die Erzählerin ist – und Magdalena Schrefel auch als Dramatikerin arbeitet. So ist in „Landpartie“ eine Reporterin auf der Suche nach einer Geschichte über einen Arbeiter in einem fleischverarbeitenden Betrieb. Die Branche gilt als verrufen und drückt zudem aus, wie industrialisiert mittlerweile die Landwirtschaft ist.
Tatsächlich trifft die Reporterin einen rumänischen Arbeiter, der aber ihrem Bild nicht entsprechen will. Er sagt ihr sogar, er weiß, was sie suche – und wolle ihren vorurteilsbehafteten Blick nicht bestätigen.
Roboter für Sexarbeit
Dieser Blick wird in den Erzählungen oftmals hinterfragt. Die Reporterin trifft noch andere osteuropäische Arbeiter, die als Erntehelfer harte körperliche Arbeit verrichten. Sie können noch nicht ersetzt werden durch Maschinen, deshalb reisen sie vom Spargel zu den Erdbeeren zum Wein.
Bisher auch noch nicht künstlich ersetzbar sind die Sexarbeiterinnen, wenngleich ihre neue „Kollegin“ ein Roboter namens Gigi ist. Ihre künstliche Intelligenz aber muss mit Geschichten gefüttert werden, die ihr ihre Kolleginnen erzählen. Gigi eignet sie sich an – wie eine Autorin.
Körper bei der Arbeit
Die Körperlichkeit von Arbeit ist ein wichtiger Aspekt in diesem spröde-bestechenden Band. Droht einigen Figuren, durch Roboter ersetzt und damit überflüssig zu werden, verspricht anderen die Entkörperlicherung von Arbeit einen gesellschaftlichen Aufstieg.
In „Mein Vater ruft an“, einer der stärksten Geschichte des Buches, ist klar, dass der Vater einer jener „brauchbaren“ Menschen ist, die der Titel benennt. Als Bäcker hat er gearbeitet, steht immer noch sehr früh auf. „Jahrzehnte der Routine haben seinen Körper geformt, da kannst du machen, was du willst, hat er mal zu mir gesagt, so ist das mit der Arbeit.“
Die Tochter indes hat die Heimat verlassen, arbeitet nicht mehr körperlich und bewegt sich in einem anderen gesellschaftlichen Milieu. Sie denkt über Klasse und Scham nach, denn sie schämt sich bisweilen für ihre Herkunft und den eingeschränkten Blick des Vaters. Arbeit formt, Herkunft aber auch – und diese Kategorien sind nur miteinander zu denken.
Auch Schreiben ist Arbeit
Und auch Schreiben ist eine Arbeit: In der letzten Erzählung rechnet eine Autorin, die gerade einen Preis bekommen hat, sorgsam aus, auf welchen Stundenlohn sie käme. Er unterscheidet sich nicht von der Bezahlung anderer prekärer Jobs, wenngleich er natürlich mehr soziales Kapital beinhaltet. Die Identität aber wird von jeglicher Arbeit geformt.