Lutz Goebel: Wer länger arbeiten will als 67, soll mehr Rente bekommen

Lutz Goebel im Gespräch mit Christopher Ricke · 02.01.2012
Der Präsident des Verbandes "Die Familienunternehmer - ASU", Lutz Goebel, hat sich für flexible Rentenmodelle jenseits des 67. Lebensjahres ausgesprochen. Die längere Arbeitszeit müsse dann aber auch in höheren Renten münden, so Lutz.
Christopher Ricke: Zu den Neuerungen, die das neue Jahr mit sich bringt, gehört eine, auf die viele nicht gut zu sprechen sind: Die Rente mit 67. Schrittweise wird sie eingeführt - der Jahrgang 1964 wird dann der erste sein, der erst mit 67 Jahren vollberechtigt in die Rente wird gehen können. Von der Großen Koalition beschlossen, wurde die Rente mit 67 erst von Linken und Gewerkschaftern abgelehnt, dann begannen die Sozialdemokraten, sich von diesem Modell abzusetzen - ungeachtet der Tatsache, dass es ein sozialdemokratischer Bundesminister war, Franz Müntefering, der die Rente mit 67 eingeführt hat.

Jetzt kommt die Rentenreform auch aus dem bürgerlichen Lager unter Beschuss: CSU-Chef Seehofer nennt sie eine verkappte Rentenkürzung und bedient sich damit eigentlich der gleichen Argumente, die Linke und Gewerkschafter gegen die Rente mit 67 bemühen. Wir sprechen jetzt mit Lutz Goebel, Präsident des Verbandes "Die Familienunternehmer". Guten Morgen, Herr Goebel!

Lutz Goebel: Guten Morgen!

Ricke: Horst Seehofer sagt, es gibt gar nicht genügend Arbeitsplätze für ältere Arbeitnehmer, also ist die Rente mit 67 doch tatsächlich lediglich eine verkappte Rentenkürzung. Wie sehen Sie das?

Goebel: Also was wir beobachten können, ist, dass eigentlich der Anteil derjenigen, die über 60 sind und die beschäftigt sind, stark angestiegen ist in den letzten Jahren, und das wird auch die nächsten Jahre immer so weitergehen. Wir stehen vor einem großen Facharbeitermangel, und deswegen werden die Älteren immer länger arbeiten müssen.

Natürlich ist es so, dass heute einige selbst gewählt schon vorzeitig in die Rente gehen - das war jetzt in den letzten Jahren wohl offensichtlich der Fall -, und damit in Kauf genommen haben, dass eine Rentenkürzung stattfindet. Aber das ist selbst gewählt, die haben sich ausgerechnet, was sie vielleicht mit ihrer Frau zusammen verdienen und haben dann gesagt: Okay, wir nehmen das in Kauf und hören etwas früher auf. Die Wahrheit ist sehr komplex: Man hat Mitarbeiter, die hören gerne früher auf, und sie haben andere Mitarbeiter, die arbeiten gerne sehr viel länger.

Ricke: Bleiben wir mal bei dieser Frage der Beschäftigung älterer Arbeitnehmer. Wie bereiten sich denn die Familienunternehmer - der Mittelstand, der ja bei weitem die meisten Arbeitsplätze stellt in Deutschland -, wie bereitet sich der Mittelstand darauf vor, älteren Arbeitnehmern eben auch mehr Beschäftigungschancen zu bieten? Denn noch sieht es ja nicht richtig gut aus mit der Beschäftigung Älterer.

Goebel: Ja, also ich habe jetzt zum Beispiel in meinem eigenen Unternehmen zwölf Mitarbeiter beschäftigt, die über 65 Jahre alt sind, der älteste ist 78. Das sind Leute, die ich noch sehr gut gebrauchen kann, einer verkauft Ersatzteile und kann die ganzen Ersatzteilnummern von alten Motoren auswendig. Und was sie tun müssen, gut, sie müssen Weiterbildungen betreiben, sie müssen vernünftige Arbeitsbedingungen haben, die also keine zu große körperliche Belastung mit sich führen. Und Sie haben aber da ein großes Spektrum. Sie haben Leute, die sagen, gerne arbeite ich noch weiter, aber andere sagen, nein, mir reicht es eigentlich, oder auch, ich habe auch Mitarbeiter, die praktisch 50 Jahre lang körperlich als Monteure gearbeitet haben, die können einfach nicht mehr.

Ricke: Sie haben es jetzt erwähnt: Sie leiten als geschäftsführender Gesellschafter den Motorenbetrieb Henkelhausen. Sie plädieren dort also für flexible Lösungen, man solle sich - wenn ich das richtig raus höre - gar nicht so spitzen darauf, ob jemand mit 63 oder eben mit 73 in Rente geht. Wie wollen Sie denn ältere Arbeitnehmer bei sich halten? Was bieten Sie denen an?

Goebel: Das wichtigste ist, glaube ich, eine flexible Arbeitszeit. Die Mitarbeiter, die bei mir über 65 sind, die arbeiten bis auf einen alle nur zu 50 Prozent. Das zweite ist, gut, die müssen natürlich einen PC bedienen können, der Älteste mit 78, der hat sich mit SAP länger eingearbeitet, wir haben ihn dabei auch unterstützt, und wir können die Leute einfach sehr, sehr gut gebrauchen.

Es gibt aber andere, die wollen und können nicht mehr, und da sollte man sich meines Erachtens, da sollte der Staat sich daran orientieren, dass er praktisch an den 67 Jahren Rentendauer, dass er praktisch das Modell ausrechnet. Für den 63-jährigen gibt es Rentenkürzungen, aber für denjenigen, der länger arbeitet - und das ist heute noch nicht der Fall - der soll die Möglichkeit haben, das auch zu tun, wenn der Arbeitgeber das möchte und wenn der Arbeitnehmer das möchte. Aber dann sollte diese längere Arbeitszeit auch in einer höheren Rente münden, was heute nicht der Fall ist.

Ricke: Sie plädieren also dafür, diese Rente mit 67 tatsächlich entgegen dem, was jetzt zum Beispiel Horst Seehofer auch ins Spiel gebracht hat, diese Rente mit 67 so bestehen zu lassen beziehungsweise über flexible Altersteilzeit noch weiter auszubauen?

Goebel: Ich halte das auf jeden Fall für unabdingbar, weil wir müssen doch irgendwo die Rente demografiefest machen. Wir haben halt das System, dass wir immer weniger junge Leute haben, und es kommen also im Jahr 2030, glaube ich, schon ein Rentner auf einen Arbeitnehmer, und das ist ja irgendwo … der Generationenvertrag ist da gar nicht mehr mit zu halten, und deswegen müssen wir das tun. Und wenn das in letzter Konsequenz heute noch nicht so ist, dass so viele Alte tätig sind, dann wird das aber in Zukunft so kommen. Und wir müssen es alleine aus finanziellen Gründen schon tun, weil es gibt einen Staatszuschuss, der beläuft sich heute schon auf 80 Milliarden Zuzahlung aus dem Bundeshaushalt, und wir können ja nicht die Rentenversicherung nur über Schulden finanzieren.

Ricke: Wie sollte denn dann Ihrer Ansicht nach das Rentensystem langfristig umgebaut werden?

Goebel: Ich glaube, die Rente mit 67 ist richtig so, wie sie aufgebaut ist. Die Einschleifphase ist ja relativ lang, geht bis 2029, und ich meine, es ist einfach Fakt, dass wir immer älter werden und eigentlich später anfangen zu arbeiten. Früher war es ja so, dass die Menschen praktisch mit 15 anfingen zu arbeiten und hörten dann mit Anfang 60 auf, und fielen mit 66, 67 tot um. Heute werden wir ja immer älter - 80 ist ja gar kein Thema mehr - und deswegen müssen wir uns darauf einstellen.

Ricke: Jetzt gibt es auch die sogenannte Rentengarantie. Das heißt, die Renten sind nicht mehr auf Gedeih und Verderb an die Entwicklung der Reallöhne gekoppelt. Wenn die Reallöhne sinken, bleiben die Renten trotzdem genau so hoch. Ist das denn nicht unabdingbar auch, um den Leuten, die 30, 40 Jahre lang eingezahlt haben, auch zu garantieren, dass sie im Alter einen ordentlichen Lebensunterhalt haben?

Goebel: Also, ich sehe die Rentengarantie als sehr, sehr kritisch an. Das hat ja praktisch gegriffen, wenn ich es richtig sehe, 2009, und das war meines Erachtens überhaupt nicht in Ordnung, wenn die arbeitende Bevölkerung aufgrund einer großen Wirtschaftskrise weniger verdient, kann es doch eigentlich nicht sein, dass wir den Rentnern sagen: Aber ihr seid da alle nicht von betroffen. Also das halte ich für völlig verfehlt. Außerdem ist es so, negative Rentenerhöhungen gab es in der Vergangenheit praktisch kaum, es gab nur ganz wenige Jahre, wo das überhaupt gegriffen hätte, und dass da die Koalition - das war ja damals die Große Koalition - das ausgesetzt hat, halte ich für verfehlt.

Ricke: Steuern wir denn da nicht auf vermehrte Altersarmut zu, wie das auch viele Sozialverbände befürchten?

Goebel: Also ich glaube es eher nicht. Es wird nämlich so sein, durch die längere Zeit, wo gearbeitet wird, wird die Rente ja in der Summe größer, die Menschen arbeiten etwas länger, und deswegen wird die Altersarmut wird dadurch sogar eingeschränkt.

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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