"Es geht um das Finden und Binden engagierter Mitarbeiter"

Corinna Krefft-Ebener im Gespräch mit Christopher Ricke · 29.12.2011
Ihre Lebenserfahrung, soziale Reife, Rücksichtnahme, Toleranz - diese Eigenschaften zeichneten die Seniorenlehrlinge aus, sagt Corinna Krefft-Ebener, Personalleiterin bei der K&U-Bäckerei. Die Azubis kommen zum Teil aus dem Unternehmen selbst, zum Teil vom freien Markt.
Christopher Ricke: Es gibt immer mehr Frühverrentungen, das war eine Meldung in diesen Tagen, und das steht natürlich im Widerspruch zu der These "Rente mit 67". Die Statistik kam, kurz bevor die Rente mit 67 kommt jetzt zum neuen Jahr. Früher in Rente gehen, ist vielleicht ganz angenehm, wenn man es sich leisten kann, aber es kommt wohl auch vor, dass man einfach keinen Job mehr findet dann. Lebenslanges Lernen, immer wieder neu anfangen können, bleibt da Theorie. Manchmal ist diese Theorie aber auch tatsächlich gelebte Praxis.

Im Neuenburg am Rhein, südlich von Freiburg im Breisgau, gibt es eine große Bäckerei, und die bildet Senioren aus. Der älteste Lehrling ist schon Großmutter, heißt es. Corinna Krefft-Ebener ist die Leiterin für Ausbildung und Personalentwicklung bei der K&U-Bäckerei. Ich habe mit ihr gesprochen und sie gefragt: Frau Krefft-Ebener, wie läuft es denn mit den über 50-Jährigen?

Corinna Krefft-Ebener: Also wir haben eine Klasse, die begonnen hat im Jahr 2010, die sind jetzt im zweiten Ausbildungsjahr, sowie jetzt zwei neue Seniorklassen am Start, die über 24 Monate hinweg jetzt eine komplette Ausbildung absolvieren.

Ricke: Wie groß sind diese Klassen?

Krefft-Ebener: Zwischen 18 und 22 Personen.

Ricke: Wenn Sie schon die zweite und die dritte Klasse gestartet haben, dann klingt das so, als ob das ganz gut läuft mit den über 50-Jährigen?

Krefft-Ebener: Oh ja! Also wir haben mit dem Erfolg in diesem Ausmaß ... wir haben es erhofft, selbstverständlich ja, aber dass es so ankommt, dass wir so einen Gewinn daraus ziehen, damit haben wir nicht gerechnet - also sowohl bei unseren Mitarbeitern als natürlich auch in der Öffentlichkeit, wo mittlerweile das Seniorprojekt sehr bekannt ist.

Ricke: Was ist denn bei Seniorlehrlingen anders als bei Juniorlehrlingen?

Krefft-Ebener: Ja, Senioren, die kommen ganz einfach mit anderer Lebenserfahrung in die Ausbildung - mit sozialer Reife, mit Rücksichtnahme, mit Toleranz, all diesen Werten, die die ganz jungen Auszubildenden vielleicht noch nicht in diesem Ausmaß besitzen. Und von daher spielen sie auch gerade jetzt in der Schule oder bei uns im Internat eine große Vorbildfunktion.

Ricke: Man sagt ja manchmal, eine Ausbildung ist eine Investition des Arbeitgebers, die sich dann auch wieder bezahlt machen soll. Diese Leute werden bei Ihnen ja keine 30, 40 Jahre im Betrieb bleiben, vielleicht nur zehn, ist das trotzdem in Ordnung?

Krefft-Ebener: Natürlich. Worauf wir ganz großen Wert legen, das ist natürlich erst mal auf unsere Produkte, also erstklassige Ware, aber wir brauchen auch die Menschen, die diese Ware mit Engagement, mit Freude am Beruf verkaufen - und natürlich mit einer Top-Ausbildung. Und das können wir durch diese Maßnahme gewährleisten.

Ricke: Aus welchen Berufen kommen die Kollegen denn?

Krefft-Ebener: Ganz unterschiedlich. Also wir haben Leute, die bisher keine Ausbildung hatten, wir haben ehemalige Arzthelferinnen, Rechtsanwaltsgehilfinnen, Köche, also das ist wirklich querbeet, da ist alles mit dabei.

Ricke: Es geht immer um Bäckerei-Fachverkäuferinnen, oder bilden Sie auch Seniorenbäcker aus?

Krefft-Ebener: Nein, bisher noch nicht. Also im Moment dreht sich wirklich alles um den Fachverkäufer.

Ricke: Warum?

Krefft-Ebener: Warum? Weil wir einfach ... Das Ganze kann man ja nicht so, sag ich mal, aus dem Ärmel schütteln, sondern man muss ja mit vielen anderen Institutionen diese ganze Geschichte planen. Es müssen Rahmenlehrpläne umgestellt werden, es müssen sehr viel organisatorische Dinge erledigt werden. Und das Besondere an dieser Seniorausbildung ist ja, dass wir auch Monoklassen haben. Wir haben eigene Klassen, in denen eben nur K&U-Mitarbeiter ausgebildet werden, und das haben wir im Bäckereiwesen in dem Ausmaß noch nicht, weil wir einfach sehr viel mehr Leute im Fachverkauf beschäftigen.

Ricke: Wer unterstützt Sie denn bei diesem Projekt? Ist das die Bäckerinnung oder ist das vielleicht die Arbeitsagentur?

Krefft-Ebener: Alle eigentlich. Also abgesprochen wurde das ja beispielsweise auch mit der Bäckerinnung. Wir haben sehr, sehr große Unterstützung durch die Fördergesellschaft der Handwerkskammer in Freiburg, eine tolle Kooperation mit der Arbeitsagentur in Freiburg und in Müllheim. Ohne diese enge und fruchtbare Zusammenarbeit, bei der einfach alle dasselbe Ziel haben, nämlich Menschen in Ausbildung und Arbeit zu bringen, hätten wir das niemals so durchsetzen können.

Ricke: Wie sieht es denn mit Angebot und Nachfrage aus, haben Sie mehr Bewerber als Lehrplätze?

Krefft-Ebener: Kann man so sagen, ja, doch. Wir könnten weitaus mehr Bewerber noch in der Ausbildung unterbringen. Ich denke mal, das Projekt wird ja auch weiterlaufen, wir werden auf jeden Fall weiter am Ball bleiben, und die Leute, die sich jetzt zum Teil auch bei uns aus dem Unternehmen für die Ausbildung beworben haben, die werden ganz einfach später zum Zuge kommen.

Ricke: Was sind die Kriterien, wo Sie sagen, die nehmen wir, die nehmen wir nicht?

Krefft-Ebener: Ja, wir haben grundsätzlich zwei Gruppen. Wir bieten das im Unternehmen an, unseren Mitarbeitern, die schon einige Jahre bei uns sind, die sich einfach sehr bewährt haben, wo dann unsere Bezirksleiter sagen, die haben das verdient, die haben großes Potenzial, da sollte man etwas tun, um den Leuten die Weiterbildung zu ermöglichen. Und dann natürlich auch in Zusammenarbeit mit Arbeitsagentur, mit Handwerkskammer und dergleichen, sodass wir Leute von außerhalb für unser Unternehmen gewinnen können, das heißt eigentlich vom freien Arbeitsmarkt.

Ricke: Werden Sie Ihre Lehrlinge denn auch übernehmen können?

Krefft-Ebener: Ja, unbedingt, das ist unser Ziel. Es geht ja um das Finden und Binden von engagierten Mitarbeitern, und das ist völlig unabhängig vom Alter.

Ricke: Die, die schon bei Ihnen arbeiten, vielleicht als Aushilfskräfte, und dann in die Lehre gehen, die werden, so vermute ich es, in der Lehrzeit durchaus auch finanzielle Einbußen hinnehmen müssen. Wie beurteilen Sie denn dieses Engagement?

Krefft-Ebener: Das kann man glücklicherweise ausschließen, weil durch die Zusammenarbeit mit der Arbeitsagentur auch ein Teil dort erstattet wird. Das heißt, wir müssen nicht komplett diesen finanziellen Kraftakt alleine stemmen, sodass letztendlich diese Senior-Azubis bei voller Entlohnung ausgebildet werden. Das heißt, die verdienen nicht weniger wie vorher.

Ricke: Frau Krefft-Ebener, die Förderung, die Sie erfahren von den verschiedenen Organisationen, ist die ausreichend?

Krefft-Ebener: Es reicht, würde ich sagen, grundsätzlich mal nie aus. Wir haben in Deutschland sehr, sehr viele Menschen mit großen Potenzialen, die einfach aufgrund ihres Lebensweges oder man kann auch sagen aufgrund ihres Schicksals nie die Möglichkeit hatten, diese Potenziale einzusetzen. Und im Rahmen der Seniorausbildung hatten wir das Glück eben, da unterstützt zu werden. Aber was wir bei uns im Unternehmen ganz stark sehen, es gibt auch sehr, sehr viele junge Menschen, die in der Art und Weise unterstützt werden müssten, dass sie Ausbildungsplätze finden, die vielleicht auch nicht in ihrer Heimat oder in ihrer Umgebung liegen.

Ricke: Schauen wir noch mal auf die Seniorenausbildung: Sie sind ein Unternehmen, das Senioren ausbildet, das gibt es nicht häufig in Deutschland - haben Sie diese Vorbildrolle schon erlebt, kommen Menschen aus anderen Ecken des Landes und wollen einmal schauen, wie das geht?

Krefft-Ebener: Ja. Also wir haben generell aus der Wirtschaft sehr viel Zuspruch erfahren, sehr viel Neugierde - wie funktioniert das, wie kann man das umsetzen. Die Erfahrungswerte geben wir natürlich auch gerne weiter. Wir haben landesweit viele Anfragen, nicht nur von Bewerbern, sondern wie gesagt auch von anderen Unternehmen aus allen Branchen erhalten.

Ricke: Die Seniorenausbildung bei einem südbadischen Großbäcker. Vielen Dank, Corinna Krefft-Ebener!

Krefft-Ebener: Ich danke Ihnen!

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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