Liv Strömquist über ihren Comic "Im Spiegelsaal"

Nachdenken über die Schönheit

18:12 Minuten
Ausschnitt aus dem Comic "Im Spiegelsaal" von Liv Strömquist. Die Zeichnug zeigt eine in pink und rosa gezeichnete Frau mit langen Haaren, die Kylie heißt.
Traumland der Erfolgreichen und Schönen: Liv Strömquists Comic "Im Spiegelsaal" geht der Frage nach, was der tägliche Strom idealisierter Bilder mit uns macht. © Liv Strömquist / Avant Verlag
Liv Strömquist im Gespräch mit Gesa Ufer  · 27.10.2021
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Unsere Zeit sei von Schönheit besessen, sagt Liv Strömquist. Ihr neuer Comic kreist um diese Obsession. Wahre Schönheit zeige sich nicht in Selfies, meint die Autorin, sondern völlig überraschend, wenn man sich für ein Gegenüber öffne.
Die schwedische Comiczeichnerin und Feministin Liv Strömquist hat mit "Im Spiegelsaal" eine neue Graphic Novel vorgelegt. Immer häufiger habe sie Zeit damit verbracht, auf Instagram stundenlang durch die Seiten von Promis zu scrollen.
"Man kann sich verlieren in diesem 'Spiegelkabinett' oder wie man das nennen will", sagt Strömquist. Dieses Phänomen habe sie tiefer untersuchen wollen, und dabei sei das neue Buch entstanden.

Visitenkarte der Neuzeit

Das ununterbrochene Starren auf das eigene Gesicht, durch Social Media angetrieben, habe es in der Geschichte zuvor noch nie gegeben. Dies mache einen kulturellen Wandel aus – allein schon die Möglichkeit, sich das eigene Gesicht die ganze Zeit anzugucken oder Fotos von sich zu machen und Fotos von seinem Gesicht überall zu zeigen.

"Als vor 300 Jahren der Spiegel immer verbreiteter wurde, da gab es eine große Moraldebatte", so Strömquist: "Die Kirche war der Ansicht, dass es zu Eitelkeit führt und die Seele krank macht, wenn man zu viel in den Spiegel guckt."
Mit dem Smartphone machten wir gerade eine ähnlich große Entwicklung durch, meint die Autorin: "Der Fokus darauf, wie dein Gesicht aussieht, ist größer geworden."

Fortschritt in der Selbstbestimmung

Instagram etwa sei zu einem Ort geworden, wo sich Frauen Bilder von anderen schönen Frauen anguckten - und dann das Gefühl bekämen, da mithalten zu wollen – auch wenn sie es nicht könnten. Dies könne ganz unterschiedliche Emotionen auslösen, meint Strömquist.
Nahaufnahme von Liv Strömquist.
Nachdenken über eine Zeit, die aufgeregt der Schönheit nachjagt: die schwedische Zeichnerin und Feministin Liv Strömquist.© Emil Malmborg
Im Gegensatz zu früher könnten Frauen heute allerdings selbst über ihre Bilder entscheiden. Anders als etwa Marilyn Monroe in den 50er-Jahren, die sich von meist männlichen Fotografen aufnehmen lassen musste.

Suche nach Liebe und Anerkennung

"Wenn man das mit einer jungen Influencerin heute vergleicht, die Bilder von sich selbst macht: Die kann entscheiden, welche Fotos sie veröffentlicht und welche nicht", sagt Strömquist. "Und sie kann Profit schlagen aus dieser Besessenheit, die wir von junger, weiblicher Schönheit haben."
Schönsein sei verbunden mit dem Gefühl, dass man geliebt werden kann. Dass gerade Jüngere sich manchmal hässlich fänden, könne viel Unsicherheit und Leid auslösen. Mit ihrem Buch wolle sie keine Antworten geben, sondern verschiedene Seiten zeigen und analysieren, so die Künstlerin. "Und dann sollen die Leute selber nachdenken und überlegen, was wir tun können – was jetzt der nächste Schritt ist."

Von Schönheit überrascht

Denn auch wenn wir heutzutage alles optimieren wollten, lasse sich Schönheit nicht kontrollieren: "Schönheit ist meistens etwas, das unerwartet kommt, das dich bewegt und das dir eine körperliche Empfindung gibt. Etwas das man nur wahrnimmt, wenn man auf die Welt hört."
Die Schönheit anderer Menschen zu empfinden, passiere eher, wenn sich jemand öffne oder emotional präsent sei: "Dann werden wir manchmal von der Schönheit des Gegenübers überrascht." Das sei wahre Schönheit und nicht die gestellte oder über-kontrollierte Schönheit, betont Strömquist.
"Die hält eher davon ab, Schönheit wahrzunehmen. Und das gilt besonders für die eigene Schönheit."
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