Aus für die Kardashians

"Sie haben den Instagram-Look geprägt"

08:48 Minuten
Im Urzeigersin: Burton Jenner, Khloe Kardashian, Bruce Jenner, Kris Jenner, Kim Kardashian, Brandon Jenner, Brody Jenner, Kourtney Kardashian, Robert Kardashian, Jr. und Cassandra Jenner von den prominenten Familien Jenner und Kardashian, die in der TV-Show "Keeping Up With The Kardashians" vorgestellt wurden, posieren 1993 in Los Angeles, Kalifornien, für ein Familienporträt.
Wir wollen sein ein einzig Volk von Kardashians, in keiner Not uns trennen und Gefahr: Familie Kardashian, anno 1993. © Getty Images / Michael Ochs Archives / Maureen Donaldson
Nadia Shehadeh im Gespräch mit Massimo Maio · 22.09.2020
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Perfektes Styling und persönliche Dramen: Seit 2007 läuft die Reality-Show "Keeping Up With The Kardashians" – flankiert durch gigantische Social-Media-Aktivitäten der Familienmitglieder, vor allem der Töchter. Anfang nächsten Jahres soll Schluss sein.
Massimo Maio: Lange war "Keeping Up With The Kardashians" eine feste Größe im Reality-TV. Nun soll Anfang 2021 die letzte Staffel ausgestrahlt werden. Sie hat die Mitglieder der Kardashian-Jenner-Familie nicht nur weltberühmt, sondern auch steinreich gemacht hat. Wir sprechen mit Nadia Shehadeh, Journalistin und Popkultur-Expertin. Frau Shehadeh, wie konnte dieses Format so erfolgreich werden und sich dann auch noch so lange halten?

Nadia Shehadeh:
Als die erste Folge 2007 ausgestrahlt wurde, ging es ja nicht nur um den Alltag einer ganz normalen Durchschnittsfamilie. Der Name Kardashian war schon lange ein Begriff. Kim Kardashian kannte man, weil sie für Paris Hilton arbeitete. Sie war also eingeführt in die Glamourwelt der jungen Leute. Und Robert Kardashian, der Vater von Khloé, Kourtney und Kim, war einer der erfolgreichsten Anwälte der USA – und ebenfalls bekannt. Er verteidigte zum Beispiel Footballstar O.J. Simpson.
Zusätzlich zu diesem Glamour und der Prominenz kamen dann all die Problemchen, die in den einzelnen Folgen durchexerziert wurden. Da wurde dann auch schon mal vor der Kamera geheult, weil Kim im Meer einen Ohrring verloren hat. Das alles wirkte manchmal überzogen, dramatisch, manchmal auch peinlich. Und das alles wurde dann aber noch mit echten Dramen und persönlichen Tragödien unterfüttert.

Persönliche Erfahrungen vor der Kamera

Maio: Die da wären?
Shehadeh: Schmutzige Trennungen, Sex-Tapes, drogensüchtige und betrügende Ehemänner, innerfamiliäre Differenzen und auch wirklich bedrohliche Situationen wie der Raubüberfall im Oktober 2016 am Rande der Pariser Modewoche: Da wurde Kim Kardashian überfallen, gefesselt und geknebelt. Die Diebe flohen mit Juwelen im Wert von umgerechnet neun Millionen Euro.
Kim Kardashian, Kourtney Kardashian, Kendall Jenner und Kylie Jenner beim Nickelodeon's Kids' Choice Award 2011 in Los Angeles.
Kim Kardashian, Kourtney Kardashian, Kendall Jenner und Kylie Jenner 2011.© picture alliance / AP / Invision / STRMX
Kim Kardashian hat während des Überfalls Todesängste ausgestanden – und auch in einer Folge "Keeping Up With The Kardashians" darüber gesprochen. Das machte den bizarren Reiz dieses Formats aus, dass so persönliche und auch schlimme Erfahrungen zuverlässig in jeder Staffel mitgeteilt wurden, man sich aber immer fragte: Wird das jetzt thematisiert, weil eh schon die ganze Welt darüber spricht? Oder bot es sich an, diese schlimmen Erlebnisse nochmal für die Kamera nachzuerzählen? Man kam nie ganz dahinter.

Perfekt gestylt und kerzengerade

Maio: Das klingt jetzt stark nach "Scripted Reality"-Fernsehen, wo jedes Thema ausgeschlachtet wird. Wie ordnen Sie die Kardashians da ein. Hat es Reality TV geprägt oder vielleicht verändert?

Shehadeh: Ähnliche Formate gab es in der TV-Geschichte auf jeden Fall, zum Beispiel MTV-Klassiker wie "The Osbournes", oder auch Sendungen wie "Mtv: Crips", wo Prominente ihre Luxushäuser zeigten.
Bei "Keeping Up With The Kardashians" gab es dann aber auch nochmal ein ganz anderes Tempo, auch weil die Showinhalte eng gekoppelt waren an die Social-Media-Accounts der einzelnen Familienmitglieder. Hinzu kamen Apps, ganze Produktlinien und eben die Dauerberieselung auf allen Kanälen: Man hatte nicht nur den Eindruck die Kardashians waren überall – sie waren es tatsächlich.
Von außen hatte man dadurch schon den Eindruck, dass die Grenzen irgendwann fließend waren. Es wurden unzählige private Dinge ausgeplaudert und gleichzeitig war alles durchgestylt. Selbst in den schlimmsten Momenten liegen Kim Kardashians Haare perfekt. Sie ist wie ein James Bond des Glamour-Fernsehens. Das fängt bei dem perfekten Make-up und der makellosen Frisur an, und hört bei dem kerzengeraden Sitzen auf einer geschmackvollen Couch nicht auf.

Politische Positionierungen und Blackfishing

Maio: Gab es Themen, mit denen der Clan wirklich überraschen konnte, wo die Serie auch popkulturell immer wieder Thema wurde?
Shehadeh: Oh ja, und zwar auch in politischer Hinsicht. Die Positionierung zu Armenien, das ja Rob Kardashians Herkunftsland ist. Der Einsatz von Kim Kardashian für die Gefängnisreform und der Einsatz für Inhaftierte, um Begnadigungen zu erreichen. Und auch in Deutschland sorgte sie mal für Furore, als sie auf dem Wiener Opernball wenig amüsiert auf rassistische Witze von Oliver Pocher reagierte.
Popkulturell muss man sagen: Die Schwestern haben klassische Looks geprägt, wie den Einheits-Instagram-Look - von den geglätteten Haaren bis zu den vollen Lippen und dem Contouring-Make-up. Wahrscheinlich sind viele der Fotofilter die man auf Instagram benutzen kann, auf diesen Look abgestimmt. Das muss man weder gut noch schlecht finden, aber auf jeden Fall haben sie da einen großen Fingerabdruck hinterlassen.

Maio: Also sind die Kardashian-Jenners quasi auch Vorbilder?
Shehadeh: Ja und Nein. Neben dem teilweise guten gesellschaftspolitischen Engagement fallen sie auch immer wieder negativ auf – zum Beispiel durch das so genannte "Blackfishing", das darauf abzielt, durch Make-up, Styling und Frisuren so zu wirken, als habe man einen Schwarzen Hintergrund.
Dabei ist bei allen Kardashian-Schwestern glasklar, dass sie weiße Frauen sind – allenfalls zum Teil noch mit armenischen Wurzeln.
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