Lindley-French, Allen, Hodges: "Future War"

Eine Handlungsanleitung für Europa

06:44 Minuten
Das Cover des Buches von Julian Lindley-French, John R. Allen, Frederick Ben Hodges:
„Future War – Bedrohung und Verteidigung Europas“. Es zeigt neben Autoren und Titel eine Landkarte Europas, die Landflächen sind rot, Wasserflächen orange, Fluggeräte sind zu sehen.
© Langen Müller Verlag

Julian Lindley-French, John R. Allen, Frederick Ben Hodges

Aus dem Englischen von Bettina Vestring

Future War – Bedrohung und Verteidigung EuropasLangen Müller Verlag, München 2022

408 Seiten

34,00 Euro

Von Nana Brink · 02.04.2022
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Geschrieben 2021 und auf gespenstische Weise hellsichtig, analysieren drei Sicherheitsexperten den "Krieg der Zukunft". Europa muss handeln, ist ihre einhellige Meinung – auch wenn es militärisch noch lange Zeit von den USA abhängig bleiben wird.
Das Buch beginnt furios und erinnert an ein Drehbuch für einen Katastrophenfilm à la Hollywood. Wir schreiben das Jahr 2029, ein Virus namens Covid 29 breitet sich aus. Während vor allem Menschen in den USA und Europa erkranken, scheint das Virus Russland und China zu verschonen.
Dies nutzen die beiden Supermächte aus, um im Osten und Norden Europas und im Südchinesischen Meer anzugreifen, mit Hyperschallwaffen, Drohnenschwärmen und Cyberangriffen.
Die kritische Infrastruktur Europas bricht zusammen, Chaos breitet sich aus, die NATO-Streitkräfte werden am Ende geschlagen. „Willkommen im Krieg der Zukunft!“ – so endet das erste Kapitel von „Future War“.

Illustres Autoren-Team

Nach diesem – auch stilistisch – reichlich überzogenen Intro lehnen sich die drei Autoren erst einmal zurück und bereiten die Leserschaft auf ihre Lehrstunde in Sachen militärische Strategie vor.
Damit wir gleich wissen, woran wir sind: Das illustre angelsächsische Trio verfügt „über mehr als hundert Jahre Fachwissen und Erfahrung“.
Es handelt sich um zwei Vier-Sterne-Generäle und einen renommierten Militärwissenschaftler: Frederick Ben Hodges als ehemaliger Oberkommandierender der US Army in Europa (2014 bis 2017), John R. Allen als ehemaliger Befehlshaber der Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe unter NATO-Führung in Afghanistan und der Brite Julian Lindley-French als leitendes Mitglied des "Institute for Statecraft" in London.

Der aktuelle Krieg bestätigt die Annahmen der Autoren

Ihr Buch ist vor Kriegsausbruch in der Ukraine erschienen, 2021 in der Oxford University Press, und jetzt auch in Deutschland. Aber die Fragen sind nur noch dringlicher geworden, denn die Autoren gehen von der Grundannahme aus: „Kein Europäer kann sich mehr sicher sein, dass es in Europa nicht wieder zu einem großen Krieg kommt“.
Dies sei zum jetzigen Zeitpunkt eine Katastrophe, da Europa sich nicht allein verteidigen könne: „Die einfache, brutale und unveränderlich große Wahrheit ist, dass Europas Verteidigung auf absehbare Zeit von den USA abhängig bleiben wird“.
Wer das liest, denkt sofort an amerikanischen Größenwahn. Das Gegenteil allerdings ist der Fall. Die Autoren verbinden diese – im übrigen richtige – Analyse mit dem Appell für ein radikales Umdenken der Europäer, und zwar im Rahmen von NATO und EU.
Genau genommen fordern sie von den Europäern einen Perspektivwechsel. Die NATO sei eine europäische Institution, zwar unter Führung der USA, doch primär als Instrument zur Verteidigung Europas: „Das müssen viele Europäer erst noch begreifen.“  

Nichts ist neu, aber es fand bislang kaum Gehör

Was sie vorschlagen, ist nicht wirklich neu, sondern wird unter Fachleuten schon lange diskutiert und könnte unter der These subsummiert werden: „Die europäische Verteidigung und Abschreckung werden davon abhängen, dass die Europäer eine voll einsatzfähige Streitmacht aufzustellen imstande werden, die den Anforderungen des 21. Jahrhunderts entspricht“.
Dies bedeute keine „strategische Autonomie“ – also Unabhängigkeit von den USA –, wie es die Franzosen schon länger fordern, sondern eine Stärkung der NATO unter europäischen Vorzeichen.
Aber, so die Autoren, es muss zum Ende der Partikularinteressen in Europa führen. „Deutschland als europäischer Großmacht“ komme dabei, zusammen mit Frankreich, eine Führungsrolle zu.

Der künftige Krieg wird nicht mehr archaisch ablaufen

Wie aber soll man sich eine stärkere NATO vorstellen? Dazu liefern die drei Experten eine detaillierte Handlungsanleitung, die schonungslos die momentanen Schwachstellen offenlegt, sowohl des politischen wie auch des militärischen Bündnisses.
Es müsse eine „Gesamtstrategie“ geben, einen eindeutigen politischen Willen, die Bündelung von militärischen Fähigkeiten – und die Bereitschaft, massiv in Zukunftstechnologien zu investieren. Der „Future War“ wird ein „Hyperkrieg“ sein, der durch den Einsatz von autonomen Waffen, zum Bespiel von durch Künstliche Intelligenz gesteuerte Drohnenschwärme gekennzeichnet sein wird.
So weit, so erschreckend. Aber natürlich haben die Autoren ein Happyend parat. Hollywoodreif natürlich: Die Guten gewinnen. Europa hat seine Hausaufgaben gemacht, die USA sind stärker denn je – und besiegen im Jahr 2029 nicht nur Covid 29, sondern auch die „evil states“ Russland und China. 
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