Ismail Küpeli: "Graue Wölfe"
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Rassistisch und antisemitisch: türkischer Rechtsextremismus in Deutschland
07:01 Minuten

Ismail Küpeli
Graue Wölfe. Türkischer Rechtsextremismus in DeutschlandUnrast, Münster 2025136 Seiten
14,00 Euro
Der Rechtsextremismus der "Grauen Wölfe" ist auch in Teilen der türkischen Community in Deutschland präsent, wird aber selten öffentlich diskutiert. Der Politikwissenschaftler Ismail Küpeli liefert eine Analyse von Strukturen und Hintergründen.
Die „Grauen Wölfe“ sind laut Bundesamt für Verfassungsschutz mit fast 13.000 Personen eine der größten rechtsextremen Gruppierungen in Deutschland. Dennoch ist das Wissen um den türkischen Rechtsextremismus in Deutschland klein. Der Politikwissenschaftler Ismail Küpeli versucht, das zu ändern. In Frankreich und in Österreich wurden die „Grauen Wölfe“ in den letzten Jahren verboten.
In Deutschland hingegen, so beobachtet Küpeli, können die türkischen Rechtsextremen weitgehend ungestört agieren. Der größte Zusammenschluss „Türk Federasyon“ hat über 200 Ortsvereine, dazu kommen noch weitere Moschee- und Kulturvereine, die der extremen Rechten nahestehen. Demgegenüber gibt es deutschlandweit gerade einmal drei Projekte mit wenigen Mitarbeitern, die sich mit dem zahlenmäßig nicht zu unterschätzenden türkischen Rechtsextremismus auseinandersetzen.
Türkischer Nationalismus in der deutschen Disapora
Küpeli greift weit und ausführlich – bis zum Ende des Osmanischen Reiches – in der türkischen Geschichte zurück, um die ideologischen Kernelemente der „Grauen Wölfe“ herauszuarbeiten: Überlegenheitsdenken, Überhöhung des Türkischen, Leugnung des Genozids an den Armeniern 1915, Hass auf Armenier, Kurden, Juden, auf nicht-türkische und nicht-muslimische Minderheiten allgemein. Rassismus und Antisemitismus als zentrale Elemente des türkischen Nationalismus.
Die „Grauen Wölfe“ agieren in der Diaspora, in Deutschland, unter gänzlich anderen Bedingungen als in der Türkei. Während sich in der Türkei die extreme Rechte als staatsloyale Bewegung des türkischen Staatsnationalismus verstehe, auch einen Teil der Machtelite stelle, sei es in Deutschland eine Ideologie einer Minderheit, die häufig auch selbst gesellschaftlich marginalisiert werde.
Der türkische Ultranationalismus, mit seiner Überhöhung des Türkisch-Seins, biete dort eine starke, kämpferische Selbstidentität. Küpeli schreibt: „Weil Deutschland zum Westen gehört, der sich gegen die türkische Nation verschworen hat, ist das Leben in Deutschland ein ständiges Ankämpfen gegen diese ‚äußeren Feinde‘. Die negativen Erfahrungen und die erlebten Konflikte mit den Mitmenschen werden als Teil des Kampfes der türkischen Nation codiert und erhalten einen Sinn“.
Anschlussfähig bei anti-israelischen Protesten
Und auch an der propagandistischen Ausrichtung zeigten sich Unterschiede, so Küpeli. Stimmungsmache gegen Armenier und die Leugnung des Genozids von 1915 seien in Deutschland wenig anschlussfähig. Daher konzentriere sich die türkische Rechte in Deutschland auf ein zweites Kernelement ihrer Ideologie: den Antisemitismus.
Gerade in Folge des 7. Oktober und des Gaza-Krieges haben es die „Grauen Wölfe“ geschafft, Anschluss bei anti-israelischen Protesten zu finden. „Die Erfahrungen, die türkische Rechtsextremist*innen in den letzten Jahren gesammelt haben, dürften dazu führen, dass auch in Zukunft antisemitische Narrative stärker eingesetzt werden.“
Türkische Reichsbürger
Küpeli beobachtet auch, dass sich in den sozialen Medien eine neue Schlagrichtung etabliert: weg von den klassischen Organisationen und Narrativen der „Grauen Wölfe“, hin zu den Narrativen der internationalen extremen Rechten. Der angebliche „große Austausch“ sei dort Thema, auch andere Verschwörungserzählungen. Und so gibt es auch das: „türkische Reichsbürger*innen“ in Deutschland.
Leider beleuchtet weniger als ein Drittel des Buches tatsächlich die Szene in Deutschland, bei ausführlichen Ausflügen in die türkische Geschichte und Gegenwart. Eine andere Gewichtung sowie ein umsichtigeres Redigat hätte dem Buch geholfen. Denn wie wichtig die Expertise von Autor Ismail Küpeli gerade in Deutschland für den Umgang mit dem immer noch unterschätzten türkischen Rechtsextremismus ist, wird mehr als deutlich. Mehr Wissen, um diese weit verbreiteten Einstellungen auch im Alltag zu erkennen und ihnen zu begegnen, ist notwendig.