Hamburg

Wenn der Staat Wohnungen leer stehen lässt

07:07 Minuten
Ein zweistöckiger Klinkerbau in Hamburg im Grotefendweg 23. Im Vorgarten blüht ein Strauch.
Das Haus im Grotefendweg 23 in Hamburg ist Eigentum der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BMiA). Über 200 Wohnungen im Besitz der Anstalt in Hamburg stehen leer. © Axel Schröder
Von Axel Schröder |
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Auch in Hamburg ist bezahlbarer Wohnraum knapp - wie in fast allen deutschen Großstädten. Umso mehr wundert es die Bürger, wenn der Bund seine eigenen Wohnungen in der Stadt ungenutzt lässt. Jetzt geht ein Bezirksamt dagegen vor.
Der Grotefendweg im Hamburger Osten ist eine idyllische Gegend. In der ruhigen, grünen Wohnstraße reihen sich auch die zweigeschossigen Häuser der BImA, der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, aneinander: roter Backstein, je zwei Wohneinheiten unter einem Dach, gleicher Grundriss, typische 60er-Jahre-Bauten.

Leere Wohnungen, harrsche Absagen

Anwohner Arne Köhler kann nicht verstehen, dass viele Wohnungen in seiner Nachbarschaft schon lange leerstehen: „Es werden immer Sanierungen vorgeschoben als Hauptgrund. Aber meines Wissens nach wurde hier in den letzten drei Jahren gar nichts saniert. Die ganze Straße nicht!“
Dabei sei die Nachfrage an Wohnungen, auch an denen der BImA, in seinem Viertel durchaus da. „Hier ist eine Grundschule in der Nähe und die Familien brauchen Wohnungen. Und ich bin immer geneigt, denen die Adresse der BImA zu geben und die Telefonnummer", erzählt Köhler.
"Ich kenne Leute, die häufiger mal Feedback geben, die aufs Übelste abgewatscht wurden", fährt er fort. "Nach dem dritten Anruf nach dem Motto: ‚Bitte lassen Sie uns in Ruhe! Wir wollen nicht vermieten, wir werden nicht vermieten und es ist uns völlig egal, wie der Stand an Wohnungen in Hamburg ist!‘“

Über 20 Prozent Leerstand

Eine Anfrage bei der BImA mit Sitz in Bonn ergibt: In der Bundesanstalt mit ihren rund 6500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern findet sich niemand, der ein Interview zum Leerstand der BImA-eigenen Wohnungen geben kann. Fragen werden nur schriftlich beantwortet.
Demnach stehen von 270 BImA-Wohnungen in Hamburg 60 leer. Bundesweit sind es nach Angaben der BImA sogar 4900. Bei einem Viertel davon seien Mieterwechsel der Grund für einen kurzen Leerstand.
Ein Großteil der BImA-Objekte bleibt aber ungenutzt, weil die Bundesanstalt untätig ist oder Sanierungsmaßnahmen wieder und wieder verschiebt.

Bezirksamt gegen BImA

Deswegen geht jetzt die Abteilung für Wohnraumschutz des Bezirksamts in Hamburg-Altona dagegen vor, erklärt Sprecher Maik Schlink. „Das sollte eigentlich bis zum Jahr 2021 erfolgen, ist dann allerdings nicht geschehen. Deshalb hat das Bezirksamt Anfang dieses Jahres, also im Jahr 2022 noch einmal nachgefragt und ein entsprechendes Verwaltungsverfahren eingeleitet, weil sich die BImA nicht zurückgemeldet hat.“
Diese Rückmeldung wurde mittlerweile nachgeholt. Das Ergebnis: Die BImA hat zusätzlich zu den schon bekannten leerstehenden Wohnungen noch 27 weitere nachgemeldet. Allein in Altona, in einem von sieben Hamburger Bezirken, stehen also 48 Wohnungen leer.
Die Linke in der Hamburgischen Bürgerschaft wollte es noch genauer wissen. In einer Kleinen Anfrage an den Senat hat Heike Sudmann nachgefragt, wie viel Wohneinheiten der BImA in ganz Hamburg ungenutzt bleiben.
Heike Sudmann steht am Rednerpult, im Hintergrund ist das Logo der Partei "Die Linke" zu sehen: Sie trägt die Haare kurz, hat eine Brille und eine bunte Bluse.
Heike Sudmann ist Sprecherin für Wohnungsbau der Linksfraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft.© imago / Andre Lenthe
„Rausgekommen ist, dass der Senat nicht weiß, wo die BImA überall Wohnungen hat.", berichtet Sudmann. Herausgekommen sei zudem, dass ein Fünftel der Wohnungen leerstehen. "Und die sind nur in einem Bezirk. Und wir wollen, dass der Senat für alle Bezirke sagt: ‚So, BImA! Du lieferst uns jetzt Zahlen, ob deine Wohnungen leerstehen oder nicht. Und wenn sie leerstehen, hast Du gefälligst tätig zu werden!‘“
Heike Sudmann kann nicht verstehen, wieso es kompliziert ist, umfassende Antworten auf ihre Kleine Anfrage zu bekommen. „Der Senat sollte doch einen kurzen Dienstweg zur BImA haben. Nicht nur, weil der ehemalige Staatsrat Herr Krupp der jetzige Chef der BImA ist, sondern einfach, weil es eine öffentliche Behörde ist", sagt die Sprecherin für Wohnungspolitik der Linken-Fraktion im Abgeordnetenhaus. "Und wenn eine öffentliche Behörde der anderen das nicht sagen kann, wäre das schon sehr erstaunlich.“

Druckmittel bei Leerstand

Hamburg hat ein Druckmittel gegenüber Vermietern, die ihre Wohnungen leerstehen lassen und sich um Sanierungen nicht kümmern, auch wenn die Vermieterin eine Bundesanstalt ist. Im Wohnraumschutzgesetz ist geregelt, dass pro unbewohnter Wohnung, die nicht innerhalb von vier Monaten gemeldet wird, ein Bußgeld von 300 Euro fällig wird.
„Es gibt nette Eskalationsstufen. Es gibt erstmal Geldstrafen und es kann bis dahin gehen, dass die Stadt als Treuhänderin eintritt. Das wäre wirklich ein Gag, könnte man fast sagen", sagt Sudmann. "Und zwar ein schlechter Gag! Wenn eine staatliche Hand die andere staatliche Hand quasi verwalten muss, dann zeigt das, da läuft etwas schief."
Diese allerletzte Eskalationsstufe liegt aber noch in weiter Ferne. Und im Altonaer Bezirksamt geht niemand davon aus, dass es soweit kommt. Bislang gab es in Hamburg nur einige wenige Fälle, in denen leerstehende Wohnungen von Treuhändern verwaltet wurden.

BImA unter Rechtfertigungsdruck

So weit wird der Streit mit der BImA nicht eskalieren. Und trotzdem müsse sich die Bundesanstalt fragen lassen, warum sie jahrelang nichts gegen den Leerstand ihrer Immobilien getan hat, findet Rolf Bosse vom Mieterverein zu Hamburg.
„Wir haben mit der BImA ja eigentlich ein staatliches Unternehmen, das die Aufgaben des Staates, Daseinsvorsorge, betreiben soll und sich eben nicht benehmen soll wie ein Finanzinvestor, der ein Gebäude leer zieht, um es dann lukrativ zu sanieren und teuer weiterzuverkaufen", sagt Bosse. "Aber in Ansätzen macht die BImA das ja.“
Schriftlich teilt die BImA dazu mit: Anders als früher würden bis auf wenige Ausnahmen keine Wohnungen mehr verkauft. Fast alle Mieteinnahmen würden in die Sanierung ihrer Immobilien fließen.
Wenn das zutrifft, wäre das eine Abkehr von der bis 2018 verfolgten BImA-Strategie, die vorher mit Wohnungsverkäufen Einnahmen in Milliardenhöhe erzielt hatte.

Unter Aufsicht des Bundesfinanzministeriums

Offen bleibt, warum es so schwer ist, an zuverlässige Angaben zum BImA-Leerstand in allen Hamburger Bezirken zu bekommen, kritisiert Rolf Bosse vom Hamburger Mieterverein. „Druck ausüben können die Bezirke selbst über ihre Wohnraumschutzstellen. Letztlich kann natürlich auch der Senat politischen Druck ausüben. Wir haben ja wohl Kontakte nach Berlin rüber. All das wird offenbar viel zu wenig gemacht.“
Druck könnte auch die für die BImA zuständige Aufsichtsbehörde ausüben: das von FDP-Chef Christian Lindner geführte Bundesfinanzministerium.
Der Leerstand ihrer Wohnungen im Grotefendweg wird nach Angaben der BImA bald angegangen. In den kommenden Monaten soll dort die Sanierung starten, Mitte nächsten Jahres könnten dann die ersten Mieterinnen und Mieter wieder einziehen.

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