Hamburg

Wohnungsbau falsches Rezept gegen steigende Mieten?

09:31 Minuten
Blick auf eine Baustelle mit Rohbauten und Baukränen in Hamburg
Hamburg setzt auf Wohnungsneubau. Doch zum größten Teil seien das teure Wohnungen, kritisiert die Linke. Und die trieben den Mietenspiegel in die Höhe. © picture alliance / Rupert Oberhäuser
Von Axel Schröder |
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Möglichst viele Wohnungen bauen gilt als Mittel gegen steigende Mieten. Hamburg betreibt das schon seit etwa zehn Jahren und hat deutschlandweit am meisten gebaut. Doch zuletzt sind die Mieten stark gestiegen. Braucht es andere Instrumente?
Viele Kommunen setzen auf das Bauen von Wohnungen, um die Mieten bezahlbar zu halten. Hamburg hat damit schon 2011 angefangen. Pastor Andreas Holzbauer ist vom Ergebnis nicht überzeugt. Er steht am Bramfelder See in Hamburg-Steilshoop. Das Naturschutzgebiet sei ein wichtiges Naherholungsgebiet, sagt er. Und er fürchtet um diese Idylle. Wenige Meter entfernt seien 500 Wohnungen geplant mit bis zu siebengeschossiger Bauweise. „Bauen, Bauen, Bauen“, dieses Rezept gegen steigende Mieten in der Hansestadt habe seine Berechtigung, gibt Holzbauer zu. Trotzdem hofft er, dass er zusammen mit der Steilshooper Initiative „Nicht mehr vom Gleichen – Planungsstopp jetzt!“ den Bauherrn doch noch umstimmen kann. Denn gerade hier, in der 70er-Jahre-Hochhaussiedlung, brauche es keine neuen, stark verdichteten Wohnviertel.
Andreas Holzbauer stört noch etwas anderes. Bei den großen Neubauplänen gehe es nur ums Wohnen. Dabei fehlten vor allem Einkaufsmöglichkeiten, Arztpraxen, gastronomische Angebote und Freizeitmöglichkeiten. „Das wird die strukturellen Defizite, die Steilshoop hat – Steilshoop ist einer der ärmsten Stadtteile und verfügt kaum über soziale Infrastruktur – weiter noch verstärken.“

Mieten um 7,3 Prozent gestiegen

In den letzten zehn Jahren sind in Hamburg mehr als 70.000 neue Wohnungen entstanden, gemessen an der Einwohnerzahl liegt die Stadt damit deutschlandweit auf Platz 1. Aber die Hamburger Bauwut hat ihren Preis. Immer öfter gründen sich Initiativen, die sich gegen die Nachverdichtung ihrer Wohnviertel wehren. Ob die Rechnung der Stadt wirklich aufgeht, dass 10.000 neue Wohnungen pro Jahr die Mieten stabil halten können, wird gerade heftig diskutiert. Im vergangenen Dezember stellte Hamburgs Senatorin für Stadtwicklung und Wohnen, Dorothee Stapelfeld, den neuen Mietenspiegel für die Hansestadt vor. Sie war selbst erstaunt vom dort dokumentierten Anstieg von 7,3 Prozent. „Wir müssen daraus Konsequenzen ziehen“, sagt sie. „Aber die wichtigste ist sowieso die, dass wir mit dem ‚Bündnis für das Wohnen in Hamburg‘ weitermachen.“
Das „Bündnis für das Wohnen“ hatte Olaf Scholz als Hamburger Bürgermeister initiiert. In diesem Bündnis sitzen die Wohnungswirtschaft, der Mieterverein zu Hamburg, die städtischen Wohnungsbaugesellschaften und der Grundeigentümerverband mit der Politik zusammen. Das Ziel: die Hürden für einen zügigen Wohnungsbau sollen aus dem Weg geräumt, Planungsverfahren beschleunigt werden. Die Hamburger Investitions- und Förderbank greift den Investoren mit Fördergeldern und zinsgünstigen Darlehen unter die Arme. Ein Drittel der Neubauten sollen dabei Eigentumswohnungen sein, ein Drittel Mietwohnungen und ein Drittel staatlich geförderter Wohnraum.

Kritik an Methodik des Mietspiegel

Dass in Hamburg gebaut wird, begrüßt auch Heike Sudmann von der Linken in der Hamburgischen Bürgerschaft. Doch das Konzept des rotgrünen Senats zur Mietendämpfung gehe nicht auf. „Der Mietenspiegel zeigt einfach, dass dieses ‚Bauen, Bauen, Bauen!‘ dazu führt, dass ganz viele Neubauten die Mieten in die Höhe treiben.“ Denn Hamburg habe es nicht geschafft, viele günstige, geförderte Wohnungen zu bauen, sondern habe fast zu drei Vierteln teure Wohnungen gebaut. „Und die fließen in den Mietenspiegel ein.“
Ein Plakat mit der Aufschrift "Keine Sanierung auf Kosten der Mieter und Mieterinnen" vor einem Hochhaus in Hamburg-Steilshoop.
In den Mietspiegel flössen nur Mieten ein, die sich in den vergangenen sechs Jahren erhöht haben, kritisiert der Verein „Mieter helfen Mietern“. Problematisch gerade in Vierteln wie Steilshoop.© picture alliance / Jonas Walzberg
Sylvia Sonnemann vom Verein „Mieter helfen Mietern“ schätzt zwar, dass es überhaupt einen Mietenspiegel gibt. Doch die Methodik, nach der der Mietenspiegel alle zwei Jahre erhoben werde, sei problematisch. „Es wird nicht wirklich der Bestand abgebildet, weil nur die Mieten einfließen, die sich in den letzten sechs Jahren erhöht haben.“ Das Problem: Die im Mietenspiegel nach so genannten Baualtersklassen aufgeschlüsselten Werte dienen Vermieterinnen und Vermietern als Grundlage bei der Festsetzung der Wohnungsmieten. Und ein hoher Zuwachs von zuletzt insgesamt 7,3 Prozent rechtfertigt dann auch höhere Mietsteigerungen. Schon kurz nach Veröffentlichung des Mietenspiegels im Dezember bekamen tausende Hamburgerinnen und Hamburger dann auch Post von ihren Vermietern und müssen jetzt mit zum Teil stark gestiegenen Wohnkosten zurechtkommen.

Anteil an Sozialwohnraum zu gering

Die Kritik an der Erhebung des Mietenspiegels teilt auch Sonnemanns Kollege Siegmund Chychla, Vorsitzender des Mietervereins zu Hamburg. Zudem sei besonders absurd, dass dort auch Mieten mit hineingerechnet werden, die gegen die Regelungen der Mietpreisbremse verstoßen. Insgesamt gehe es darum, nicht nur weiter zu bauen, sondern auch die Instrumente, die einen Mietenanstieg dämpfen können, endlich so zu reformieren, dass sie wirklich wirken. Dazu gehöre zum Beispiel, die Ausnahmen der Mietpreisbremse abzuschaffen und Verstöße mit Sanktionen zu ahnden. Oder die Reaktivierung eines Paragraphen, der die Vermietung von Bestandswohnungen weit über der ortsüblichen Vergleichsmiete sanktioniert. Zudem müsse die Kappungsgrenze schnell auf elf Prozent abgesenkt werden. Bislang dürfen Mieten innerhalb von drei Jahren um 15 Prozent erhöht werden.
Sylvia Sonnemann von „Mieter helfen Mietern“ sieht auch die Notwendigkeit, den Hamburger Drittelmix wirklich funktionstüchtig zu machen. Demnach müsse ein Drittel der Neubauten durch staatliche Förderung besonders günstig sein. Doch der beziehe sich nur auf die Anzahl der geförderten Wohnungen. Bezogen auf die gebaute Gesamtwohnfläche diene nur ein Achtel als Sozialwohnungen.
Den letzten Dämpfer bekam die Hamburger Wohnungsbaupolitik vergangene Woche: Der Bau neuer Sozialwohnungen ist seit Pandemiebeginn um fast die Hälfte eingebrochen. Grund dafür seien vor allem die gestiegenen Baukosten, heißt es aus der Stadtentwicklungsbehörde. Ob die gerade beschlossene Erhöhung der Fördermittel dazu führt, dass der versprochene Drittelmix eingehalten wird, ist offen.

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