KZ-Überlebende

Zofias Rückkehr aus Auschwitz

Die polnische Autorin und Auschwitz-Überlebende Zofia Posmysz spricht am 27.1.2014 bei einer Gedenkveranstaltung zum 69. Jahrestag der Befreiung des Konzentrations- und Vernichtungslagers.
Zofia Posmysz spricht bei einer Gedenkveranstaltung zum 69. Jahrestag der Befreiung des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz. © picture-alliance / dpa / Andrzej Grygiel
Von Sabine Adler · 20.01.2015
"Befreiung und Heimkehr" handelt von einer wochenlangen Odyssee voller Zweifel und Entbehrungen. Das Buch der polnischen Autorin Zofia Posmysz über ihre Rückkehr aus Auschwitz ist jetzt auf Deutsch erschienen.
Als die Rote Armee am 27. Januar das Vernichtungslager Auschwitz befreite, befand sich Zofia Posmysz sich schon im Konzentrationslager Ravensbrück, nach einem tagelangen Todesmarsch auf der Flucht vor der vorrückenden Front.
"Der letzte Tag in Auschwitz war der 18. Januar. Um 18 Uhr wurde unser Lager Birkenau B2B Richtung Deutschland getrieben. Es herrschten minus 18 Grad. Nach drei Tagen und drei Nächten zu Fuß wurden wir in offenen Güterwagen nach Ravensbrück gebracht."
Von dort aus ging es weiter nach Neustadt-Glewe, wo sie nach heftigen Fliegerangriffen am 2. Mai die Befreiung erlebte. Die SS-Wachen hatten das Lager panikartig verlassen, was die Häftlinge erst merkten, als der Befehl zum Appell ausblieb. Sie brachen das Tor auf.
"Die Menschenmenge lief und lief, plötzlich blieben alle wie auf Kommando stehen. Jemand sagte: Hört mal, wir haben kein Brot. Wir liefen zum Lager zurück. Ich auch. Zwei Tage trauten wir uns nicht, das Lager zu verlassen. Am Abend sind amerikanische Soldaten in Jeeps erschienen. Einer lud mich zu einer kleinen Runde ein. Danach kamen die Lkw mit Essens-Paketen von den Vereinten Nationen."
Zweifel auf dem Weg in die Heimat
Zofia Posmysz, heute 91 Jahre alt, ist in Polen eine berühmte Hörspiel- und Buch-Autorin. Soeben hat sie auf Deutsch ihr Buch "Befreiung und Heimkehr" veröffentlicht. Ihr letztes, wie sie sagt. Darin schildert sie die Zweifel, die sie und eine Gruppe von 23 ehemaligen Auschwitzhäftlingen auf ihrem Weg zurück in die Heimat befallen haben. Polen gehörte schon zum sozialistischen Lager, die Sowjetunion diktierte östlich der Elbe die Nachkriegsentwicklung.
"Die Amerikaner, die uns die Lebensmittel-Pakete gebracht haben, rieten uns hinter die Elbe zu gehen, weiter östlich kämen die Russen, die würden sich schlecht benehmen. Wir hatte keine Ahnung, was das bedeutete. Und: Konnte man sich schlechter benehmen als die Deutschen, die noch auf dem Todesmarsch so viele Menschen mit Genickschuss getötet haben? Und wenn sie Patronen sparen wollten, die Frauen wie Schweine mit Stöcken erschlagen haben?"
Sie erlebte die Angst der Deutschen vor den Ex-Häftlingen, vor deren Rache, auch vor Diebstahl. Die Begegnungen mit den Soldaten der Roten Armee verliefen höchst unterschiedlich:
"Der erste Besuch von den Russen fand schon nach zwei Tagen statt. Sie hatten auch Selbstgebrannten mitgebracht. Meine Freundin Maria, die Pharmazeutin von Beruf war, warnte uns zu trinken. Zwei taten es dennoch, sie feierten die Freiheit, den Sieg. Sa pobjedu! Sie starben, denn der Alkohol war Methanol."
Ein Lied über Stalins Terror
Dass in Polen bald Verhältnisse wie in der Sowjetunion herrschen würden, konnten sich die meisten Frauen aus ihrer Rückkehrergruppe nicht vorstellen. Zofia Posmyz war in Auschwitz-Birkenau mit Russinnen befreundet. Von ihnen lernte sie ein Lied über den Stalinschen Terror und dessen berüchtigten Geheimdienst NKWD. Äpfelchen wohin rollst Du? In den NKWD, von dort kehrst du nie zurück.
"Das waren alle Vorwarnungen. Keiner wusste, dass Polen bereits zur russischen Einflusszone gehörte, aber je weiter wir nach Hause kamen, desto mehr sahen wir, wie sehr wir uns getäuscht haben."
Zofia Posmysz hat vier Bücher geschrieben, die allermeisten zu Zeiten, da Polen sozialistisch war. Kritik an der UdSSR und Roten Armee war undenkbar, deswegen schob sie "Befreiung und Heimkehr" immer auf. Das Buch sollte auch von Olenka erzählen, die erst mit ihr in Auschwitz und danach unter den Kommunisten eingesperrt war, beide Male weil ihr Bruder der polnischen Heimatarmee angehört hat. Die kämpfte erst gegen die Nazis, dann gegen die Rote Armee.
"Das waren wirklich schreckliche Enttäuschungen. Ich habe meine Entscheidung nicht bereut. Mein Vater wurde 1943 erschossen. Meine Mutter hätte ohne mich nicht überlebt. Ich bekam zu meinem Gehalt einmal im Monat ein Essenspaket und das gab ich ihr. Da sagte sie: Jetzt bist du unser Vater."
Zofia Posmysz erfuhr von der Befreiung von Auschwitz erst am 24. Mai 1945, dem Tag an dem sie zu Hause ankam.
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