Kurz und kritisch

Heute stellen wir Ihnen Bücher über deutsche Geschichte vor, beschäftigen uns mit dem Führer des SS-Sicherheitsdienstes, Reinhard Heydrich, und dem Kalten Krieg.
Helmut Peitsch/ Helen Thein: Die Antwort ist das Unglück der Frage: Ausgewählte Schriften von Walter Boehlich

Die Biographie eines Autors ist sein Werk, nicht die menschelnde Aufdeckung unzensierter Gefühle. Daran haben sich die Herausgeber der Werke von Walter Boehlich gehalten. Der Band „Die Antwort ist das Unglück der Frage“ stellt den Literaturkritiker, Lektor, Übersetzer und Polemiker in dreizehn Kapiteln vor, die nicht chronologisch, sondern thematisch geordnet sind, und auf diese Weise die Geschichte der Bundesrepublik mit der ihres Kommentators verzahnen.

Boehlich war streng und genau, „ein leidenschaftlicher Büchermensch ... eine Schlüsselfigur der Geistesgeschichte Nachkriegsdeutschlands“ wie es im Klappentext heißt. Er war, als Essayist, Übersetzer, Rezensent, auch als Briefe Schreiber oder Verfasser von Glossen, der sich immer wieder eingemischt hat, Autorität und Maßstab für viele Intellektuelle, als es sie noch gab: Hoch gebildet, scharf in seinen Urteilen, übergenau, wenn er einen Text oder eine Übersetzung auseinander nahm.

Als Person hat sich Boehlich eher zurückgenommen, er steckt in seinen Aufsätzen, die einen bewundernswert breiten Themenkatalog umspannen und von den 1950er-Jahren bis zum Anfang des neuen Jahrtausends reichen.

Erschienen im Fischer Verlag

Robert Gerwarth: Reinhard Heydrich
Der Historiker Robert Gerwarth beschreibt nüchtern, den 1904 in Halle geborene Reinhard Tristan Eugen Heydrich, Führer des Sicherheitsdienstes der SS und der Sicherheitspolizei, also Leiter zweier Organe, die nach 1933 „für einen Großteil der in Deutschland und im besetzen Europa begangenen Gräuel verantwortlich waren“.

Der Autor zeichnet das Bild eines Mannes, der skrupelloses Machtbewusstsein mit absoluter Loyalität gegenüber Himmler und Hitler zu mörderischer Effizienz verband. Seine konzise Biographie eines Massenmörders akzentuiert auch die verdrängte Mitschuld fanatischer Nationalsozialistinnen an den Erfolgen des Hitler-Regimes.

Während Heydrichs Karriere im Mai 1942 durch ein tödliches Attentat beendet wurde, erstritt sich seine Frau, die seine Karriere in NSDAP und SS initiiert hatte, nach dem Krieg eine Generalswitwenpension, die sie bis zu ihrem Tod im Jahre 1985 bezog. So zeigt Gerwarth zweierlei: Hybris und Nemesis des Bilderbuch-Nazis schlechthin wie auch Genuss ohne Reue.

Erschienen im Siedler Verlag

Hartmut Kaeble: Kalter Krieg und Wohlfahrtsstaat – Europa 1945-1989

Der Titel „Kalter Krieg und Wohlfahrtsstaat“ suggeriert eine These, die das Buch nicht untersucht. Die Entwicklung des europäischen Sozialstaats sei eine Abwehrmaßnahme des Westens gegen den osteuropäischen und von Moskau gesteuerten Kommunismus gewesen.

Stattdessen probiert sich der Autor an einer europäischen Nachkriegsgeschichte in einer Art vergleichender Gesamtdarstellung, die umso langweiliger wird, je näher sie der Gegenwart rückt. Entlang der Zeitachse von 1945 bis 89 werden die einzelnen Aspekte der europäischen Geschichte, insbesondere die Entkolonialisierung, Kalter Krieg, Globalisierung, Kultur und Sozialstaat dargestellt, wobei der Autor den Ehrgeiz zu haben scheint, keinen Aspekt auszulassen.

Wie viele der vergleichenden Sammeldarstellungen, geht auch dieses Buch den geschilderten historischen Phänomenen nur selten auf den Grund. Es vermittelt kaum Erkenntnisse, sondern Daten. Ohne sie lässt sich Geschichte gewiss nicht betreiben, doch mit ihnen alleine eben auch nicht. Entbehrlich.

Erschienen im Verlag C.H. Beck
Cover "Die Antwort ist das Unglück der Frage"
Cover „Die Antwort ist das Unglück der Frage“© S.Fischer Verlag
Cover "Reinhard Heydrich"
Cover „Reinhard Heydrich“© Siedler Verlag
Cover "Kalter Krieg und Wohlfahrtsstaat"
Cover „Kalter Krieg und Wohlfahrtsstaat“© Verlag C.H.Beck
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